Gehaltsunterschiede von bis zu 500 Euro
Nur 15 Prozent der ambulanten Pflegeeinrichtungen in Niedersachsen bezahlen ihre Angestellten nach Tarif. „Zu denen, die nicht die Tarifbestimmungen anwenden, zählen nicht nur die vielen privaten Pflegedienste, auch etwa das Deutsche Rote Kreuz oder der Paritätische Wohlfahrtsverband“, sagt Annette Klausing, als Verdi-Gewerkschaftssekretärin zuständig für den Bereich Diakonie. Für die Angestellten bedeute das nicht nur Gehaltsunterschiede von teilweise 500 Euro, auch Urlaubstage, Arbeitszeit und die betriebliche Altersvorsorge seien immer wieder anders geregelt. „Da mehr als 80 Prozent der Pflegekräfte in Teilzeit arbeiten, führt das zu so absurden Situationen wie etwa der Dienstteilung, sodass die Pflegekraft am Vormittag einige Stunden arbeitet, dann mehrere Stunden frei hat und am Abend die restlichen Stunden leistet“, sagt Thilo Jahn, der als Gewerkschaftssekretär bei Verdi die ambulanten Pflegeeinrichtungen betreut. Dazu hätten sie selten frei, müssten an Wochenenden arbeiten und häufig einspringen, wenn Kollegen ausfallen. „Unsere Erfahrung ist, dass die meisten Pflegekräfte gern in ihrem Beruf arbeitet. Aber es wird ihnen oft unmöglich gemacht, den Beruf mit einem Privatleben zu vereinbaren.“Lesen Sie auch: Neue Pflegekammer wählt Vorstand – Altenpflege ist unterrepräsentiert CDU-Sozialflügel zu Pflegekosten: Tarifpartner bitte nicht mit Beiträgen überfrachten
Aus Sicht des DDN-Vorstandsvorsitzendem Becker liegt die Schuld an der schlechten Bezahlung auch in der Refinanzierungspraxis. „Natürlich versuchen manche Dienste, durch das Sparen beim Personal ihre Rendite aufzubessern. Die meisten allerdings können nur so wirtschaftlich bleiben.“ Die Pflegedienste machen ihre Ausgaben bei den Kranken- und Pflegeversicherungen geltend. Doch diese erstatten oft nur die gesetzlich vorgeschriebenen Soll-Zeiten, nicht aber, was tatsächlich geleistet wurde. „Das fängt schon beim Wege-Geld an. Bei der ambulanten Pflege sind etwa ein Drittel Fahrzeit, das ist aus unserer Sicht komplett Arbeitszeit“, sagt Volker Wagner, Geschäftsführer der Diakoniestationen Harz-Heide. Für die Strecke zwischen zwei Hausbesuchen rechneten die Kassen jedoch nur etwa drei Minuten Fahrzeit, der Durchschnitt liege aber bei rund sechs Minuten. „Das, was wir also für die Fahrzeit erstattet bekommen, deckt überhaupt nicht die Kosten, die dabei entstehen.“ Aber auch für die Refinanzierung anderer Leistungen gibt es immer wieder Probleme bei der Absprache, da in der ambulanten Pflege sowohl die Vorschriften für die Krankenversicherung wie auch der Pflegeversicherung gelten. „Das ist in der ambulanten Pflege sehr unglücklich, weil die Preise für ein und dieselbe Leistung unterschiedlich ausfallen“, sagt Wagner.