20. Okt. 2020 · 
Bildung

Corona-Anfragen belasten die Verbraucherzentrale

Die Verbraucherzentrale Niedersachsen fordert eine deutliche Finanzspritze vom Land, um auch künftig ihre Grundberatung und das bisherige Beratungsnetz aufrechterhalten zu können. Der jährliche Sockelbetrag von 1,5 Millionen Euro müsste dazu auf mindestens 2 Millionen Euro angehoben werden, sagte Petra Kristandt, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale, gestern bei der Vorstellung ihres Tätigkeitsberichtes. Die Corona-Krise hat offenbar auch die niedersächsische Verbraucherzentrale an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht. [caption id="attachment_54437" align="alignnone" width="780"] Fordern mehr Geld für die Verbraucherzentrale: Vorstandschef Randolph Fries und Geschäftsführerin Petra Kristandt - Foto: nkw[/caption] Zu Beginn des Lockdowns im März und April seien fünfmal so viele Anfragen eingegangen wie noch im Vormonat, berichtete Randolph Fries, Vorsitzender des Vorstands der Verbraucherzentrale Niedersachsen, gestern in Hannover. In der Hochphase seien bis zu 1000 telefonische Beratungen pro Woche durchgeführt worden, inzwischen habe es sich auf dem Level von knapp 700 Fällen eingependelt. Die gestiegene Nachfrage mache deutlich, wie groß das Vertrauen der Bevölkerung in die Verbraucherzentrale sei, sagte Geschäftsführerin Kristandt. Allerdings übersteige die Nachfrage zurzeit die Beratungsmöglichkeiten etwa um das Doppelte. „Wir sind für solche Situationen gar nicht ausgestattet“, ergänzte Vorstandchef Fries, der sich an die Ausnahmesituation 2008, ausgelöst durch die Finanzkrise, erinnert fühlte.

500.000 Euro bedeuten zehn zusätzliche Berater

Im bundesweiten Durchschnitt ist die niedersächsische Verbraucherzentrale besonders schlecht ausgestattet. Seit 2013 bekommen die Verbraucherschützer den festen Sockelbetrag von 1,5 Millionen Euro für ihre alltägliche Arbeit. Das entspreche umgerechnet 20 Cent pro Einwohner, rechnete Kristandt vor. Damit liege Niedersachsen auf dem letzten Platz im Vergleich zu den anderen Bundesländern. Durch Projektförderungen von Bund und Land wird dieser Betrag zwar auf rund 5 Millionen aufgestockt. Diese Gelder sind allerdings nicht langfristig vorhanden und müssen für die speziellen Themenfelder eingesetzt werden, wie etwa für Schulernährung oder für Digitales. In Niedersachsen gibt es die Besonderheit, dass die Verbraucherzentrale über das niedersächsische Glückspielgesetz finanziert wird. Wenn in einem Jahr einmal mehr Glückspiel gespielt wird, kann zwar zusätzliches Geld für die Verbraucherschützer herauskommen, doch das sei eben nicht planbar, monierte Fries. Vorstand und Geschäftsführung werben deshalb bei der Landesregierung dafür, den Sockelbetrag deutlich zu erhöhen. Mit weiteren 500.000 Euro könne sie in zumindest zehn der elf Beratungsstellen im Land einen weiteren Juristen einstellen, erläuterte Kristandt. Zudem fehle eine Dynamisierung der Finanzierung. Die Gehälter stiegen zwar seit 2013, nicht aber die Grundfinanzierung. Das führte bereits dazu, dass eine Stelle schlichtweg nicht neu besetzt werden konnte, nachdem die frühere Stelleninhaberin in den Ruhestand gegangen war, berichtete Fries. Das führe dazu, dass die Verbraucherzentrale durchaus etwas humpelt und ihren Aufgaben nicht nachkommen könne, wie sie es müsste.
Man muss einen langen Atem haben, immer nachhaken, man muss schriftlich tätig werden – nur dann kann man das Recht, das man eigentlich hat, auch erhalten.
Durch die Corona-Pandemie und deren Folgen haben sich nicht nur der Umfang, sondern auch die Art der Anfragen deutlich verändert. Die Menschen seien zwar noch immer mit klassischen Verbraucherproblemen konfrontiert, sagte Fries. Doch das Ausmaß sei sehr viel größer und der Themenbereich habe sich verschoben. Ging es im Februar noch schwerpunktmäßig um Telefon-, Internet- und Mobilfunkverträge, zu denen die Menschen Fragen an die unabhängige Beratungsstelle richteten, standen ab März fast nur noch Reiserecht und Veranstaltungen im Fokus. Im Ranking der Themen rangierten Fragen rund um verschiedene Sachlagen bei Urlaubsreisen auf der ersten drei Plätzen, zwei Drittel der Anfragen wurden zu diesem Themenkomplex gestellt. [caption id="attachment_54438" align="alignnone" width="780"] Urlaubslust statt Reisefrust? Bei vielen Niedersachsen war es andersherum - Foto: nkw[/caption] Neu sei gewesen, dass zahlreiche Rechte, die Verbraucher eigentlich haben, vonseiten der Anbieter gezielt ausgehebelt worden sind oder per Schwarze-Peter-Spiel weitergeschoben wurden, berichtete Kristandt. So sei es häufig vorgekommen, dass die Unternehmen, die Reisen vermitteln, und jene Unternehmen, die für die Durchführung zuständig sind, die Verantwortung immer wieder hin und her geschoben haben. „Man muss einen langen Atem haben, immer nachhaken, man muss schriftlich tätig werden – nur dann kann man das Recht, das man eigentlich hat, auch erhalten“, sagte Verbraucherschützerin.

Verbraucherzentrale übt Kritik am Beherbergungsverbot

Eine ganz aktuelle Herausforderung stellt das Beherbergungsverbot dar. In zahlreichen Ländern wurde dieses zwar von den Gerichten gekippt, in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gilt es aber noch. Die niedersächsischen Verbraucherschützer sind nun der Auffassung, dass die Kunden ihr Geld für den Urlaub komplett zurückerstattet bekommen müssten. Die Veranstalter verweisen jedoch auf die Möglichkeit, dass die Touristen mit einem negativen Corona-Test doch anreisen dürfen. Für eine Vierköpfige Familie wären diese Tests allerdings sehr teuer, sagte Vorstandschef Fries. Zudem sei die Rechtslage einfach noch unklar, ergänzte Kristandt. Wie in vielen Fällen rund um Corona-bedingte Ausfälle beriefen sich die Veranstalter nun darauf, dass die Verbraucher den Rechtsweg einschlagen sollen. Für die Verbraucherzentrale wird es also auch künftig noch allerhand zu tun geben.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #187.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
Christian Meyer und Miriam Staudte. | Foto: Kleinwächter
Minister Meyer warnt: Schnellere Planung wird nicht mit weniger Behördenpersonal gehen
4. Juni 2025 · Klaus Wallbaum4min
Foto: Nikada via Getty Images
Warum es so kompliziert ist, die Zahl der zusätzlichen Lehrer korrekt zu bestimmen
3. Juni 2025 · Niklas Kleinwächter4min
Auf einen Sturz sollte man reagieren: mit Training für Muskelkraft und Gleichgewicht | Foto: vlada_maestro via GettyImages
Universität Oldenburg entwickelt jetzt ein tragbares Gerät zur Sturzprävention
2. Juni 2025 · Anne Beelte-Altwig3min