12. Sept. 2019 · Bildung

Uni Hannover: Professor für Maschinenbau fordert Präsident Epping heraus

An den beiden größten niedersächsischen Hochschulen vollziehen sich gerade merkwürdige Diskussionsprozesse: Wie das Politikjournal Rundblick erfahren hat, kommt es in der Leibniz-Universität Hannover, die knapp 30.000 Studenten zählt und damit die Nummer zwei hinter Göttingen ist, zu einem Kräftemessen um die Führung. Eigentlich schienen die Weichen gestellt zu sein für eine zweite, dann achtjährige Amtszeit des gegenwärtigen Präsidenten Volker Epping (60), eines Jura-Professors. [caption id="attachment_33880" align="alignnone" width="780"] Der Herausforderer will "die Unsicherheit über Alternativen zum amtierenden Präsidenten beenden“ - Foto: mije shots[/caption] Der Hochschulrat, ein beratendes Gremium, hatte bereits vor Monaten beschlossen, auf die Ausschreibung der Stelle zu verzichten – ein Schritt, der eine Verlängerung von Eppings Tätigkeit zur Folge hätte. Die Entscheidung darüber fällt im Oktober im Senat der Universität. Doch vor wenigen Tagen hat nun der ebenfalls 60 Jahre alte Maschinenbau-Professor Jörg Seume, Fachmann für Strömungsmaschinen und Strömungsmechanik, seine Bereitschaft zu einer Kandidatur gegen Epping erklärt. Das hat Seume in einem Schreiben den Mitgliedern des Senats mitgeteilt, dieser Brief liegt dem Politikjournal Rundblick vor. Er wolle damit „die Unsicherheit über Alternativen zum amtierenden Präsidenten beenden“.

Überraschender Schritt des Herausforderers

Der Schritt des Maschinenbau-Professors ist in doppelter Hinsicht überraschend. Zunächst schien es so, als würde mit dem Votum des Hochschulrates die Fortsetzung der Ära Epping bereits geklärt sein. Seine erste sechsjährige Amtszeit läuft noch bis Ende 2020, aber die Gremien beraten bereits früh über die Personalie für den Fall, dass eine zeitraubende Ausschreibung gewünscht wird. Dass nun Seume auf den Plan tritt, ist an sich schon ungewöhnlich, da offene Kritik an Epping bisher nicht laut geworden ist. Zwei Sätze aus dem Schreiben des Herausforderers klingen in dieser Hinsicht aufschlussreich: „Sollten Hochschulrat und Senat die Stelle ausschreiben, dann strebte ich das Amt des Präsidenten an, weil diese Universität jetzt eine Leitung braucht, die den Studierenden, den Beschäftigten, den Lehrenden und den Forschenden als Partner zur Seite steht. Die durch das Niedersächsische Hochschulgesetz stark ausgeprägte Machtposition des Präsidenten darf nicht der Bevormundung der Fakultäten dienen, sondern muss Potentiale fördern, Stärken stärken und wo erforderlich zum Beispiel aus den Erkenntnissen der Exzellenzinitiative Korrekturen vornehmen.“ Zwar weist Seume nicht explizit auf den Amtsinhaber hin, aber die Formulierungen deuten bei ihm auf ein Unbehagen über einen als sehr dominant empfundenen Führungsstil von Epping hin. Zuspruch für seinen Vorstoß hat Seume angeblich schon bekommen, auch der frühere Dekan der Wirtschaftsfakultät, Stefan Homburg, soll zu denen gehören, die seinen Schritt mit Sympathie begleiten.

Göttingen als Auslöser für den Machtkampf?

Fraglich ist, ob die Debatte in der Leibniz-Uni auch entstanden wäre, wenn in diesem Sommer nicht an der größten Uni des Landes, der Georg-August-Universität in Göttingen, dramatische Entwicklungen abgelaufen wären. Der Präsident der Leuphana-Universität Lüneburg, Sascha Spoun, wurde als Berater für die Präsidentensuche in Göttingen engagiert, war dann überraschend der einzige Kandidat für die Nachfolge der scheidenden Präsidentin Ulrike Beisiegel – und wurde gewählt ohne eine universitätsinterne Anhörung, wie viele Beschäftigte zuvor gefordert hatten. Es kam nach der Wahl zur Protestnote von 49 Professoren, eine Konkurrentenklage wurde angestrengt und noch vor der juristischen Klärung zog Spoun Ende August plötzlich zurück. Er meinte, es habe Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens gegeben. Trotz des Verzichts wurde der Vorwurf der Mauschelei laut, viele Professoren fühlten sich von den leitenden Gremien und von Spoun selbst überrumpelt. Auch das hat noch eine Vorgeschichte: Spoun hatte sich noch im Januar 2019 seine Wiederwahl als Präsident der Uni Lüneburg bis 2026 gesichert – indem er vorher erklärte, nur bei Verzicht auf eine Ausschreibung für die weitere Tätigkeit in Lüneburg bereit zu sein. Das Gerangel um Spoun und die Göttinger Uni wird in Wissenschaftlerkreisen als Musterbeispiel für eine Abgehobenheit und Abschottung von Uni-Leitungen diskutiert. Diese Debatte schwappt nun wohl auch auf die Uni-Hannover über.
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Das mischt sich mit Vorbehalten gegenüber einer zu mächtigen und zu wenig auf Kooperation angelegten Stellung der Hochschulpräsidenten, die laut Hochschulgesetz die Universität nicht nur repräsentieren, sondern auch Zielvereinbarungen abschließen, die Mittelzuweisung lenken, über Wohl und Wehe von Studiengängen befinden und auch in die Personalpolitik der Fakultäten eingreifen können. Gegenüber den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die Ordinarien geschwächt, die Gremien gestärkt und die Mitbestimmung verschiedener Gruppen an den Hochschulen gefördert wurde, ist spätestens nach der Jahrtausendwende die Leitung der Universitäten in den Bundesländern wieder gestärkt worden – auch unter dem Eindruck von zunehmendem Wettbewerb der Wissenschaften und der Notwendigkeit klarerer Entscheidungen. Zur Ära des hannoverschen Uni-Präsidenten Epping gehört in jüngster Zeit eine starke Fokussierung auf eine verstärkte und zielstrebige Sanierung der in die Jahre gekommenen Uni-Bauten.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #159.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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