
Überraschender Schritt des Herausforderers
Der Schritt des Maschinenbau-Professors ist in doppelter Hinsicht überraschend. Zunächst schien es so, als würde mit dem Votum des Hochschulrates die Fortsetzung der Ära Epping bereits geklärt sein. Seine erste sechsjährige Amtszeit läuft noch bis Ende 2020, aber die Gremien beraten bereits früh über die Personalie für den Fall, dass eine zeitraubende Ausschreibung gewünscht wird. Dass nun Seume auf den Plan tritt, ist an sich schon ungewöhnlich, da offene Kritik an Epping bisher nicht laut geworden ist. Zwei Sätze aus dem Schreiben des Herausforderers klingen in dieser Hinsicht aufschlussreich: „Sollten Hochschulrat und Senat die Stelle ausschreiben, dann strebte ich das Amt des Präsidenten an, weil diese Universität jetzt eine Leitung braucht, die den Studierenden, den Beschäftigten, den Lehrenden und den Forschenden als Partner zur Seite steht.
Göttingen als Auslöser für den Machtkampf?
Fraglich ist, ob die Debatte in der Leibniz-Uni auch entstanden wäre, wenn in diesem Sommer nicht an der größten Uni des Landes, der Georg-August-Universität in Göttingen, dramatische Entwicklungen abgelaufen wären. Der Präsident der Leuphana-Universität Lüneburg, Sascha Spoun, wurde als Berater für die Präsidentensuche in Göttingen engagiert, war dann überraschend der einzige Kandidat für die Nachfolge der scheidenden Präsidentin Ulrike Beisiegel – und wurde gewählt ohne eine universitätsinterne Anhörung, wie viele Beschäftigte zuvor gefordert hatten. Es kam nach der Wahl zur Protestnote von 49 Professoren, eine Konkurrentenklage wurde angestrengt und noch vor der juristischen Klärung zog Spoun Ende August plötzlich zurück. Er meinte, es habe Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens gegeben. Trotz des Verzichts wurde der Vorwurf der Mauschelei laut, viele Professoren fühlten sich von den leitenden Gremien und von Spoun selbst überrumpelt. Auch das hat noch eine Vorgeschichte: Spoun hatte sich noch im Januar 2019 seine Wiederwahl als Präsident der Uni Lüneburg bis 2026 gesichert – indem er vorher erklärte, nur bei Verzicht auf eine Ausschreibung für die weitere Tätigkeit in Lüneburg bereit zu sein. Das Gerangel um Spoun und die Göttinger Uni wird in Wissenschaftlerkreisen als Musterbeispiel für eine Abgehobenheit und Abschottung von Uni-Leitungen diskutiert. Diese Debatte schwappt nun wohl auch auf die Uni-Hannover über.Lesen Sie auch: Spoun will nun doch Leuphana-Präsident bleiben
Das mischt sich mit Vorbehalten gegenüber einer zu mächtigen und zu wenig auf Kooperation angelegten Stellung der Hochschulpräsidenten, die laut Hochschulgesetz die Universität nicht nur repräsentieren, sondern auch Zielvereinbarungen abschließen, die Mittelzuweisung lenken, über Wohl und Wehe von Studiengängen befinden und auch in die Personalpolitik der Fakultäten eingreifen können. Gegenüber den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die Ordinarien geschwächt, die Gremien gestärkt und die Mitbestimmung verschiedener Gruppen an den Hochschulen gefördert wurde, ist spätestens nach der Jahrtausendwende die Leitung der Universitäten in den Bundesländern wieder gestärkt worden – auch unter dem Eindruck von zunehmendem Wettbewerb der Wissenschaften und der Notwendigkeit klarerer Entscheidungen. Zur Ära des hannoverschen Uni-Präsidenten Epping gehört in jüngster Zeit eine starke Fokussierung auf eine verstärkte und zielstrebige Sanierung der in die Jahre gekommenen Uni-Bauten.