
Bad Sachsa galt lange als niedersächsisches Wintersportparadies – doch diese Zeiten sind vorbei. Schneetage sind selten geworden, in der jüngsten Wintersaison waren die Skilifte sogar komplett abgestellt. Während in Ost- und Oberharz kräftig in neue Infrastruktur investiert wurde, hat der niedersächsische Südharz den Wandel vielerorts verschlafen. Seit den Neunzigerjahren verlor die Region massiv an Attraktivität: Heute zählt der Südharz nur noch rund 900.000 Übernachtungen im Jahr – einst war es fast doppelt so viel. Immerhin: Seit 2009 gibt es einen leichten Aufwärtstrend.
Zwei Großprojekte sollen Bad Sachsa nun wieder zu den Topadressen im Harz machen: Unten im Tal investiert die Interspa-Gruppe fast 50 Millionen Euro in die Erweiterung des Erlebnisbads Salztalparadies. Entstehen soll ein Vier-Sterne-Urlaubsressort mit Hotel und neuen Freizeitangeboten. „Jeder kennt die Situation, wenn du bei Regenwetter mit Kindern beengt in einer Ferienwohnung sitzt und dir die Beschäftigungsideen ausgehen. Genau hierfür haben wir die passende Lösung geschaffen“, sagt Interspa-Geschäftsführer Volker Kurz. Für ihn ist das Projekt ein „Ausrufezeichen für die Region“ und soll Bad Sachsa mit einer Schlechtwetter-Garantie wieder wettbewerbsfähig machen. Oben auf dem Ravensberg kommt mit dem „Ravensberg Naturdorf“ ein weiteres Leuchtturmprojekt mit ähnlicher Stoßrichtung hinzu.

Auf dem 659 Meter hohen Gipfel zeigt sich bislang ein Bild des Stillstands. Dort befinden sich ein in die Jahre gekommenes Ausflugslokal, ein paar kaum genutzte Skilifte und ein ehemaliger Horchposten aus dem Kalten Krieg, der heute nur noch als besserer Handymast dient. „Die Baude ist baulich nicht zu retten“, stellt Prof. Martin Weigel klar, Vorstand der Glücksburg Consulting (GLC) aus Hamburg, die bundesweit als Destinationsmanager und Projektentwickler aktiv ist. Seine Firma ist im Südharz kein Unbekannter: GLC steuert bereits das touristische Marketing von Bad Sachsa, Bad Lauterberg und Walkenried. Aus dem Ravensberg möchte er ein neues Zugpferd für den Tourismus machen: Geplant ist ein Hotel mit Spa-Bereich und Veranstaltungsräumen, acht Doppelzimmern, einer integrierten Baude sowie einem Trauzimmer – das alles ergänzt durch derzeit sechs Ferienhäuser. Träger des Projekts ist die Ravensberg View GmbH, an der neben der GLC auch Unternehmer Martin Kind, die Uelzener Versicherungen und der Online-Großhändler Pflanzensofort aus dem Oldenburger Land beteiligt sind.
Rückenwind bekommt das Vorhaben aus der Politik. „Der Ravensberg ist der einzige Gipfel im Harz, der einen Brockenblick hat und noch nicht gastronomisch erschlossen ist. Wenn man hier drei Pommes-Fritteusen gleichzeitig anschließt, fliegen die Sicherungen raus“, beschreibt Landrat Marcel Riethig (SPD) die aktuelle Lage. Für ihn ist das Projekt ein „Leuchtturm für den ganzen Südharz“, das Entwicklungschancen weit über die Stadt hinaus biete. Der Landkreis beteiligt sich mit 1,85 Millionen Euro an der Erschließung – obwohl touristische Infrastruktur eigentlich keine Kernaufgabe ist. Auch SPD-Ratsfrau Saskia Liebing aus Bad Sachsa erhofft sich durch das Gipfel-Resort neuen Aufwind für die Region: „Der schwierige Part ist die Konkurrenz zum Ost- und zum Oberharz. Da läuft einiges an uns auf der Überholspur vorbei. Deswegen ist es wichtig, dass wir endlich auch wieder ein eigenes Leuchtturmprojekt auf den Weg bringen.“
Doch die Realität ist mühsam. Trotz breiter politischer Rückendeckung, auch durch Bad Sachsas Bürgermeister Daniel Quade (FDP), lassen die Genehmigungsbehörden den Planern kaum Spielraum. „Wir haben keinerlei Flexibilität und Gnade bei einer kreativen Regelauslegung zu erwarten – das sind die täglichen Erlebnisse eines Investors in Deutschland“, sagt Weigel. Ein zusätzlicher Bauabschnitt sei nicht genehmigungsfähig, die Zahl der Ferienhäuser beschränkt. „Für einen Investor, der sich über Banken refinanziert, ist nichts schlimmer als Unsicherheit. In der Planungsphase weiß ich nicht, ob ich mit dem Projekt jemals etwas verdienen werde.“ Die Rechnung sei ohnehin knapp. „Die Wirtschaftlichkeit ist grenzwertig und geht nur durch Synergien.“ Die Naturschutzauflagen erlauben bei strenger Auslegung nur ein kleines Projekt. „Wir bauen normalerweise kein Ferienhaus ohne eigene Sauna – das kriegen wir hier aber nicht hin. Deswegen haben wir im Hauptgebäude einen größeren Wellnessbereich eingeplant.“

Europaministerin Melanie Walter (SPD) nahm das Projekt auf ihrer Sommerreise in den Blick. „Was wir vor allem brauchen, sind Leute, die etwas voranbringen wollen und sagen: Wir haben eine Vision für den Ort“, lobte sie die Entwicklung vor Ort. Konkrete Unterstützung sagte Walter bei der geplanten digitalen Gästekarte mit Veranstaltungsplaner für Bad Sachsa, Bad Lauterberg und Walkenried zu, die die drei Kommunen zusammen mit GLC entwickeln wollen. „Das ist ein Projekt, das wir über Landesförderung abdecken können“, erklärte sie. Den niedersächsischen Teil des Harzes sieht Walter insgesamt auf einem guten Weg. Es zeige sich, dass ein Anstoß wie etwa der Bau des neuen Harzturms viele weitere Projekte nach sich ziehe.
Weigel sieht den Ravensberg als Schlüsselprojekt für den Südharz. Sein Ziel sei es, dort einen wirtschaftlich tragfähigen Standort aufzubauen. „Wir trauen der Region zu, in den nächsten Jahren wieder auf 1,3 Millionen Übernachtungen zu kommen“, sagt er. Als größtes Hindernis nimmt er dabei die bürokratischen Hürden wahr, auch wenn sich die Investitionsbereitschaft in Bad Sachsa und Umgebung spürbar verbessert habe. „Liebe Mitarbeiter in den Behörden – ihr seid doch Partner einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung eurer Region. Bitte sucht doch Lösungsmöglichkeiten, anstatt Hürden aufzubauen", lautet sein Appell. Unterstützung erhofft er sich auch aus Hannover – damit Investoren im Südharz und auch anderswo nicht länger an kleinteiligen Verfahren verzweifeln.


