26. Aug. 2020 · 
Bildung

Kultusminister rechnet mit „stabiler Unterrichtsversorgung“

Seit gut einem halben Jahr durften die Schulklassen nicht mehr im zuvor üblichen Klassenverband zusammenkommen, das Virus hat es verhindert. An diesem Donnerstag soll es nun keine „halben Klassen“, wie sie zuletzt angeordnet waren, mehr geben. Das neue Schuljahr startet für die knapp 850.000 Schüler in Niedersachsen mit ein bisschen Normalität. Dennoch sprach Kultusminister Grant Hendrik Tonne gestern von einem „Schuljahr, das es so noch nicht gegeben hat“. Kein Wunder, auf dem Schulhof und in den Gängen müssen Masken getragen werden, Urlaubsrückkehrer aus Corona-Risikoregionen brauchen einen negativen Corona-Test, um wieder in die Schule gehen zu können. Das gilt, auch wenn die Schule selbst sich dabei darauf verlassen muss, dass die zuständigen Gesundheitsämter ihre Arbeit gemacht und die Rückkehrer sich an die Regeln gehalten haben. Tonne zeigte auf der Pressekonferenz zum Schuljahresanfang Verständnis dafür, dass es bei Schülern, Eltern und Lehrern teilweise Unsicherheiten gibt. Zugleich beruhigte er. Die Situation sei beherrschbar, es müssten sich aber alle an die Regeln halten, damit ein Virus nicht von außen in die Schule eingeschleppt werden könne. „Jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten“, mahnte Tonne. Dem FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling war das zu wenig. Ab Donnerstag laufe „der Countdown bis zur ersten Schulschließung, weil das Land die Schulen zu schlecht vorbereitet“ habe, kritisierte er.
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Wie üblich startet das Schuljahr mit Zahlenkolonnen aus dem Kultusministerium, die belegen sollen, dass genügend Lehrer für den Unterricht zur Verfügung stehen. „Wir gehen von einer stabilen Unterrichtsversorgung aus“, sagte Tonne und verwies dabei unter anderem auf knapp 2000 neue Lehrer, die heute in den Schulen zum ersten Mal in den Klassen stehen. 2200 Stellen waren ausgeschrieben worden, rund 90 Prozent davon wurden besetzt, für Tonne eine guter Wert. Schwierig ist es immer noch, neue Lehrer für Haupt-, Real- und Oberschulen zu finden. Hier konnten gerade einmal zwei Drittel der ausgeschriebenen Stellen besetzt werden. Erfolgreich läuft es inzwischen mit einer Besetzungsquote von 95 Prozent dagegen an den Grundschulen. „Das freut uns sehr, weil wir damit die Delle der vergangenen Jahre bei den Einstellungen langsam ausgleichen können. Das führt auch zu weniger Abordnungen, die um 50 Prozent gesenkt werden konnten“, berichtete der Kultusminister.
Die Unterrichtsversorgung ist in Niedersachsen weit entfernt von dem, was nötig wäre. Es fehlen unverändert Lehrkräfte, jede zehnte aktuell ausgeschriebene Stelle ist leer geblieben.
Allerdings dürfte sich die Zahl der Abordnungen noch verändern, nicht nur, weil diese immer tagesaktuell ist und Schwankungen unterliegt, sondern auch, weil in diesem Jahr noch spezielle Herausforderungen durch die Corona-Risikogruppen hinzukommen könnten. Im Kultusministerium rechnet man damit, dass möglicherweise sechs bis acht Prozent der Lehrkräfte mit einem Corona-Attest von zuhause aus arbeiten. Da diese Quote an den Schulen aber sehr unterschiedlich ausfallen könnte, sind am Ende vielleicht doch auch wieder Abordnungen nötig, um das System zu stabilisieren. https://www.youtube.com/watch?v=aUkC648la8c Tonne wies allerdings auch darauf hin, dass das Einstellungsverfahren weiter läuft. „Jede Stelle, die noch besetzt werden kann, minimiert auch Abordnungen“, sagte er. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Julia Hamburg war von der Interpretation des Zahlenwerks durch den Kultusminister gestern nicht überzeugt. „Die Unterrichtsversorgung ist in Niedersachsen weit entfernt von dem, was nötig wäre. Es fehlen unverändert Lehrkräfte, jede zehnte aktuell ausgeschriebene Stelle ist leer geblieben“, erklärte Hamburg. Der tatsächliche Bedarf an den Schulen sei zudem noch viel höher.
Es gibt gute Gründe, die gegen eine Maskenpflicht im Unterricht sprechen.
Abseits der prozentualen Unterrichtsversorgung, Abordnungen und Einstellungszahlen beschäftigt viele Schüler, Eltern und Lehrer derzeit vor allem das Thema Schutzmasken. Dem Tragen von Masken auch im Unterricht erteilte der Kultusminister erneut eine Absage. Vor einigen Tagen hatten der Osnabrücker Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) und die Osnabrücker Landrätin Anna Kebschull (Grüne) einen Brief an die Landesregierung geschrieben und sich darin für Schutzmasken auch im Unterricht ausgesprochen. Für Tonne widerspricht die Maske im Klassenraum aber „dem Grundgedanken, möglichst nah an den normalen Unterricht heranzukommen“. https://www.youtube.com/watch?v=-8jeDFmK16s Gemeinsames Lernen im Klassenraum sei eben mehr als ein Zusammensitzen und ein Abschreiben dessen, was der Lehrer an die Tafel schreibt. „Es gibt gute Gründe, die gegen eine Maskenpflicht im Unterricht sprechen“, meinte Tonne. Diese gebe es aktuell nur in Nordrhein-Westfalen, die übrigen 15 Bundesländer hätten sich dazu entschieden, die Entwicklung dort abzuwarten und auszuwerten. „Es gibt kein Rennen innerhalb der Bundesländer, die Situation ist aber auch nicht statisch. Zum jetzigen Zeitpunkt halten wir eine Maske im Unterricht als zusätzliche präventive Maßnahme nicht für notwendig“, machte Tonne deutlich. Dabei schwingt immer mit, dass sich das Infektionsgeschehen schon in zwei Wochen radikal ändern könnte. Im schlimmsten Fall müssen Gesundheitsämter entscheiden, ganze Schulen erneut zu schließen. Tonne hofft, dass viele Lehrer auf digitalen Unterricht zumindest ein bisschen besser vorbereitet sind, die hohen Teilnahmezahlen an den angebotenen Fortbildungen sprechen dafür. Zwischen Mitte März und dem Ende der Sommerferien hätten sich in Niedersachsen 39.000 Lehrkräfte digital fortgebildet, allein in den Sommerferien habe es 170 Kurse gegeben, an denen mehr als 3700 Lehrer teilgenommen hätten. Ob und wann die vielen neuen Erkenntnisse zum digitalen Unterricht zum Einsatz kommen, wird auch von den Infektionszahlen in den kommenden Monaten abhängen. Von Martin Brüning
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #148.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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