25. Sept. 2020 · 
Bildung

"Teure Luftnummer": Scharfe Kritik am Kultusminister

Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) erntet scharfe Kritik für die anlasslosen Corona-Tests für Lehrer. Mitte September hatte Tonne relativ spontan angekündigt, dass das Land für alle Lehrer, Schulleiter und Sozialpädagogen pro Person zwei Tests anbietet, die nicht bezahlt werden müssten. [caption id="attachment_52157" align="alignnone" width="780"] "Schafft allenfalls Scheinsicherheit, kostet immens viel Geld und verstopft die Kapazitäten": So bewertet der Landkreistag den Plan von Kultusminister Grant Hendrik Tonne - Foto: nkw[/caption] Die Landkreise wurden nach eigener Darstellung nicht nur von der Ankündigung überrascht, sondern sehen im Angebot des Kultusministers auch keinen Sinn. „Das schafft allenfalls eine Scheinsicherheit, kostet zugleich immens viel Geld und verstopft die Kapazitäten“, sagt Hubert Meyer, Hauptgeschäftsführer des Landkreistages in Niedersachsen (NLT), im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Er wirft dem Kultusminister vor, dass mit der Aktion nur Sinnhaftigkeit suggeriert werde. „Sie ergibt aber keinen Sinn“, sagte Meyer und sprach von einer „Luftnummer, die stark zur Verwirrung beiträgt“ und auch noch die Prozesse verlangsame. Gerade jetzt benötige man bei wieder ansteigendem Infektionsgeschehen schnelle Testergebnisse. „Wenn die Labore jetzt aber drei Tage brauchen, um Ergebnisse zu liefern, ist das alles andere als zielführend“, meint der NLT-Chef. Zudem führe die Aktion zu Nachfragen von vielen Angestellten in Kindergärten oder Krankenhäusern, für die keine zweimalige Testung ohne Symptome vorgesehen sei.
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100.000 Beschäftigte an Schulen konnten sich seit Mitte September testen lassen. Laut Kassenärztlicher Vereinigung wurden zwischen dem 14. und 19.9. gerade einmal 295 Tests gezählt. Ein positiver Befund sei nicht darunter, hieß es am Donnerstag. Die Lehrkräfte gingen verantwortungsvoll mit der Möglichkeit der beiden Corona-Tests um, hört man von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Niedersachsen. Möglicherweise ist auch ein Grund für die Zurückhaltung, dass das Verfahren relativ kompliziert ist. Man braucht erst einen Berechtigungsschein, den man auf der Internetseite der Landesschulbehörde erst einmal finden muss, um dann einen Termin bei einem der Ärzte zu vereinbaren, die ebenfalls von der Landesschulbehörde vorgegeben werden.
Die einzige Strategie bei der angeblichen Teststrategie des Kultusministers war, dass sich so wenig Lehrer wie möglich testen lassen.
Für den FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling wird daraus deutlich, dass Tests in der Breite der Lehrerschaft ohnehin nie vorgesehen waren. „Die einzige Strategie bei der angeblichen Teststrategie des Kultusministers war, dass sich so wenig Lehrer wie möglich testen lassen“, sagt Försterling dem Rundblick. „Eine sinnvolle Strategie für den Gesundheitsschutz von Lehrern hat Tonne nicht.“ Bei der Ankündigung der Tests habe sich Tonne lediglich von anderen Bundesländern treiben lassen. Sinnvoll wäre es Försterling zufolge gewesen, wenn die Tests für Lehrkräfte wie in Nordrhein-Westfalen bereits zu Schulbeginn möglich gewesen wären, in Niedersachsen sei man allerdings wieder einmal spät dran gewesen. „Und dann musste eben wieder einmal alles ganz schnell gehen. Dann kann man eben nicht alle mitnehmen, vor allem nicht diejenigen, die Ahnung haben, wie man das vor Ort organisiert“, so der FDP-Politiker.

Gibt es überhaupt eine Teststrategie im Kultusministerium?

Beim Landkreistag ist man sich derweil nicht einmal ganz sicher, ob es überhaupt eine Teststrategie im Kultusministerium gibt. Denn wenn es eine gäbe, passe sie auf jeden Fall nicht zur der vom Sozialministerium propagierten Strategie des Landes, wundert sich Hubert Meyer. Schließlich sehe diese vor, dass nur bei Corona-Symptomen getestet werden soll. Meyer meint, dass das Thema Corona-Tests  auch insgesamt noch einmal kritischer unter die Lupe genommen werden muss. „Erst gab es Testzentren vor Ort, dann waren sie geschlossen. Dann gab es zentrale Testzentren, dann waren die geschlossen. Jetzt gibt es Infektionspraxen, gleichzeitig redet der Bundesgesundheitsminister von Fieberambulanzen“, wundert sich der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags. Dabei werde immer über die Köpfe derjenigen diskutiert, die für die Bekämpfung der Pandemie vor Ort verantwortlich seien: der öffentliche Gesundheitsdienst. Hinzu komme, dass die Pläne auch bei Hausärzten offensichtlich auf hohe Akzeptanzprobleme stießen. Meyer plädiert deshalb dafür, die Landkreise stetig und intensiv die Pläne einzubinden.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #170.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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