Testfeld Niedersachsen: Wenn das Auto denkt und lenkt
Jetzt geht es los. Am Dienstag wird das Wirtschaftsministerium mit den Projektpartnern zum Testfeld Niedersachsen (ein Testfeld zur Erprobung automatisierter und vernetzter Straßenfahrzeuge in Niedersachsen) ein Memorandum of Understanding unterzeichnen. Das Testfeld liegt auf den Autobahnen 2, 7 und 39 im Raum zwischen Hannover, Braunschweig und Hildesheim und umfasst insgesamt ca. 280 Kilometer Strecke.
Die Federführung liegt beim Land Niedersachsen und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Es gibt bereits ein etabliertes Testfeld in Braunschweig – das soll jetzt ausgebreitet werden. Wir knüpfen an bestehende Infrastrukturen und an das Know-How an“, erklärt Wirtschaftsminister Olaf Lies im Gespräch mit dem Rundblick. Dass Lies an dem Testfeld stark interessiert ist, erklärt sich auch mit seinem beruflichen Hintergrund. Er ist Ingenieur und gilt als überaus technik-affin.
https://soundcloud.com/user-385595761/autonomes-fahren-so-weit-sind-wir-wirklich
Die Anfänge liegen bereits im Jahr 2009. Damals entwickelten das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und das Land Niedersachsen die Idee, eine Stadt als Labor für moderne Mobilität zu nutzen. Reale Tests im öffentlichen Raum – das war damals hochinnovativ und führt dazu, dass Niedersachsen jetzt mit dem Testfeld im bundesweiten Vergleich bei der Entwicklung des automatisierten und vernetzten Fahrens vorne liegt. Seit 2014 gibt es in Braunschweig AIM – die Anwendungsplattform Intelligente Mobilität. Dazu gehören unter anderem eine Forschungskreuzung und Teststrecken. Wie verhalten sich Menschen im Straßenverkehr? Wie reagieren Autofahrer? Was sind typische Verhaltensweisen von Radfahrern und Fußgängern? Diesen Fragen gegen die Wissenschaftler dort mithilfe modernster Technologien auf den Grund. Und das nicht nur mit Geräten auf der Straße. Auch im Labor kann man durch ein virtuelles Braunschweig fahren.
https://soundcloud.com/user-385595761/knight-rider-bald-haben-wir-alle-unseren-kitt
„Mit dem Testfeld Niedersachsen wollen wir jetzt Kompetenzen, die wir schon aufgebaut haben, aufgreifen und erweitern“, erklärt Frank Köster vom Institut für Verkehrssystemtechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig. Bei AIM habe man schon viel gelernt, auch wo Herausforderungen für den Aufbau von Teststrecken liegen. „Jetzt wissen wir schon viel über die Methodik und können besser beurteilen, was wirklich benötigt wird und was nicht“, so Köster. Auch vom Testfeld Niedersachsen wird es ein virtuelles Abbild im Labor geben.
Lesen Sie auch:
Wer jetzt denkt, dass die Geräte am Straßenrand die automatisiert fahrenden Autos lenken, liegt falsch. Das automatisierte Auto kann schließlich selbst fahren. „Das Fahrzeug übernimmt, was der Fahrer heute auch macht: Es prüft ständig, was um das Auto herum passiert“, erläutert Köster – nur eben nicht mit den Augen, sondern mit Sensoren. Dazu dienen Kameras, Laserscanner oder Radarsysteme. Hinzu kommt eine Karte und auch ein technischer Baustein, der feststellt, wo sich das Fahrzeug gerade befindet. „Das Auto macht wie ein Fahrer einen Plan, wie man am besten von A nach B kommt,“ so Köster. Mittlerweile sei gar nicht mehr die Frage, ob das Fahrzeug sicher durch den Verkehr kommt. Die Kunst sei, dass das Fahrzeug so viel vorhersehen kann, dass es effizient und komfortabel durchrollt.
Dazu wiederum braucht es die Daten der Verkehrsforscher aus Braunschweig. Denn erst die Teststrecken ermöglichen es, eine Vielzahl an Simulationsmodellen zu erstellen. In der Praxis stellt sich auf dem Testfeld heraus, ob sich Autofahrer so verhalten, wie man es sich in der Theorie gedacht hat. „Wir wollen herausfinden, wie sich die Fahrzeuge bewegen. Dazu gehört, wann Spurwechsel stattfinden, wie die Abstände zwischen den Fahrzeugen aussehen oder wie auf Drängler oder passive Fahrer reagiert wird“, so Köster. Dieses Wissen wird vor allem in der Phase entscheidend sein, in der die ersten automatisierten Autos sich die Straße mit denjenigen teilen, die ihr Auto noch selbst fahren. Das Testfeld bietet dazu die nötige Vielfalt, angefangen vom großen Autobahnkreuz über Auf- und Abfahrten bis hin zu Brücken oder auch längeren Strecken. Trotz Radar und Kameras an einem Teil der Testfeld-Straßen müssen sich Autofahrer aber keine Sorgen um den Datenschutz machen. „Die aufgenommenen Bilder werden kleiner gerechnet, so dass keine Gesichter und Kennzeichen mehr zu erkennen sind“, sagt Köster. „Der PKW wird als Kasten dargestellt. Uns interessiert nur, wie das Fahrzeug gefahren ist und nicht die Identität des Fahrers oder die jeweilige Automarke.“
Finanziell teilen sich Land und DLR den Aufbau des Testfeldes. Jede Seite gibt 2,5 Millionen Euro. Die Partner werden dann den Betrieb finanzieren. Unter den Partnern sind zum Beispiel Unternehmen wie Volkswagen und Continental, aber auch der ADAC. Im Wirtschaftsministerium ist man optimistisch, dass es noch mehr Interessenten geben wird, wenn es erst richtig losgeht.
Köster freut sich schon auf die Zukunft des automatisierten und vernetzten Fahrens. Er sieht viele Vorteile. „Man kann das Auto herbeirufen und dann steht es vor der Tür. Das bedeutet: Man muss beim Start nicht mehr zum Parkplatz laufen und sich auch am Ziel nicht mehr um einen Parkplatz kümmern. Da entstehen für den Nutzer attraktive Produkte.“ (MB.)