Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat sich am Donnerstag noch einmal deutlich vom Vorschlag seines nordrhein-westfälischen Amtskollegen Armin Laschet (CDU) abgegrenzt, der über die Osterfeiertage einen „Brücken-Lockdown“ angeregt hatte. Laschet verfolgt nach dessen eigenen Worten das Ziel, eine wichtige Vorkehrung gegen die weitere Ausbreitung einer „dritten Welle“ der Corona-Pandemie zu schaffen. Während der CDU-Bundesvorsitzende mit seinem Vorschlag erreichte, dass sowohl Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch maßgebliche Kräfte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Zustimmung zeigten und Gemeinsamkeit demonstrierten, verharrte Weil – ganz auf SPD-Parteilinie – in betonter Skepsis und meinte nur, vermutlich habe Laschet nur die Unionsreihen geschlossen halten wollen. Diese Unterstellung taktischer Motive bei seinem NRW-Kollegen war Weil offenbar ein großes Anliegen, denn er ließ die Botschaft – in jeweils leicht veränderter Ausführung – über die Pressestelle der Staatskanzlei gleich mehrfach verbreiten: Zuerst am Dienstag in einer Pressemitteilung, dann am gleichen Tag noch einmal in einem Statement vor Fernsehkameras nach einer Pressekonferenz von SPD und DGB. Es folgten einige Interviews von Weil mit dem gleichen Zungenschlag in Rundfunksendern und auch im ZDF. Am Mittwoch wiederholte Vize-Regierungssprecherin Katrin Riggert die Position noch einmal – und am Donnerstag verschickte die Staatskanzlei erneut eine Pressemitteilung mit dem Statement von Weil, das im Wesentlichen genau die Aussagen enthielt, die er schon seit Dienstag immer wieder von sich geben ließ. Nur in Nuancen unterschied sich diese Stellungnahme von der, die von der Staatskanzlei bereits am Dienstag verbreitet worden war. Diese auffällige Häufung lässt auf den Versuch deuten, dass es dem Ministerpräsidenten sehr am Herzen liegt, mit dieser Position Gehör zu finden – und dass er mit der öffentlichen Resonanz auf seine Worte noch nicht ganz zufrieden war.
So sehr Weil auf Laschet schimpfte, da in dessen Forderung wichtige Details unklar blieben – etwa die Frage der Schulschließungen, der Schließungen in Kindergärten und möglicher Stilllegungen von Produktionsstätten und weiteren Wirtschaftszweigen -, so sehr überrascht Weil selbst aber mit seiner plötzlichen Skepsis gegenüber weiteren Verschärfungen. Bisher jedenfalls hatte der niedersächsische Ministerpräsident, sofern er sich überhaupt mit einer eindeutigen Position hervorgewagt hatte, stets zu den Anhängern des „Teams Vorsicht“ gehört und den Gesundheitsschutz klar in den Vordergrund gestellt. Insofern war er der Kanzlerin stets näher gewesen als viele andere Länder-Regierungschefs. Nun aber klingt die Stellungnahme aus der Staatskanzlei verändert. Weil sagt: „Die Tendenz geht dahin, dass der schnelle Anstieg der Infektionszahlen gestoppt werden konnte.“ Dann fügt er aber gleich anschließend einschränkend hinzu, eine Bestätigung dieser Zahlen könne man „erst in einigen Tagen wissen“. Das meint nichts anderes, als dass die über die Feier- und Osterferientage ermittelten Zahlen aus den Laboren mit großer Vorsicht zu genießen sind, da in diesen Tagen weitaus weniger getestet und untersucht wird. Trotzdem dienen die Zahlen, deren Bedeutung er selbst anzweifelt, zur Begründung dafür, den Laschet-Vorstoß abzulehnen.
Immerhin passt Weil mit seiner Haltung gerade in die sich abzeichnende Linie der Sozialdemokraten. Während in der Bundestagsfraktion von CDU und CSU ein Gesetzesvorstoß ausgearbeitet wird, dem Bund mehr Kompetenzen für bundesweite Abwehrschritte gegen eine Virus-Pandemie einzuräumen, spürt man in der SPD eine wachsende Distanz gegenüber einem solchen Schritt. Gleichzeitig fügt Weil noch eine Kritik an der Vorbereitung der Bund-Länder-Gespräche im CDU-geführten Kanzleramt hinzu. Am Donnerstag warnten Virologen und Krankenhausärzte vor einer Überlastung der Intensivstationen in den Krankenhäusern wegen der Ausbreitung der britischen Mutante des Corona-Virus. Die „Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin“ sprach sich unterdessen erneut für einen harten Lockdown aus, wie er in einigen westlichen Nachbarländern bereits angeordnet worden war.