28. Apr. 2025 · TagesKolumne

TagesKolumne: Parlamentarisch gebührenfrei

Wer sich vor dem Rundfunkbeitrag drücken will, braucht vor allem eins: Fantasie. Da wird schon mal der Wohnwagen zum Hauptwohnsitz erklärt, der Fernseher in Alufolie gewickelt oder ein Ein-Mann-Verein gegründet mit dem satzungsgemäßen Zweck, kein Rundfunkempfangsgerät zu besitzen. Die meisten dieser Strategien enden irgendwo zwischen Beitragsservice und Bundesverwaltungsgericht. Doch jetzt hat ein niedersächsischer Abgeordneter eine neue Fluchtroute entdeckt: den Landtag.

AfD-Mann Stefan Marzischewski-Drewes hat dort eine Kleine Anfrage eingereicht – mit der nicht ganz alltäglichen Frage, ob kommunale Fraktionsbüros eigentlich rundfunkbeitragspflichtig sind. Man könnte fast meinen, hier solle eine grundsätzliche Lücke im System aufgedeckt werden. Wahrscheinlicher ist aber, dass der Fragesteller ein ganz bestimmtes Büro im Blick hatte – möglicherweise eines in Gifhorn, wo Marzischewski-Drewes zugleich Fraktionsvorsitzender im Kreistag sowie im Stadtrat ist.

Die Antwort der Staatskanzlei bleibt vage: Es komme auf den Einzelfall an, etwa darauf, ob ein Arbeitsplatz eingerichtet sei oder nur ehrenamtlich gearbeitet werde. Mit anderen Worten: Wer sich politisch engagiert, aber keinen Schreibtisch und Bürostuhl aufstellt, zahlt auch keinen Beitrag. Wer sparen will, muss eben Opfer bringen – und den Laptop auf den Knien balancieren, während er auf dem Teppich hockt. Die Zukunft gehört der ehrenamtlichen Briefkastenfraktion!

Einrichtungsvorschlag aus der Staatskanzlei: Mit dieser Büroausstattung kann ihr kommunales Fraktionsbüro bares Geld sparen. | Foto: Link/mit KI generiert

Erkenntnisse darüber, ob Fraktionen überhaupt zahlen, hat die Staatskanzlei nicht. Das ist Bürokratie in ihrer reinsten Form: Man schafft Vorschriften – und verlässt sich darauf, dass sie niemand nachprüft.

Marzischewski-Drewes hat mit seiner Anfrage jedenfalls ein neues Kapitel in der Kunst der Gebührenvermeidung aufgeschlagen. Ob es ihm am Ende etwas bringt, bleibt offen. Aber eines ist sicher: Für die Idee, den Rundfunkbeitrag parlamentarisch abzuwickeln, hat er sich zumindest eine Fußnote in der Beitragsgeschichte verdient. Und falls sich der Weg in die Gebührenfreiheit doch als Einbahnstraße entpuppt, bleibt immerhin die Hoffnung, dass auch der Beitragsservice künftig so antwortet wie die Staatskanzlei – höflich, ausweichend und möglichst folgenlos.

Unvermeidlich und folgenträchtig sind dagegen die Themen, mit denen wir uns im heutigen Rundblick beschäftigen. Hier die Übersicht:

SPD-Bezirksparteitag in Peine: Beim Bezirksparteitag der SPD verteidigte sich Lars Klingbeil gegen Kritik der Jusos am schlechten Wahlergebnis, und Hubertus Heil brachte sich vorsichtig für neue Posten ins Gespräch.

 Windkraft im Wald: Niedersachsens Forstbesitzer fordern mehr Tempo beim Bau von Windrädern im Wald, doch Agrarministerin Miriam Staudte bittet um Geduld. Die Politik arbeite an Lösungen, nur leider nicht in „Deutschlandgeschwindigkeit“.

Continental spaltet sich auf: Die Continental-Aktionäre stimmen der Aufspaltung des Konzerns in drei eigenständige Bereiche zu, trotz heftiger Kritik an Managementfehlern, Stellenabbau und schwacher Aktienperformance. Vorstand und Aufsichtsrat versprechen neue Chancen – doch viele Mitarbeiter und Altgediente sehen eher den Anfang vom Ende.

Aus seinem unmöblierten Fraktionsbüro grüßt
Ihr Christian Wilhelm Link

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #079.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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