Die Unternehmensgeschichte der Fast-Food-Kette „Wienerwald“ erinnert an eine ganz wilde Achterbahnfahrt. Nach der Eröffnung des ersten Restaurants im Jahr 1955 ging es zunächst steil bergauf. Unternehmensgründer Friedrich Jahn wurde vom Kellner zum Millionär, machte das Franchising in der Bundesrepublik bekannt, jettete mit Altkanzler Konrad Adenauer durch die Gegend und gründete sogar seinen eigenen Reiseveranstalter „Jahn Reisen“ (heute Teil der Rewe-Gruppe). 1982 zweifelte die „Süddeutsche Zeitung“ dann aber Jahns Kreditwürdigkeit an, woraufhin der „Hendl Zar“ (Handelsblatt) von den Banken sowie einem seiner Schwiegersöhne ausgebootet und aus dem eigenen Konzern rausgeworfen wurde. Nach der ersten Insolvenz folgten später noch zwei weitere mit unterschiedlichen Besitzern, die allesamt mit dem Ziel angetreten waren, „Wienerwald“ wieder zu neuen Höhen führen zu wollen. Das Ergebnis: 2022 war das Unternehmen sang- und klanglos vom Markt verschwunden.
Zum Monatsanfang erlebte die einst erfolgreichste Hähnchenbraterei der Welt den nächsten Neustart: Überraschenderweise in Torfhaus (Kreis Goslar) wurde die erste neue Filiale eröffnet, die aber weiterhin "Wienerwald" heißt und nicht etwa "Harz" – das wäre wahrscheinlich auch zu viel Re-Branding gewesen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der zuvor das rote Band für die neue Touristenattraktion „Harzturm“ durchschnitten hatte, soll nach Angaben der Franchisekette zu den ersten Besuchern gehört haben, auch wenn der Mangel an dazugehörigem Fotomaterial bei uns gewisse Zweifel an der kulinarischen Hähnchen-Begeisterung des Landesvaters weckt.

Unklar ist auch, ob Stephan Weil in Torfhaus die große Chance nutzte, an die "Wienerwald-Rede" von Franz Josef Strauß vom November 1976 anzuknüpfen. Bei seiner Kollegenschelte im Schulungsraum der Münchner "Wienerwald"-Zentrale, die heimlich mitgeschnitten und an den "Spiegel" geschickt wurde, zog der damalige CSU-Vorsitzende unter anderem übelst über die damalige CDU-Führung und ihren Chef Helmut Kohl vom Leder:
"Wenn ein Rentner mit fünf Dackeln spazieren geht, der eine hebt's Bein, der andere läuft dem Wurstzipfel nach, der dritte verschwindet in der Kantine, der vierte legt sich im Straßengraben schlafen, und der fünfte jault durch die Gegend. Und wenn man ihn dann fragt: Ja, was ist denn da los?, sagt er: Ja, das ist mein Führungsstil.'"

Nachdem uns bislang kein entsprechendes Tonmaterial erreicht hat, gehen wir momentan davon aus, dass Weil in Torfhaus keine derartige Strafpredigt gehalten hat. Zu diesem Zeitpunkt hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) allerdings auch noch kein "Strompreispaket für die produzierende Industrie" verkündet, das das Ende des von Weil geforderten "Brückenstrompreises für die Industrie" zugunsten einer FDP-Idee bedeutet. Wir warten also gespannt auf den nächsten "Wienerwald"-Trip des Ministerpräsidenten. In Hildesheim soll demnächst auch noch eine Filiale eröffnen.

Damit aber genug Product-Placement für die Schnellrestaurantkette, die uns nicht einmal ein Werbehonorar zahlt. Umso mehr ist es mir daher ein Vergnügen, Ihnen den heutigen Rundblick-Hintergrundartikel anzuteasern: Mein Kollege Niklas Kleinwächter hat sich mit Konsumforscher Prof. Nick Lin-Hi über die Mahlzeit der Zukunft unterhalten. Und die besteht vermutlich nicht aus Masthühnern aus der Massentierhaltung, sondern wird mit Fleisch aus dem Reagenzglas zubereitet.
Außerdem berichten wir über den Unmut des niedersächsischen Sozialministers Andreas Philippi mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der mit der Rettung oder vielmehr mit dem Im-Stich-Lassen von existenzbedrohten Krankenhäusern zu tun hat. Und wir werfen einen Blick auf die gestrige Gedenkveranstaltung im niedersächsischen Landtag zur Reichspogromnacht vor 85 Jahren, bei der die Grünen mit der Rede von Michael Fürst, dem Vorsitzenden des Landesverbands der jüdischen Gemeinde, stellenweise etwas fremdelten.
Guten Appetit und einen tollen Start ins Wochenende wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link