TagesKolumne: I’m Too Sexy for My (Electric) Car
Eine Freundin von mir äußerte kürzlich den Gedanken, dass am schlechten Image der Elektroautos vor allem die Fahrer derselbigen schuld sind. Zitat: „Die meisten fahren so, als wäre die Batterie gerade kurz vorm Abkacken.“ Die logische Folge daraus sei, dass das Fahren eines E-Autos vor allem bei jungen Leuten überhaupt nicht als erstrebenswert wahrgenommen werde. Wer will schon freiwillig zu der Gruppe von Autofahrern gehören, über die sich jeder lustig macht?
Wenn Sie mich fragen, ist da was dran. In der jüngsten Allensbach-Studie sind zwar ganz andere Vorbehalte gegen E-Autos genannt worden – vorneweg die hohen Anschaffungskosten (71 Prozent), die zu geringe Reichweite (58 Prozent), teurer Strom (51 Prozent) und die mäßige Ladeinfrastruktur (50 Prozent). Aber mal ehrlich: Das liegt doch nur daran, dass die Option „Elektroauto-Fahren ist übelst uncool“ von den Demoskopen gar nicht erst in den Fragebogen aufgenommen wurde.
Dabei zeigte bereits 2019 eine Autoscout24-Studie, dass nur 10 Prozent der Deutschen der Meinung sind, Elektroautos könnten sexy machen. Noch unerotischer wurden nur Mittelklasseautos (8 Prozent) sowie Kleinwagen und Minivans (jeweils 7 Prozent) eingestuft. Anfang 2023 bestätigte Leasingmarkt.de diese Tendenz: Nur 1 Prozent der Single-Frauen unter 30 Jahren wollen zum ersten Date in einem Stromer abgeholt werden. 18 Prozent bevorzugen SUVs, 15 Prozent Sportwagen. Bei den Männern sieht es übrigens genauso aus.
Was lernen wir daraus? Nicht nur, dass die E-Auto-Absatzkrise bei Volkswagen abzusehen war, sondern auch, dass die neue Marketing-Kampagne „Enter Electric!“ vermutlich am Ziel vorbeischießt. „Wichtig ist es, den technologischen Wandel immer wieder zu erklären und über Vorteile wie Vorurteile aufzuklären. Das gilt insbesondere für Alltagstauglichkeit, Batterie, Ladekomfort und Nachhaltigkeit“, sagt VW-Marketingchef Sebastian Rudolph.
Aber muss Volkswagen wirklich mehr erklären oder nicht einfach mal die Coolness-Schraube anziehen? Warum nicht einfach ein paar attraktive Influencer anheuern, die mit weit aufgeknöpftem Hemd und einer Hand am Lenkrad die Reichweite auf dem Touchscreen checken – während im Hintergrund der Soundtrack von „Top Gun“ läuft? Oder man lässt sie in Zeitlupe aus einem Elektroauto steigen, als wäre es ein Aston Martin in einem James-Bond-Film – nur dass sie dabei lasziv mit einem Ladekabel in der Luft herumwirbeln. Die älteren Semester kann wiederum mit einem Comeback des Pop-Duos „Right Said Fred“ einfangen, die im Werbevideo so viel Sonneneinstrahlung auf ihre Glatzen abbekommen, dass sich der ID.3 quasi von selbst auflädt. Weniger Technik, dafür mehr Oberflächen-Glamour – das braucht Volkswagen jetzt.
Die Vorteile des Rundblicks muss ich Ihnen an dieser Stelle schließlich auch nicht mehr erklären. Dafür gebe ich aber gerne eine Übersicht über die Themen der heutigen Ausgabe:
◼ Kliniken unter Druck: Die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Lauterbach tritt Anfang 2025 in Kraft. In Niedersachsen wird das System der Kliniken in Versorgungsregionen neu geordnet, wobei ein Abbau von Betten und Kliniken wahrscheinlich ist.
◼ Der neue Öko-Fonds: Der Landtag wird sich diese Woche mit einem Gesetz zur „Versorgungsrücklage“ befassen, einem Fonds von 714 Millionen Euro, der nun für soziale und ökologische Projekte wie Erneuerbare Energien verwendet werden soll.
◼ Wahl-Einspruch gescheitert: Der Staatsgerichtshof wies den Einspruch der FDP-Politiker Marco Genthe und Alexander Grafe gegen die Landtagswahl vom 9. Oktober 2022 ab. Mängel bei der Aufstellung der AfD-Landesliste wurden als nicht erheblich genug erachtet, um die Wahl für ungültig zu erklären.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link
Dieser Artikel erschien am 10.12.2024 in der Ausgabe #219.
Karrieren, Krisen & Kontroversen
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