Die Umfrage dauert nur zwei Minuten, säuselt das aufdringliche Banner. Okay, seufze ich. Nach zwei Minuten ist mir klar, dass das eine glatte Lüge war. Am Fuß der Seite erscheint ein Balken, der mir signalisiert, dass ich erst fünfzehn Prozent der Umfrage geschafft habe. Aber hey, ich habe ja Sportsgeist. Als ich das nächste Mal auf den Bildschirmrand schiele, ist der Balken schon bei 20 Prozent angelangt. Jetzt ist es auch Quatsch aufzuhören, oder?

„Gamification“ nennen es mit allen Wassern gewaschene IT-Leute, wenn sie sich meine Zeit unter den Nagel reißen im Austausch für wertlose Pseudo-Belohnungen: Fortschrittsbalken, Erfahrungspunkte, Ranglisten. Nur noch ein Video bis zur nächsten Auszeichung! Ich kann den Trick auch einsetzen, um mich selbst zu überlisten: Eine App lässt Bäume wachsen, während meine Arbeitszeit verstreicht. Mit einer anderen gieße ich jedes Mal eine traurige Topfpflanze, wenn ich mir ein Glas Wasser hole. „Der Mensch {…} ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, behauptet Friedrich Schiller. Echt? Ich bin nicht überzeugt. Spielen kann so viele verschiedene Dinge bedeuten. Man kann zum Beispiel mit Gefühlen spielen oder mit anderen Dingen, die einem nicht gehören. Man kann etwas vorspielen, was nicht echt ist. Auf solche Spieler kann ich ganz gut verzichten.
Aber darum geht es bei der Gamification auch nicht. Eher um Spielen im Sinne von „in einen Wettbewerb eintreten“. In der Popkultur erfreuen sich seit Jahrtausenden Wettbewerbe vom Typ „Gladiatorenkampf“ großer Beliebtheit: Gegner mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen stürzen sich ins Getümmel. Für sie geht es um alles, denn in der Regel überlebt höchstens einer. Eine ähnliche Situation finden Sie heute im Rundblick: Es geht mal wieder um den Zuschnitt der Wahlkreise. Landeswahlleiter Markus Steinmetz hat sich ins Getümmel gewagt und einen Vorschlag vorgelegt. Schon stürzen sich alle Politiker auf ihn, denn für sie geht es natürlich um alles.
Eine Art des Spielens, die mir sympathischer ist, meint eher so etwas wie „ausprobieren“ oder auch „scheitern dürfen“. Neulich traf ich eine alte Freundin und ihren Sohn. Das Gespräch drehte sich um Videospiele. Meine Freundin berichtete von einer finnischen Spieleentwickler-Firma, wo jedes Mal eine Flasche Sekt geköpft wird, wenn jemand einen Fehler macht. Sie fragte sich, ob die Mitarbeiter denn beschickert besser arbeiten würden. Aber ich glaube, darum geht es gar nicht.
Worum es heute im Rundblick geht, verrate ich Ihnen jetzt:
Jetzt bleibt mir noch, Ihnen zuzurufen: „Lasst uns spielen – mit allen Sinnen!“ Das hat das Deutsche Kinderhilfswerk als Motto für den Weltspieltag 2025 ausgegeben, der am Mittwoch begangen wird. Sozialminister Andreas Philippi hat schon mal vorgelegt und mit Kindern der AWO Kita Brökel spielerisch die UN-Kinderrechte erkundet. Gute Idee, finde sogar ich als Spiele-Muffel.
Ihre Anne Beelte-Altwig