TagesKolumne: Ein Fußballmärchen für die Wirtschaft
Ministerpräsident Stephan Weil hat am Montag gleich zwei Reden zur Lage der Nation gehalten: Beim Jahresauftakt der IHK Hannover präsentierte sich der SPD-Politiker als lösungsorientierter Wirtschaftsversteher, beim Epiphanias-Empfang im Kloster Loccum trat der Landesvater betont staatsmännisch auf. Am liebsten hätte der Ministerpräsident zum Jahresbeginn 2025 jedoch eine ganz andere Rede gehalten, wie er bei seinem Auftritt im hannoverschen Kuppelsaal durchblicken ließ – und zwar im Stil eines Cheftrainers, der seine Mannschaft nach einer enttäuschenden ersten Halbzeit für den zweiten Durchgang motiviert.
Ein sicheres Indiz dafür war die Menge an Fußballmetaphern, mit der der Ministerpräsident in Hannover um sich warf. „Die Bundesrepublik läuft ihrer Form hinterher“, sagte Weil bei der Podiumsdiskussion nach seiner Rede und verlangte: „Wir müssen wieder das volle Potenzial auf den Platz bringen!“ Als langjähriger Hannover-96-Fan weiß er natürlich, dass ein Team nach einer langen Niederlagenserie nicht plötzlich mit einer Gewinnermentalität auflaufen kann. Darum forderte Weil zunächst einige „Quick-Wins“ für den Wirtschaftsstandort Deutschland, wie etwa Entlastungen bei den Stromnetzentgelten, um die Mannschaftsmoral allmählich wieder aufzubauen. „Wenn ich am Anfang Erfolge habe, steckt gleich eine ganz andere Power dahinter“, erklärte der Motivationsexperte seinen Turnierplan für das Jahr 2025. Zudem zeigte sich Weil auch in der Nautik bewandert, wie er mit seiner Forderung nach einem parteiübergreifenden „Alle-Mann-Manöver“ für mehr Zuverlässigkeit in der Wirtschaftspolitik deutlich machte.
Weitere Sportzitate konnte ich leider nicht aufschnappen – vermutlich deswegen, weil Weils Regierungssprecherin Anke Pörksen diesen Teil des Redemanuskripts vor der Veranstaltung zerknüllt und mit einem Slam Dunk im Mülleimer versenkt hatte. Zwischen den Zeilen hörte ich in der Rede des Ministerpräsidenten jedoch heraus, dass das Jahr 2025 für den Wirtschaftsstandort Deutschland ein Sechs-Punkte-Spiel wird – jede Entscheidung kann den Auf- oder Abstieg bedeuten. „Wenn wir in einem Jahr keine spürbaren Veränderungen haben, wird sich die Lage nochmal verschlechtert haben“, sagte Weil.
Etwas optimistischer schätzte Stiebel-Eltron-Chef Kai Schiefelbein die Lage ein. Er erinnerte in der Podiumsrunde daran, dass Deutschland in der Rangliste der stärksten Volkswirtschaften kürzlich von Platz 4 auf 3 geklettert ist, weil Japan zuletzt noch schlechter performte als die BRD. Und das wiederum beweist nicht nur, dass Deutschland in der Wirtschaft immer noch eine Turniermannschaft ist, sondern auch, dass in der Liga der Volkswirtschaften oft der gewinnt, der am wenigsten Eigentore schießt. Oder anders ausgedrückt: Wer sich nicht selber ins Abseits stellt, wird zumindest nicht nach unten durchgereicht.
Die Themen der heutigen Ausgabe in der Übersicht:
◼ EU-Fördermittel: Die Landesregierung kämpft mit massiven Problemen bei der Umsetzung von EU-Förderprogrammen: Von 1,06 Milliarden Euro wurden bislang erst 13,6 Prozent gebunden. Ursachen sind laut einem internen Protokoll komplizierte Regeln, unattraktive Angebote und langsame Bearbeitung.
◼ Inklusion: Die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung bleibt eine Herausforderung: Nur 37 Prozent der Unternehmen in Niedersachsen erfüllen die gesetzliche Quote, während die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe seit 2019 steigt. Die Firma Sanacorp aus Langenhagen zeigt jedoch, dass es auch anders geht.
◼ Lithium: Wird Niedersachsen zur neuen deutschen Schatzkammer der Energiewende? Mit neuen Projekten zur Lithiumgewinnung aus Geothermie und einer riesigen Raffinerie in Emden soll das „weiße Gold“ vor Ort gefördert und verarbeitet werden. Das stärkt nicht nur den Standort, sondern hilft auch dabei, Europas Abhängigkeit von Importen zu verringern und die Versorgung für die boomende E-Mobilität zu sichern.
Bis zum nächsten Anpfiff verabschiedet sich
Ihr Christian Wilhelm Link
Dieser Artikel erschien am 08.01.2025 in der Ausgabe #003.
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