23. Apr. 2025 · TagesKolumne

TagesKolumne: Drei Euro für ein Halleluja

„Ein Großteil der deutschen Städte setzt beim Kurzzeitparken noch immer auf Billigpreise": Das berichtete gestern die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Man liest das und denkt: Klingt doch gut – nach Bürgerfreundlichkeit, Alltag, stressfreiem Einkaufen. Aber gemeint ist es als Kritik. Denn wo günstig geparkt wird, fehlt laut DUH der Platz für das Gute: Bäume, Radwege, Weltrettung.

Nur zwei Städte bestehen den DUH-Test: „Heidelberg und Osnabrück sind unverändert die einzigen beiden Städte, die konsequent Parkgebühren von mindestens drei Euro pro Stunde in ihren Parkzonen verlangen“, loben die Umweltschützer. Osnabrück wird so – ganz ohne Bewerbung – zur Musterstadt der Gebührenmoral.

In der Realität gibt sich Osnabrück beim Thema allerdings erstaunlich unaufgeregt. Die Gebühren am Straßenrand sind seit 2008 stabil. Und wer in der Bahnhofsgarage der städtischen Parkstätten-Betriebsgesellschaft parkt, wird angenehm überrascht: Die erste halbe Stunde ist kostenlos, die zweite kostet unter zwei Euro, jede weitere Stunde 1,50 Euro. Nachts und an Feiertagen liegt der Tarif bei einem Euro. Klingt nicht nach Verkehrswende mit moralischem Aufpreis – sondern eher nach einer politischen Entscheidung mit Augenmaß.

Parkt halb auf dem Gehweg, halb auf der Straße und voll im Trend: Dieser SUV. | Foto: GettyImages/George Clerk

Daher geht der goldene Parkplatzpokal der DUH auch nicht in die Stadt des Westfälischen Friedens, sondern in die Stadt der Liebe. „In Paris beispielsweise werden für schwere SUV Parkgebühren in Höhe von 18 Euro pro Stunde fällig“, heißt es anerkennend. Der Vergleich steht so selbstverständlich im Raum, als ließen sich Metro-Linien im Zwei-Minuten-Takt mit niedersächsischem Busverkehr am Samstagnachmittag vergleichen. Oder als könne man mit der Linie 500 von Peine direkt an den Eiffelturm durchfahren.

Auch die DUH-Forderung, Parken müsse pro Stunde mindestens so viel kosten wie ein Busticket, klingt überzeugend – solange man weder das eine noch das andere wirklich braucht. Wer um fünf Uhr zur Schicht muss, die Kinder zur Kita bringt oder am sprichwörtlichen Ende der Heide wohnt, braucht kein Preissignal, sondern ein verlässliches Verkehrsangebot. Drei Euro pro Stunde sind vielleicht ein Zeichen. Aber kein Konzept. Verkehrspolitik beginnt nicht beim Preis fürs Stehen – sondern beim Angebot fürs Fahren.

Während die DUH noch Parktickets sortiert, produziert die Landespolitik ganz andere Schlagzeilen. Hier die Themen der heutigen Ausgabe, die ebenfalls Lenkungswirkung entfalten:

NDR-Intendantenwahl ohne Ergebnis: Sandra Harzer-Kux verfehlt im Rundfunkrat die nötige Zweidrittelmehrheit. Die Wahl scheitert – trotz Mehrheit. Nun wird über das Verfahren diskutiert, über Personalräte spekuliert und über Plan B nachgedacht.

■ Prozess gegen Staatsanwalt startet: Yashar G., Ex-Staatsanwalt aus Hannover, soll gegen Geld Informationen an ein Drogenkartell verkauft haben. Heute beginnt der Prozess vor dem Landgericht Hannover, der auch die Justizministerin belastet.

■ Kirche, Klöckner und Kanzelpolitik: Wie politisch darf Kirche sein? Darüber streitet die Redaktion in einem Pro & Contra. Es geht um Haltung, Einfluss – und die Frage, ob Bischöfe im Wahlkampf mitmischen sollten.

Es bleibt also alles beim Alten: ein bisschen Moral, ein bisschen Chaos – und irgendwo blockiert gerade ein SUV den Fahrradweg.

Ihr 
Christian Wilhelm Link

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #076.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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