Tageskolumne: Die Tücke der Ferienzeit
Journalisten gehören zu den Berufsständen, die in diesen Tagen nicht zu beneiden sind. Denn es sind Schulferien. Was heißt das? Wenn Urlaubszeit ist, kann man viele Leute nicht erreichen – weil sie verreist sind. Nicht alle von denen, die unterwegs sind, schalten in dieser Zeit auch ihr Diensthandy ein. Und so passiert es, dass man interessanten Themen auf der Spur ist, aber die zuständigen Leute für eine Bestätigung einer heiklen Nachricht nicht an den Hörer bekommt. Schicksal. Dann muss die Geschichte so lange liegen bleiben, bis die Informanten wieder da sind. Bei uns liegen auch so ein paar Storys und warten…
Ganz kluge Leute haben inzwischen gelernt, diese gemächliche Ferienzeit, in der der Politikbetrieb viel ruhiger und unaufgeregter ist, für besondere Anlässe zu nutzen. Politiker und ihre Berater beispielsweise lieben es, personelle Machtkämpfe und Rangeleien in die Ferienzeit zu legen. Dann toben die Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten zwar nicht weniger stark. Aber da sich über das Land ein Schleier ausgebreitet hat, vergleichbar mit einem Schneefall im Winter, der alle Geräusche dämpft, dringt der Ton des Streits nicht so durch an die Öffentlichkeit. Und wenn die Ferien vorbei sind, ist der Konflikt – hoffentlich – schon ausgeräumt, sodass sich die Gemüter wieder beruhigt haben.

Wir erleben das nun gerade in Niedersachsen. Denn der zwar nicht überraschende, aber im kurzfristigen Zeitplan dann doch erstaunlich schnelle Rückzug von Stephan Weil war ja nur auf dem ersten Blick eine strategische Meisterleistung. Es gelang Weil, sich als geschmeidiger Politiker zu präsentieren – jemand, der nicht am Stuhl klebt, sondern rechtzeitig geht, wenn der Nachfolger schon in den Startlöchern steht. Und zwar schon im Mai und nicht erst im Herbst. Auf dem zweiten Blick war das alles in einem derart kleinen Kreis vorbesprochen, dass viele wichtige Leute nicht informiert waren und jetzt ungeduldig werden. Einige fragen sich: „Und was wird nun aus mir?“. Prompt wirkte das Verfahren der nötigen Neubesetzungen holprig, es wurden Ansprüche angemeldet, Gegenpositionen aufgestellt und heftige Diskussionen ausgelöst. Man merkte plötzlich, dass ein Personaltableau für den neuen Ministerpräsidenten Olaf Lies keineswegs schon vorbesprochen, austariert oder im Detail abgeklärt ist. Dass die alte Regel weiter gilt: Kommt Zeit, kommt Rat.
Diese Tatsache ist nun einerseits beruhigend, denn so zeigt die Politik wenigstens noch etwas Lebendigkeit und echte statt gespielte Aufregung. Andererseits hätte man der regierungserfahrenen SPD schon zugetraut, dass sie sich bereits etwas konkreter auf die Zeit nach Weil eingestellt hätte. Sie hatte es offenbar nicht. Oder hatte sie es nicht können, weil niemand frühzeitig gewagt hatte, vorauszudenken und zu planen?
Das Politikjournal Rundblick bleibt in der heutigen Ausgabe frei von Zwischenständen zur Planung der Neubildung der Landesregierung. Ob das in den nächsten Tagen noch so sein wird, verspreche ich hier ausdrücklich nicht.
Wir beschäftigen uns heute
■ mit dem Wolf, dessen veränderter Schutzstatus demnächst im EU-Parlament beraten wird,
■ mit dem früheren Landessprecher der Grünen Jugend Niedersachsen, der nun ein Amt auf Bundesebene anstrebt,
■ und mit der Continental AG, die nicht größer, sondern kleiner wird – und darin ein Modell für das Überleben im harten Wirtschaftsleben sieht.
Ich wünsche allen einen ruhigen Mittwoch – möglichst frei von der Pflicht, jemanden erreichen zu müssen, der gerade im Urlaub weilt.
Klaus Wallbaum
Dieser Artikel erschien am 09.04.2025 in der Ausgabe #068.
Karrieren, Krisen & Kontroversen
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