TagesKolumne: Der Mann mit dem Schild
In der Nacht auf den 11. März findet in Los Angeles die 96. Oscar-Verleihung statt. Echte Hollywood-Fans schalten natürlich nicht erst zur Preisverleihung ein, sondern schauen sich schon vorher die Ankunft der Nominierten und Stargäste auf dem Roten Teppich vor dem Dolby Theatre an. Zweieinhalb Stunden lang gibt es hier Promis, nette Interviews und spektakuläre Kostüme zu sehen. Denken Sie sich jetzt den unterhaltsamen Part weg, ersetzen Sie die Filmstars durch Landwirte, verdreifachen Sie die Veranstaltungsdauer und Sie haben den Live-Stream zur Bauerndemo vor dem Rheinmetall-Werk in Unterlüß (Landkreis Celle). Fast sieben Stunden berichtete das Team von „Utopia TV Deutschland“ am 12. Februar zum Kanzler-Besuch beim Rüstungsunternehmen, das bei Youtube erstaunlicherweise auf bislang 125.000 Aufrufe kommt.
Das hohe Interesse dürfte mit dem spektakulären Skandal zusammenhängen, den Utopia TV irgendwo im Mittelteil aufdeckt: Ein ganz, ganz sicher vom ZDF bezahlter Provokateur stört den Bauernprotest. „Dat der ZDF seine eigenen Leute fotografiert und interviewt, ich würd‘ et nicht glauben. Ich glaub dat nich. Dat is sowas von unglaublich, dat gibt et gar nicht“, schildert ein empörter Trucker mit Vokuhila und rheinländischem Akzent. „Ich war dabei – vorne in der ersten Reihe. Ich hab dat gesehen, den Opa da mit seinem Schild für die Ukraine und für noch mehr Munition und noch mehr Waffen“, lautet sein Augenzeugenbericht.
Für den Trucker und Utopia TV ist klar: Weil der Mann mit dem Schild, zeitgleich mit dem ZDF-Team auf der Bildfläche erschienen ist, gehören die beiden zusammen. Auch für viele Verschwörungstheoretiker aus dem Internet ist das der ultimative Beweis dafür, dass das „Staatsfernsehen“ mit „kriminell gekauften Propagandisten“ gegen die Öffentlichkeit konspiriert.
Wie gering das Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Medien derzeit ist, zeigt vor allem der Umstand, dass man dem ZDF tatsächlich so eine Amateurshow zutraut. Wer bitte schickt denn seinen Spitzel zusammen mit dem Kamera-Team an den Ort des Geschehens? Und kann sich das ZDF bei einem Haushaltsvolumen von 2,5 Milliarden Euro tatsächlich nur einen einzigen Provokateur leisten? Da hilft am Ende vielleicht doch nur eine Gebührenerhöhung. Wenn schon Manipulation, dann aber bitte auf Hollywood-Niveau.
Der einzige Profi beim ZDF scheint der mutmaßliche Spitzel zu sein, der sich offenbar jahrelang eine Tarnidentität als Vorstandsmitglied eines Flugsportvereins im Celler Land aufgebaut hat. „Das war von mir ein ganz spontaner Entschluss, zu dieser Demonstration, zu dieser Veranstaltung zu gehen“, verrät er im Videointerview mit Mats Schönauer vom Portal „Übermedien“. Und dieser Auftritt ist entweder echt oder absolut oscarreif gespielt.
Jetzt aber heißt es Kinovorhang auf für den heutigen Rundblick. Nominiert für die besten Artikel des Tages sind:
Eine Frage der Ehre und Zuständigkeit: Der Niedersächsische Landkreistag klagt vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg gegen den Landtag. In einem packenden Gerichtsdrama müssen die NLT-Rechtsexperten aber zunächst einmal nachweisen, dass sie überhaupt zuständig sind – nach einer Buchvorlage von John Grisham.
Die Hunte-Brücke am Kwai: Eine fast 100 Jahre alte Brücke über die Hunte in Niedersächsisch-Burma (Landkreis Wesermarsch) muss nach einem Schiffsunfall repariert werden. Für die termingerechte Fertigstellung ist die Deutsche Bahn zuständig. „Ein Katastrophenfilm für die ganz Region!“, urteilt die Grünen-Landtagsabgeordnete und Kritikerin Sina Beckmann.
Ziemlich beste Budgetnehmer: Matthias Nolte arbeitet in einer Caritas-Werkstatt, doch dann wagt er den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt über das „Budget für Arbeit“. Heute hat er einen sozialversicherungspflichtigen Job bei der Gebäudedienstleister-Sparte der Wohnungsbaugesellschaft hanova. „Ich bin happy, dass ich jetzt meine Miete selber bezahlen kann“, sagt er am Ende dieser herzerfrischenden Doku von Rundblick-Redakteurin Anne Beelte-Altwig.
Gute Unterhaltung wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link
Karrieren, Krisen & Kontroversen
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