Früher jagten Detektive Juwelendiebe auf nächtlichen Partys, enttarnten Doppelagenten im Nebel der Großstadt und lösten rätselhafte Morde in viktorianischen Herrenhäusern. Heute drehen sich ihre Fälle nicht mehr um verschwundene Diamanten, sondern um verschwundene Arbeitsstunden.
Unsere Ermittlungsakte handelt von einem Fahrkartenkontrolleur, der während seiner Arbeitszeit andere Prioritäten hatte als Schwarzfahrern hinterherzujagen: Er ließ sich die Haare schneiden, trainierte im Fitnessstudio oder besuchte seine Freundin. Nachdem mehrere Hinweise auf Arbeitszeitbetrug eingegangen waren, schaltete der Arbeitgeber eine Detektei ein. Die Observation brachte ans Licht: In knapp drei Wochen verbrachte der Mann rund 26 Stunden mit privaten Aktivitäten – ohne diese ordnungsgemäß als Pause zu erfassen. Die fristlose Kündigung erhielt er zusammen mit der Rechnung für die Detektei: 21.608,90 Euro zuzüglich 19 Prozent Mehrwertsteuer für die Überwachung darf der Ex-Kontrolleur jetzt zahlen.

Für das Landesarbeitsgericht Köln (Az. 7 Sa 635/23) stand fest: Es sei ausgeschlossen, dass der Mann in der Wohnung seiner Freundin Fahrkarten kontrolliert habe. Auch an spontane Teambesprechungen im Café mochte man nicht glauben. Dass Friseurbesuche und Cappuccinopausen Teil des Dienstplans sein könnten, hielten die Richter ebenfalls nicht für plausibel.
Das Urteil ebnet den Weg für eine Renaissance der Detektivkunst. Die große Frage lautet jedoch nicht länger „Wer war der Mörder?“, sondern „Wer war wirklich bei der Arbeit?“. Der Hercule Poirot von heute belastet seine kleinen grauen Zellen nicht mehr mit Giftmorden, sondern überlegt, wie er einen Arbeitnehmer elegant auf frischer Tat beim Cappuccino ertappt. Und der moderne Philipp Marlowe steht nicht mehr rauchend – oder auch vapend – in dunklen Gassen, sondern am Eingang des Fitnessstudios, das iPhone griffbereit im Anschlag.
Für die ehrlichen Arbeitnehmer bleibt immerhin die beruhigende Erkenntnis: Wer seine Arbeit macht, muss sich nicht vor den neuen Spürnasen für Arbeitszeitbetrug fürchten. Alle anderen sollten besser schon mal sparen – für den nächsten Detektiveinsatz auf Firmenkosten.

Um die Themen der heutigen Ausgabe in Erfahrung zu bringen, müssen Sie dagegen keinen privaten Ermittler beauftragen. Die verraten wir Ihnen gerne freiwillig – und das sogar ganz ohne Spesenrechnung:
Viel Erfolg bei der Arbeit – oder beim möglichst unauffälligen Pausieren – wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link