Niedersachsens Deiche sind großen Problemen ausgesetzt
Von Niklas Kleinwächter
Mehr als eintausend Kilometer Deich gibt es an Niedersachsens Küste, auf den Inseln und an der Elbeinmündung. 14 Prozent der Landesfläche dahinter sind potenziell durch Sturmfluten gefährdet. Umso wichtiger ist es also, dass die Deiche auch halten. Das Land wendet deshalb jährlich rund 60 Millionen Euro für den Küstenschutz auf. Ein Großteil dieses Geldes geht an die 22 Hauptdeichverbände, deren Aufgabe es ist, die Deiche in Schuss zu halten.
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Doch die Herausforderungen an der Küste nehmen zu. Am Donnerstag nahm Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) deshalb an einer Deichschau in der Region Jemgum bei Leer teil, um sich ein Bild von der aktuellen Situation an der Küste zu machen. Mit diesen Problemen haben Land und Deichverbände zu kämpfen:
Deicherhöhung
Als im Dezember 2013 eine Sturmflut Wasserstände verursachte, die noch über denen der Sturmfluten von 1962 und 1976 lagen, war man im Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sehr zufrieden: Die Deiche hielten und reichten aus. Doch neusten wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge müssen die Deiche an einigen Stellen erhöht werden. Das liegt vor allem an dem prognostizierten Anstieg des Meeresspiegels um 50 Zentimeter in den nächsten 100 Jahren.
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Auf eine Anfrage der FDP-Landtagsfraktion erklärte die Landesregierung bereits im Mai, dass rund 73 Kilometer der Elbdeiche und weitere 75 Kilometer der Hauptdeiche erhöht werden müssen. Dafür plant das Land rund 500 Millionen Euro ein. Für die Verstärkung der Küstenschutzanlagen auf den Deichen sind weitere 300 Millionen Euro vorgesehen. Noch in diesem Jahr stellt das Land einen weiteren Generalplan Küstenschutz vor, der genau bestimmt, wie groß der Nacherhöhungsbedarf an den Schutzdeichen aussieht – und wie teuer das wohl werden wird.
Doch Experten geben bereits zu bedenken, dass durch die Erhöhung der Deiche auch die Druckbelastung steigt. Langfristig müsse die Wissenschaft hier neue Techniken entwickeln. Zudem gehe für den Deichbau das geeignete Material aus, erklärte kürzlich ein Sprecher des Umweltministeriums. Lies werde sich deshalb bei seinem Besuch in Jemgum auch mit alternativen Baustoffen beschäftigen.
Wolf
Nutztierhalter in ganz Niedersachsen sind in Sorge vor dem Wolf. Doch die Schafhalter an der Küste trifft das ganz besonders, weil ein ausreichendes Einzäunen am Deich schlicht kaum umsetzbar ist. Schafe auf dem Deich gehören aber nicht nur zur Küstenidylle. Die Tiere leisten einen wichtigen Beitrag zum Küstenschutz, indem sie mit ihren Hufen beim Grasen immer wieder die Deiche festtreten. „Die Anwendung herkömmlicher Herdenschutzmaßnahmen ist oft nicht möglich“, schilderte kürzlich Umweltminister Lies die Probleme an der Nordseeküste im Gespräch mit dem Umwelt-Generaldirektor der EU-Kommission.
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Sind die Schafe aber nicht eingezäunt, bekommen die Schäfer bei einem Wolfsriss keine Entschädigungszahlungen vom Land. Schafshalter und Landwirte fordern deshalb, dass der Wolf ins Jagdrecht überführt werden soll. Dann könne das Land bestimmte Zonen ausweisen, in denen der Wolf auch tatsächlich gejagt werden könnte – Niedersachsens Küsten zum Beispiel. Wolfsfreie Zonen in Küstenregionen kommen für die EU-Kommission allerdings nicht in Frage. Das Land Niedersachsen versucht es in einem Pilotprojekt nun mit wolfsabweisenden Zäunen am Deich.
Gänse, Mäuse und anderes Getier
Gänse jagen zwar keine Schafe, aber sie fressen den Schafen ihre Nahrung weg. Im Frühjahr sind die grünen Deiche willkommene Zwischenziele für Wildgänse auf der Durchreise. Den Schafhaltern sind aber auch diese geschützten Tiere ein Dorn im Auge. Immer mehr Schäfer gäben auf, weil sie sich das zusätzliche Futter für ihre Tiere nicht mehr leisten könnten, klagt etwa Oberdeichrichter Alwin Brinkmann von der Deichacht Krummhörn.
Die Gänse auf den Deichen verdrängen aber nicht nur die Schafe, sie schützen auch die Mäuse. „Wo die Gänse alles besetzen, haben die Mäuse ein ruhiges Leben“, erklärt etwa der FDP-Umweltsprecher Horst Kortlang im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Denn die natürlichen Feinde der kleinen Nager, die Raubvögel, würden in der Nähe von Gänsen eher weniger jagen. So fressen die Mäuse dann ungestört die Wurzeln des Grases und beschädigen so zusätzlich die Grasnarbe. Außerdem sorgt das Tunnelsystem der Tiere für eine Destabilisierung des Deiches.
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Sehr viel größer als die Mäusetunnel sind aber noch die unterirdischen Behausungen von Nutria und Bisamratte. Die Tiere, die eigentlich aus Südamerika stammen und vor über hundert Jahren für die Pelzgewinnung nach Europa gebracht wurden, sind seit geraumer Zeit ein Problem für den Küstenschutz wie für die Landwirtschaft. In den Niederlanden wird die Nutria staatlich bekämpft, in Deutschland nur von Jägern bejagt, erklärt die Landesjägerschaft. In Niedersachsen sei im vergangenen Jahr zwar immerhin die Schonzeit für Nutria im Jagdgesetz aufgehoben worden, die Jäger wollen aber auch festgehalten wissen, dass die gesetzlichen Regelungen in den Niederlanden doch deutlich anders seien – besser, womöglich.
Treibgutentsorgung
Die Deichverbände haben die Aufgabe, ihre Deiche in Ordnung zu halten und so das Hinterland vor Überflutungen zu schützen. Dazu gehört es auch, das Treibgut, also angespülte Pflanzenreste oder angeschwemmten Müll, von den Deichen zu beseitigen. Doch in den zurückliegenden Jahren ist diese Aufgabe immer teurer geworden. Ein Grund dafür ist das vermehrte Treibselaufkommen – es werden immer mehr Pflanzenreste aus dem Meer angespült.
Würden die Deichverbände das Treibsel nicht entfernen, könnte die Grasnarbe beschädigt und dadurch der Deich destabilisiert werden, warnen Experten. Die FDP-Fraktion im Landtag forderte deshalb eine finanzielle Unterstützung für die Deichverbände. Das Land solle die Kosten für die Entsorgung komplett übernehmen und ein Konzept entwickeln, wie die Belastung durch Pflanzenreste verringert werden kann. Denn das erhöhte Treibselaufkommen gehe darauf zurück, dass das Deichvorland aus Naturschutzgründen nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden dürfe, heißt es im Entschließungsantrag der FDP. Die Verbände müssten Wege an den Deichen anlegen, damit sie mit schweren Fahrzeugen die Pflanzenreste abtransportieren können. Auch für die Entsorgung des Treibsels gibt es keine Regelung und keine Unterstützung.
Doch der Landtag lehnte diesen Antrag ab. „Die Deichverbände werden alleingelassen“, klagt der FDP-Politiker Kortlang im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.
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