Stühlerücken in der Politik: Wer steigt auf, wer muss gehen?
Noch ein gutes halbes Jahr, dann sind schon Landtagswahlen – und so kann es plötzlich sein, dass dann langjährige politische Karrieren genauso abrupt enden wie neue blitzlichtartig beginnen. Wer sind in den Parteien die Aufsteiger und Absteiger? Wo zeichnen sich heute schon Veränderungen ab? Ein Überblick:
SPD: Noch vor Monaten galt Ministerpräsident Stephan Weil als der unangefochtene Star der Sozialdemokraten. Er tritt volkstümlich und landesväterlich auf, hat eine lange Verwaltungserfahrung und ist ganz und gar unprätentiös. Doch im Sommer 2017 gibt es Kratzer am Bild des Regierungschefs, die Vorwürfe in der Vergabeaffäre haben seine Staatskanzlei erreicht, es gibt Hinweise auf Organisationsmängel im Umfeld des Ministerpräsidenten. Spannend wird zu beobachten sein, wie sich Weil aus dieser Affäre ziehen wird.
Die Debatte über Schwachstellen in Vergabeverfahren hatte zunächst auch Wirtschaftsminister Olaf Lies zugesetzt. Auch die Versäumnisse in seinem Haus werden noch im August vor dem Untersuchungsausschuss ausgebreitet. Doch einige Veränderungen, auch die Berufung von Staatssekretär Frank Nägele, vermitteln gegenwärtig den Eindruck einer Stabilisierung des Wirtschaftsministeriums.
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Am stärksten in der sozialdemokratischen Kabinettsriege wirkt derzeit Innenminister Boris Pistorius. Sein Name wird zwar gegenwärtig bundesweit gehandelt, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Pistorius im Herbst als sozialdemokratischer Bundesinnenminister nach Berlin wechselt, ist auch für den Fall eines SPD-Wahlsiegs eher gering – mit Sigmar Gabriel und Thomas Oppermann sind da schon zwei niedersächsische Sozialdemokraten, die Führungspositionen in der Bundes-SPD beanspruchen. Pistorius könnte die Allzweckwaffe der SPD nach der Landtagswahl werden.
Und die anderen? Bei Finanzminister Peter-Jürgen Schneider wird über einen Abschied spekuliert, er wird Mitte September 70. Sozialministerin Cornelia Rundt blieb überregional unauffällig, Kultusministerin Frauke Heiligenstadt wirkt nach einer Reihe unglücklicher Entwicklungen geschwächt. Es gibt eine Reihe jüngerer SPD-Politiker, die durchaus aufsteigen könnten – die Abgeordneten Thela Wernstedt (Hannover), Christos Pantazis (Braunschweig), Wiard Siebels (Aurich) oder Marco Brunotte (Langenhagen) etwa. Für den Fall, dass die SPD einen neuen Finanzminister benennen müsste, käme neben Pistorius auch der bisherige Staatssekretär Frank Doods dafür in Betracht.
CDU: Manche in der CDU werden schon unruhig, weil der CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann eine geradezu stoische Ruhe ausstrahlt, wenn es um sein Schattenkabinett geht. Er lässt sich nicht in die Karten schauen – und das heizt intern so manche Spekulationen an.
Vier Männer und fünf Frauen werden neben ihm, dem Ministerpräsidentenkandidaten, im Wahlkampf-Team erscheinen. Daraus müssen zwar nicht alles später Minister werden, doch Ansprüche verbinden sich mit der Benennung schon. Landtags-Fraktionschef Björn Thümler (Wesermarsch) ist gesetzt. Daneben gibt es mehrere Politiker, die klar zu den Leistungsträgern der CDU zählen und ohne Zweifel ministrabel sind: der Umweltpolitiker Ulf Thiele (Ostfriesland), der Innenpolitiker Jens Nacke (Ammerland), die Wirtschaftspolitiker Dirk Toepffer (Hannover) und Uwe Schünemann (Holzminden), der Sozial- und Finanzpolitiker Reinhold Hilbers (Grafschaft Bentheim), der Wissenschaftspolitiker Jörg Hillmer (Uelzen) und der Schulpolitiker Kai Seefried (Stade). Das sind aber mehr als vier Männer.
Wer sind die fünf Frauen? Manche Namen fallen, immer verknüpft mit Einschränkungen. Christine Hawighorst, einst Staatskanzleichefin, ist intern umstritten. Sandra von Klaeden gilt derzeit als ideale Rechnungshofpräsidentin, sie will das wohl auch bleiben.
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Susanne Schmitt, IHKN-Geschäftsführerin, hat ebenso viele Anhänger wie Kritiker. Gemutmaßt wird, Althusmann könne für zwei wichtige Bereiche versierte Frauen von außen holen – die Schulpolitik und die Agrar- und Verbraucherschutzpolitik. Eine designierte Landwirtschaftsministerin von außen könnte den CDU-Spitzenkandidaten aus der Verlegenheit befreien, zwischen den in diesem Feld konkurrierenden Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke (Stade) und Frank Oesterhelweg (Wolfenbüttel) entscheiden zu müssen. Allerdings: Ganz wird der Weil-Herausforderer nicht umhin kommen, bei seiner Schattenmannschaft Enttäuschungen zu produzieren.
Grüne: Wenn die Grünen weiterhin an einer Regierung beteiligt wären, hätten zwei Minister wohl den Rückenwind ihrer Partei für eine erneute Nominierung – Christian Meyer (Agrar) und Stefan Wenzel (Umwelt).
Ob Antje Niewisch-Lennartz (Justiz) im Amt bliebe, ist ebenso unklar wie die Zukunft von Gabriele Heinen-Kljajic (Wissenschaft). Beide haben nicht den innerparteilichen Rückhalt, den die beiden Männer haben. Von den jüngeren Abgeordneten gehören Helge Limburg (Holzminden) und Gerald Heere (Braunschweig) zu denen, die schon von sich reden gemacht haben und für führende Positionen geeignet wären.
FDP: Bei der FDP sind einige Politiker ministrabel, zwei von ihnen haben damit schon Erfahrungen – Spitzenkandidat Stefan Birkner war schon Umweltminister, der derzeit durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen beeinträchtigte Jörg Bode bereits Wirtschaftsminister.
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In einem Kabinett denkbar wären auch zwei andere FDP-Politiker, der bisherige Fraktionschef Christian Dürr aus Ganderkesee, der in die Bundespolitik wechseln möchte, und der einstige Generalsekretär Patrick Döring aus Hannover. (kw)
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