25. Jan. 2022 · Gesundheit

Streit um Schlaganfall-Betten: Ministerin könnte jetzt eine Weisung erteilen

Der seit vielen Jahren gärende Streit über die Frage, ob weitere Krankenhäuser im Nordwesten Niedersachsens neurologische Abteilungen bekommen können, spitzt sich in dieser Woche offenbar zu. Wie es aus Regierungskreisen heißt, erwägt Sozialministerin Daniela Behrens (SPD) eine sogenannte „Ministerentscheidung“. Das wäre eine Weisung, bestimmte Schritte vorzunehmen.

Foto: JazzIRT / Getty Images

Es geht um die Frage, ob in den Kliniken in Leer (Ostfriesland) und in Lingen (Emsland) zusammen 110 weitere Klinik-Betten für Schlaganfallpatienten geschaffen werden sollen. Wenn diese im Krankenhausplan stehen, könnten die Krankenhäuser die Leistungen über die Kassen abrechnen und Investitionen beanspruchen. Sollte sich Behrens zu diesem Schritt entschließen, könnte das womöglich im „Krankenhausplanungsausschuss“ als Affront aufgefasst werden – denn in dem Gremium hat es wiederholt keine Mehrheit für weitere neurologische Betten in Leer und Lingen gegeben. Anfangs war immer noch die Rede davon, dass auch die Krankenhäuser in Cloppenburg und Papenburg von dem Zuwachs profitieren könnten. Diese spielen nun keine Rolle mehr.

Regionalpolitik trifft auf Gesundheitspolitik

In diesem Konflikt stoßen offenbar regionalpolitische und gesundheitspolitische Gesichtspunkte aufeinander. Von den Krankenkassen ist bekannt, dass sie den Aufbau weiterer neurologischer Betten ablehnen. Im Krankenhaus-Planungsausschuss sind zudem noch die Landesregierung, die Kommunalverbände und die Krankenhausgesellschaft vertreten. Starke Fürsprecher für die neuen neurologischen Einheiten gibt es in den beiden betroffenen Städten, also in Lingen und Leer.

Über die Gründe, warum aus beiden Orten mit Vehemenz für die Aufstockung der Betten gestritten wird, kann nur spekuliert werden. Offenbar ist das ein Schritt, die betreffenden Kliniken zukunftssicherer zu machen, zumal mit dem neuen Krankenhausgesetz, das demnächst im Landtag beschlossen werden soll, der Kurs in Richtung Neuorganisation der Kliniklandschaft beschritten wird. Die Koalitionspartner SPD und CDU hatten erklärt, dass in den kommenden zehn Jahren bis zu 40 der derzeit 168 landesweiten Krankenhäuser wegfallen könnten.

55 Prozent der Patienten erhalten in Nordwest-Niedersachsen in den ersten 30 Minuten eine CT-Diagnostik

Im vergangenen November hatte das Netzwerk der Krankenhäuser, die bisher im Nordwesten neurologische Fachabteilungen anbieten und darin schon viel Erfahrung haben, gegen die mögliche Ausweitung dieser Angebote protestiert und davor gewarnt, damit zu einer Zersplitterung der guten Versorgung beizutragen. Dazu gehören die Ammerland-Klinik, das Evangelische Krankenhaus Oldenburg, der Ludmillenstift in Meppen, das Klinikum Osnabrück, das Klinikum Emden, die Mediclin-Hedon-Klinik in Lingen, das Nordwest-Krankenhaus Sanderbusch (Friesland), das Christliche Krankenhaus Quakenbrück und die Euregio-Klinik in Nordhorn.

Diese hatten ein Gutachten vorgelegt, das den guten Stand der Versorgung in Nordwest-Niedersachsen – gemessen am Bundesdurchschnitt – unterstreicht. So würden hier 47 Prozent der Patienten im „kritischen Lysezeitfenster“ in eine Klinik eingeliefert werden können, bundesweit seien es nur 43 Prozent. 55 Prozent könnten in den ersten 30 Minuten schon eine CT-Diagnostik erhalten, bundesweit nur 44 Prozent. Sichergestellt sei auch, dass jeder Einwohner innerhalb einer Stunde über einen gut ausgestatteten Rettungsdienst in eine „zertifizierte Stroke-Unit“ (Spezialeinheit) kommen könne. Das Gutachten warnt vor einer „Atomisierung“ der Versorgung und gibt die Parole aus „starke Standorte weiter stärken“.

Das sei auch die wesentliche Aussage der Enquetekommission zur Gesundheitsversorgung gewesen. Die neun Kliniken haben auch eine Alternative zu einer Aufstockung der Betten in Lingen und Leer genannt – nämlich den Ausbau der ambulanten und tagesklinischen Einrichtungen, außerdem eine Verstärkung der Rettungsdienst-Standorte, damit die Patienten noch schneller in eine der bisherigen Kliniken mit neurologischen Betten kommen können.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #015.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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