11. Jan. 2021 · 
Soziales

Streit um Klinikbau im Heidekreis eskaliert: Gericht gibt Weg für Bürgerbegehren frei

Schon bei der Entscheidung über die Frage, wo im Heidekreis ein neues, zentrales Krankenhaus gebaut werden soll, gingen die Wogen hoch. Kommunalpolitiker berichteten über regelrechte Anfeindungen, als der Kreistag das Votum für eine Fläche in Bad Fallingbostel gegeben hatte. Vor allem aus dem Norden des Kreises kamen nicht nur Widerworte, sondern Angriffe und persönliche Attacken. Die Mehrheit der Kreistagsabgeordneten hatte sich gegen einen alternativen Standort in der Ortschaft Dorfmark ausgesprochen, die ebenfalls zur Gemeinde Fallingbostel gehört. Die Begleitmusik in der Öffentlichkeit, ausgedrückt etwa in den Leserbriefspalten der Lokalzeitungen, war heftig wie selten zuvor – und manche Beobachter erklärten, hier würden die alten und von Ängsten begleiteten Konflikte aus der Zeit der Gebietsreform der siebziger Jahre wieder hochgekocht. Eine Bürgerinitiative startete Unterschriftensammlungen für einen Bürgerentscheid in dieser Frage, und 12.000 Unterstützer soll sie schon gefunden haben. Ihre Forderung lautet, als Standort nicht Fallingbostel vorzusehen, sondern Dorfmark weiter nördlich.

Das lange Hin und Her über die Frage, ob denn dieses Bürgerbegehren überhaupt rechtlich einwandfrei ist, hatte die Kommunalpolitik lange beschäftigt. Nun ist eine Vorentscheidung gefallen, das Verwaltungsgericht sieht keine Gründe, den Bürgerentscheid zu stoppen. Die juristischen Einwände, die der Osnabrücker Staatsrechtler Prof. Jörn Ipsen im Auftrag des Landkreises in einem Gutachten zusammengefasst hatte, wurden von den Richtern zurückgewiesen. Nun müssen die Gremien des Landkreises entscheiden, ob sie gegen dieses Urteil noch einmal angehen wollen. Maßgeblich für den Spruch der Lüneburger Verwaltungsrichter ist offenbar auch die Verwirrung, die der Landkreis selbst geschaffen hatte. Im August hatte der Kreisausschuss erst entschieden, den Start des Bürgerbegehrens zu erlauben. Nachdem dann etliche Unterschriften vorlagen und den Juristen des Kreises Bedenken gekommen waren, bat Landrat Manfred Ostermann Prof. Ipsen um eine Stellungnahme. Prof. Ipsen erklärte, das Planungsrecht liege bei der Stadt Bad Fallingbostel, diese aber habe sich für den jetzigen Standort und gegen einen Alternativstandort im Ortsteil Dorfmark ausgesprochen. Ein kreisweit gestartetes Bürgerbegehren, das auf Entscheidungen des Landkreises abziele, könne die in diesem Fall schon ausgeübte gemeindliche Planungshoheit nicht außer Kraft setzen. Dieser Argumentation folgen die Verwaltungsrichter jetzt nicht.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Sebastian Zinke hatte schon im Sommer gefordert, dem Land die Hoheit bei Klinikplanungen zu übertragen, da derartige Fragen kommunal kaum sachlich zu lösen seien, die Kreistage seien damit „überfordert“. Die CDU-Landtagsabgeordnete Gudrun Pieper erklärte im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick, das Bürgerbegehren und der Bürgerentscheid drohten das gesamte Projekt des Klinikneubaus zu gefährden. Tatsache sei, dass die beiden alten Krankenhäuser in Soltau und Walsrode jährliche Zuschüsse von bis zu 13 Millionen Euro erforderten, sie seien unwirtschaftlich. Seit 2020 die Grundsatzentscheidung für den Neubau getroffen sei, zeigten auch mehr Mediziner Interesse, sich im Heidekreis niederzulassen. Mit dem Land sei vereinbart, dass ein Konzept für die neue Klinik bis 2021 stehen müsse, wenn der Heidekreis dafür einen 130-Millionen-Euro-Zuschuss beanspruchen wolle. Diese Vereinbarung drohe mit dem Bürgerentscheid gesprengt zu werden. In Ostfriesland und in Diepholz gedeihen derzeit andere Krankenhauspläne, die dortigen Kommunalpolitiker halten ebenfalls Ausschau nach einem begehrten Landeszuschuss – und der Topf wird voller sein, wenn die Ausgabe im Heidekreis nicht getätigt werden muss. „Ich wäre sehr, sehr traurig, wenn wegen des Bürgerentscheids der Klinikneubau in Fallingbostel nicht zustande käme“, sagte Pieper dem Rundblick.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #004.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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