6. Juni 2023 · 
Wirtschaft

Straßenbaubehörde will noch aktiver in die Verkehrssteuerung eingreifen

Niedersachsen will bei der Steuerung von Verkehrsströmen künftig noch offensiver ins Geschehen eingreifen. „Verkehr, der fließt, schont Antriebsressourcen und erhöht die Leistungsfähigkeit unserer Infrastruktur“, sagte gestern Wolfgang Metz beim „Niedersächsischen E-Mobility Summit“ in Hannover. Der Dezernatsleiter für Betrieb und Verkehrsmanagement bei der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) stellte auf dem Fachkongress die neusten Pläne für die digitale Verkehrslenkung vor, bei der LED-Infotafeln am Straßenrand und Navigationssysteme eine zentrale Rolle spielen sollen.

Elektronische Verkehrszeichen, die unterschiedliche Warnhinweise oder Aufforderungen darstellen können, sind auf deutschen Straßen wie hier auf der A93 bei Kufstein immer häufiger zu sehen – demnächst auch in Niedersachsen. | Foto: Bremicker Verkehrstechnik GmbH

Dahinter steht der von Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) angekündigte Paradigmenwechsel für die Landesstraßenbaubehörde, die zu einer „Mobilitätsagentur“ umgebaut werden soll (der Rundblick berichtete darüber am 1. Juni). In diesem Sinne wird die NLStBV künftig einen ganz anderen Umgang mit den von ihr gesammelten Verkehrsdaten pflegen.

„Wir werden einen Pool bilden, wo wir die gesamten Daten zusammentragen, die wir dann den Verkehrsteilnehmenden zur Verfügung stellen“, sagte Metz. Das geschieht allerdings nicht ohne Hintergedanken: Durch die Bereitstellung der Daten will die Landesbehörde die Verkehrsströme in ihrem Sinne steuern und eine „gleichmäßigere Auslastung“ des bestehenden Straßennetzes erreichen. Laut Metz soll dabei das Prinzip des „Collaborative Routing“ (gemeinschaftliche Verkehrslenkung) verfolgt werden, das auch der in Hannover entwickelten Navigations-App „Nunav“ zugrunde liegt.

Die Idee dahinter: Wenn mehrere Fahrzeuge zur gleichen Zeit das gleiche Ziel haben, werden sie nicht alle über dieselbe Strecke geleitet, sondern über verschiedene Routen. Dadurch bekommen zwar nicht alle Teilnehmer die schnellste Strecke zugewiesen, aber in Summe kommen trotzdem alle schneller ans Ziel. Außerdem verspricht der Dezernatsleiter: „Durch den Einsatz der digitalen Verkehrslenkung bei Baumaßnahmen, Veranstaltungen und Störfällen wird die Entstehung von Staus, Unfällen und verkehrlichen Unverträglichkeiten verringert.“

Wolfgang Metz spricht beim E-Mobilitäts-Gipfel im Alten Rathaus Hannover. | Foto: Link


Das Rückgrat dieser Strategie ist die niedersächsische „Traffic Information Plattform“ (TIP), die Verkehrsdaten aus allen möglichen Quellen verknüpft und in Echtzeit auswertet. Dadurch können nicht nur Störungen identifiziert und Ausweichrouten berechnet werden, sondern auch virtuelle Straßensperrungen vorgenommen werden. „Was wir nicht wollen, ist, dass der Verkehr in die verkehrsberuhigten Bereiche umgelenkt wird“, sagte Metz. Deswegen sollen die Verkehrsplaner durch die Software in die Lage versetzt werden, Straßen und Bereiche auszuwählen, die für die digitale Verkehrssteuerung tabu sind und dann in den Routenempfehlungen der Navis nicht auftauchen. Außerdem können je nach Fahrzeugtyp auch ganz unterschiedliche Routen für Autos, Busse oder Lastwagen ausgespielt werden.

Vario-Tafeln am Straßenrand: Region Hannover macht den Anfang

Die Digitalisierung der Verkehrssteuerung soll demnächst auch im Straßenbild sichtbar werden. Metz kündigte an, dass in der Region Hannover zahlreiche sogenannte „Vario-Tafeln“ aufgestellt werden sollen. Bislang sind die elektronischen Hinweistafeln, die von der Verkehrsmanagementzentrale individuell bespielt werden können, in Niedersachsen eine absolute Ausnahmeerscheinung. Zumindest in und um die Landeshauptstadt herum soll sich das nach Vorbild anderer Großstädte wie etwa Stuttgart aber ändern. Schließlich sind laut dem Dezernatsleiter im Großraum Hannover nicht nur täglich etwa 125.000 Kraftfahrzeuge unterwegs, sondern es werde in den nächsten Jahren auch eine zunehmende Anzahl von Baustellen auf den Bundesautobahnen und Bundesstraßen geben.

Moderne Vario-Tafeln wie hier am Königswall in Dortmund können nicht nur die Auslastung von Parkhäusern anzeigen, sondern auch der Überlastung von stark frequentierten Straßen entgegenwirken. | Foto: Stadt Dortmund/Christian Schön

Darüber hinaus sollen die Verkehrsdaten auch die Parkplatzsuche erleichtern. Wenn es nach der Landesbehörde geht, sollen etwa Besucher von Veranstaltungen bald schon direkt bis zu einem freien Parkplatz geleitet werden. „Dadurch entfällt der lokale Parksuchverkehr und es sind keine kostenintensiven dynamischen Parkleitsysteme mehr notwendig“, erläuterte Metz. Ziel sei es, insbesondere den Park+Ride-Verkehr deutlich aufzuwerten. Außerdem stellte der Verkehrsmanager in Aussicht, dass die Landesplattform perspektivisch auch zur Modellierung und Prognose von Reisen genutzt werden soll, um beispielsweise zu bestimmen, wann der beste Zeitpunkt ist, um von A nach B zu fahren.


Dieser Artikel erschien am 7.6.2023 in Ausgabe #103.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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