13. Feb. 2024 · 
Parteien

Steffen Krach: Demonstranten nicht nach Geschmack einteilen

Der hannoversche Regionspräsident Steffen Krach (SPD), Chef der Verwaltung des mit Abstand größten Landkreises in Niedersachsen, hat nachdrücklich vor der Unterteilung in „gute und schlechte Demonstranten“ gewarnt. Er sagte im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick: „Protest darf provokant sein, das muss die Demokratie aushalten. Es kommt aber darauf an, dass man Menschen und Gruppen nicht einschüchtert, unter Druck setzt oder ihnen Angst macht. Jeder Demonstrant muss sich an Regeln halten – unabhängig davon, welche Anliegen er vertritt. Dies macht die Stärke unseres Rechtsstaates aus.“

Mitglieder der „Letzten Generation“ stören eine Sitzung der Regionsversammlung in Hannover. | Foto: Letzte Generation

In der vergangenen Woche hatte es in der hannoverschen Regionsversammlung, der Volksvertretung der Region Hannover, eine Abstimmung gegeben. Die Versammlung musste beschließen, dass Steffen Krach als Zeuge vor Gericht aussagen darf – wegen einer Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung, die er vor einem Jahr gestellt hatte. Damals hatten Vertreter der „Letzten Generation“ die Regionsversammlung gestürmt, Wände beschmiert und die Abgeordneten an ihrer Tagung gehindert. Daraufhin hatte Krach Strafanzeige gestellt, und in diesem Verfahren soll er jetzt als Zeuge aussagen.

Evrim Camuz | Foto: Grüne/Sven Brauers

Nun kam es in der Regionsversammlung zu der merkwürdigen Situation, dass die Grünen-Abgeordnete Evrim Camuz, die auch Landtagsabgeordnete ist, eine persönliche Erklärung abgab. Darin sagte sie, von der Aktion der „Letzten Generation“ nicht unter Druck gesetzt worden zu sein. Bei der folgenden Abstimmung über die Frage, ob Krach als Zeuge aussagen soll, verließen dann mehrere Vertreter der Grünen-Regionsfraktion den Raum. Nun sagt Krach dazu: „Als Regionspräsident muss ich jede Versammlung des demokratisch gewählten Organs der Region schützen. Es geht gar nicht darum, ob ich mich persönlich von den Protesten der ,Letzten Generation‘ betroffen fühle oder nicht. Allein die Tatsache, dass sich einige Regionsabgeordnete davon bedrängt oder angegriffen fühlten, reicht schon aus.“ Daher sei es richtig gewesen, eine Strafanzeige zu stellen.

Regionspräsident Steffen Krach spricht beim Arbeitgeber-Forum 2023 in Hannover. | Foto: Axel Herzig

Ohne die Grünen direkt zu erwähnen, sagte Krach, dass man das Verhalten von Demonstrationen nicht danach beurteilen dürfe, ob einem das Anliegen gefalle oder nicht. Wenn dieser Eindruck entstehe, gefährde man das Vertrauen in die demokratischen InstitutionenDie Verhaltensregeln müssten für alle gleich sein – und ganz wichtig sei, dass mit Demonstrationen weder Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt noch demokratische Abläufe gestört werden. „Ganz und gar nicht hinnehmbar“ sei aus seiner Sicht etwa das Verhalten protestierender Bauern, die vor einigen Wochen Bundesminister Robert Habeck am Verlassen einer Fähre hinderten. „Damals bekamen Menschen Angst – und das hat dann mit einem legitimen Protest nichts mehr zu tun.“ Krach sagte, dass man gegenwärtig eine immer stärker aufgeheizte Stimmung erlebe. Das sei bei Bauernprotesten ebenso spürbar wie bei Besuchen von Fußballspielen. Umso wichtiger sei es nun, dass sich die Politiker über die Möglichkeiten und Grenzen solcher Proteste klar werden.

Der Regionspräsident begrüßt auch die bundesweiten Demonstrationen zur Verteidigung der Demokratie und gegen Rechtsextremismus, die derzeit überall stattfinden. „Diese sind ein Erfolg, wenn sich alle Teilnehmer wohlfühlen – linke und liberale Bürger ebenso wie konservative und rechte in der CDU“, betont der SPD-Politiker und fügte hinzu: „Wenn irgendwann nur noch das rot-grüne Lager demonstriert, dann haben wir nichts gewonnen.“ Es gehe auch darum, diejenigen Wähler der AfD für die demokratischen Parteien zurückzugewinnen, die aus Protest bei der AfD ihr Kreuz machen wollen. „Diesen Prozess erreichen wir aber nur mit einer guten, verlässlichen und anständigen Politik“, betont Krach. Ständige Streitereien über Kleinigkeiten oder die Unfähigkeit zu klaren Entscheidungen seien ungeeignet für den Versuch, viele Wähler der Extremisten von ihrem Kurs abzubringen.

Dieser Artikel erschien am 14.2.2024 in Ausgabe #28.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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