Staudte will Jagdhund-Ausbildung an lebenden Tieren verbieten, plant aber Ausnahmen

Wie muss das Landesjagdgesetz angepasst werden, um dem Tierschutz stärker zur Geltung zu verhelfen? Niedersachsens rot-grüne Landesregierung hat sich vorgenommen, im Dialog mit der Jägerschaft eine entsprechende Gesetzesnovelle auf den Weg zu bringen. Nachdem der Start dieses Dialogprozesses aus Sicht der Landesjägerschaft im Sommer etwas verstolpert worden war, hat die Landtagsfraktion der Grünen am Montagnachmittag nun zu einer kontroversen Diskussionsrunde ins Forum des Landtags geladen. Niedersachsens Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) hat dabei die wesentlichen Punkte des Referentenentwurfs aus ihrem Hause vorgestellt. Zuvor hat es im Ministerium drei Gesprächsrunden mit den Jagdverbänden gegeben. Besonders strittig wurde diskutiert, wie künftig die Ausbildung an lebenden Tieren ausgestaltet werden kann. Staudte führte nun aus, dass laut Tierschutzrecht grundsätzlich kein Tier auf ein anderes gehetzt werden dürfe, doch es gebe begründete Ausnahmen. Im Gesetz soll deshalb künftig die Ausbildung am lebenden Tier verboten werden, Ausnahmen möchte sie aber in einer Verordnung regeln. Die Ausbildung von Jagdhunden am Schwarzwildgatter beispielsweise findet Staudte sinnvoll. Es sei wichtig zu wissen, wie ein Hund reagiert, wenn er auf ein Wildschwein trifft. Bei der Ausbildung an lebenden Enten, die mit einer Pappmanschette flugunfähig gemacht werden, erkennt die Ministerin Forschungsbedarf, um alternative Trainingsmethoden zu finden. Zudem möchte sie eine rechtliche Festlegung darauf, dass nur drei Übungs- und eine Prüfungsente verwendet werden dürfen – bislang gilt dies nur als freiwillige Vereinbarung. Die Ausbildung in einer Schliefenanlage, bei der Hunde in einem künstlichen Fuchsbau trainiert werden, sieht die Ministerin offenbar kritischer. Denn sie will die Baujagd im Naturbau ohnehin komplett untersagen – auch zum Schutz der Hunde.

Die rot-grüne Landesregierung plant zudem, die Jagd auf Nutria zu vereinfachen. Dazu soll die invasive Tierart von der Liste der jagdbaren Arten gestrichen werden, erläuterte Staudte. Ziel sei es, die Bekämpfung von Nutria und Bisam gleichzusetzen und dadurch einen effektiven Hochwasserschutz zu erreichen. Denn die Tiere gefährden durch ihre Tunnel die Stabilität von Deichanlagen. Die Zuständigkeit der Bekämpfung soll laut Staudte auch aus diesem Grund vom Agrar- ins Umweltministerium wandern, da dieses den Hochwasserschutz unter seinem Dach verwaltet. Jäger sollen derweil berechtigt bleiben, die Nutria zu jagen. Allerdings sollen auch spezielle Nutria-Jäger eingesetzt werden können, wie dies bereits in den Niederlanden üblich ist. Auch in Nordrhein-Westfalen gehe man mit gezielten Managementplänen gegen Nutria und Bisam vor, führte Staudte aus. Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft, erklärte, sich für die Nutria nicht verkämpfen zu wollen. Das müssten schon die Landräte und Deichverbände machen, sagte er. Allerdings gab er zu bedenken, dass die Jäger durch ihren ehrenamtlichen Einsatz gegen die Tiere dem Staat längst erhebliche Kosten abnehmen. Eine Nutria zu erlegen, koste etwa 80 Euro, rechnete der Jägerpräsident vor. Allein im vergangenen Jahr hätten die Jäger in Niedersachsen 45.000 Nutria getötet. Unter anderem darin sieht er eine Berechtigung für die Jagd im 21. Jahrhundert. In seiner Verteidigung der Jägerschaft führte er außerdem die Seuchenprävention, die Hilfe bei Wildunfällen und den Tierschutz als Argumente für eine aktive Jägerschaft an. Er betonte, dass es bei einer Diskussion über die Novelle des Jagdrechts nicht um die Frage gehen könne, ob es Jagd gibt oder nicht, sondern ob sie in Nuancen anders aussehen könnte.

Reformbedarf sieht derweil Dieter Ruhnke vom Landestierschutzbund. Für seinen Verband forderte er eine klare Trennung der Aufgaben zwischen dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Jagdgesetz. Er wertet das öffentliche Interesse (Naturschutz) höher als die Eigentumsrechte (Jagdrecht) und führt aus, dass die Tierschützer die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Tieren ebenso ablehnen wie Totschlagfallen oder den Haustierabschuss. Seit der jüngsten Jagdgesetznovelle bleibt der Abschuss von Streunerkatzen, die sich mehr als 300 Meter von Wohnbebauung entfernt herumtreiben, ein kontrovers diskutiertes Thema. Staudte hatte zuvor ausgeführt, dass dieses Thema weiterhin offen sei. Totschlagfallen will die Ministerin unterdessen auf jeden Fall verbieten lassen. Hans-Martin Hauskeller von den Landesforsten erklärte, dass aus waldbaulicher und naturschutzfachlicher Sicht eine Abschussplanung eigentlich eines Vegetationsgutachtens bedürfe. Da sich die tatsächliche Anzahl von Rehwild kaum erfassen lasse, müsse vor Ort geprüft werden, wie viel Verbiss es in einem Wald gibt und ob aus diesem Grund ein Abschuss gerechtfertigt werden könne. Frederik Eggers vom Naturschutzbund Nabu Niedersachsen forderte, ein modernes Jagdgesetz müsse sich an wildökologischen und gesellschaftlichen Kriterien ausrichten. Zwar erkenne er an, dass Jagd eine zulässige Form der Landnutzung sei. Doch auch diese müsse nachhaltig und an internationalen Konventionen ausgerichtet sein. Bevor einer Tierart Leid zugefügt wird, müsse zunächst immer erst eine Alternative geprüft werden. Alle Nutzergruppen, die in der Natur unterwegs sind, müssten berücksichtigt werden.
Dieser Artikel erschien am 17.12.2024 in der Ausgabe #224.
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