Der Entwurf des neuen „Wachstumschancengesetzes“ aus dem Hause von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schreckt die Kommunen in Niedersachsen auf. Frank Klingebiel (CDU) als Präsident des Niedersächsischen Städtetages (NST) und sein Stellvertreter Jürgen Krogmann (SPD) haben einen besorgten Brief an Niedersachsens Finanzminister Gerald Heere (Grüne) geschickt. Sie befürchten als Folge dieser Gesetzesvorschläge jährliche Ausfälle bei den Steuereinnahmen von bundesweit 1,9 Milliarden Euro – also 190 Millionen Euro für die niedersächsischen Kommunen.

Gegenstand der Lindner-Vorschläge sind erleichterte Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen, außerdem die Ausweitung der erlaubten Verlustvorträge im Steuerrecht. Dies soll dazu führen, die Finanzsituation der Unternehmen in wirtschaftlich anstrengenden Zeiten zu verbessern. Aus Sicht der Kommunen allerdings würde dies zu Lasten der kommunalen Steuereinnahmen gehen, vor allem bei der Gewerbesteuer, die eine Hauptsteuereinnahme der Kommunen ist.

Klingebiel und Krogmann schreiben nun: „Die Höhe der den begünstigten Unternehmen zur Verfügung stehenden Verlustvorträge ist den Kommunen im Einzelfall nicht bekannt. Sie werden also völlig unverhofft, erstmals bei der Gewerbesteuerveranlagung für das Jahr 2024 in 2025, mit den Steuerausfällen konfrontiert werden. Dies geschieht dann in einer Situation, in der viele Städte mit historischen Fehlbeträgen zu tun haben und finanziell ohnehin mit dem Rücken an der Wand stehen.“
Lindner hatte im Referentenentwurf seines Ministeriums vorgeschlagen, die Mindestgewinnbesteuerung bei der Gewerbesteuer in den Jahren 2024 bis 2027 auszusetzen und für 2028 den Sockelbetrag anzuheben. Allein dieser Schritt führe zu Steuerausfällen in Deutschland, die sich bis zum Jahr 2027 auf mehr als 1,3 Milliarden Euro erhöhen würden.
Im Schreiben der beiden NST-Spitzen an Heere heißt es ergänzend: „Die Mindestgewinnbesteuerung hat eine hohe Bedeutung für die Aufkommensstabilität der Gewerbesteuer in vielen Städten und Gemeinden. Mit Blick auf die derzeitige Finanzsituation sind die Kommunen nicht in der Lage, derartige Steuergeschenke ohne eine entsprechende Kompensation zu tragen.“ Klingebiel und Krogmann erheben sogar den Vorwurf, dass der Bund sich jetzt anschicke, „unmittelbar in die kommunale Finanzausstattung einzugreifen und damit nachhaltig die kommunale Handlungsfähigkeit zu schwächen“.

Das Bundeskabinett will sich offenbar am 16. August erstmals mit Lindners Vorschlägen beschäftigen. Vorsorglich hat der NST nun an Heere appelliert, in der Finanzministerkonferenz und im Bundesrat „deutlich ablehnend“ zu den Vorschlägen Stellung zu nehmen. Niedersachsen solle ein deutliches „Nein“ zu diesen Plänen äußern. Lindner lege sein Konzept in einer Zeit vor, in der sich Bund und Land zunehmend aus anderen Projekten zurückzögen – und die Kommunen damit allein ließen. Das betreffe etwa die Digitalisierung in den Schulen, den Breitbandausbau und die Investitionen in den Ausbau der Kindergärten.
In einer Umfrage des NST bei seinen Mitgliedern, die schon einige Wochen zurückliegt, wird die zunehmend angespannte Finanzlage deutlich. 35 von 85 Kommunen, die über ihre Absichten berichtet haben, rechnen für dieses Jahr mit Fehlbeträgen von jeweils mehr als 5 Millionen Euro, die Gesamtfehlbeträge summieren sich so auf 680 Millionen Euro. Neun Städte gehen gar von einem Fehlbetrag von mehr als 20 Millionen Euro aus, vier Städte von mehr als 50 Millionen. Nur neun Städte wollen auf eine Kreditaufnahme verzichten.