7. Aug. 2017 · 
Wirtschaft

„Squirrel & Nuts“: Weitere Agentur-Vergabe unter Mängel-Verdacht

In der Vergabeaffäre könnte es einen weiteren Fall geben, in dem eine Agentur einen Auftrag zu Unrecht bekommen hat. Es geht um die Berliner Agentur Squirrel & Nuts, die seit Jahren enge Beziehungen zur niedersächsischen SPD pflegt. Informationen des Politikjournals Rundblick zufolge könnte es Ende 2013 einen Vergabefehler beim Auftrag für einen Newsletter gegeben haben. Die Agentur gewann damals ein Vergabeverfahren, in dem insgesamt neun Anbieter angefragt worden waren. Auftraggeber war die niedersächsische Landesvertretung in Berlin. Fünf Anbieter wurden wegen vergaberechtlicher Mängel ausgeschlossen. Von den übrigen vier Anbietern hätte laut Vergaberechtsexperten den Kriterien zufolge der günstigste ausgewählt werden müssen. Das war Squirrel & Nuts mit knapp unter 5000 Euro allerdings nicht, eine andere Agentur verlangte nur rund 2500 Euro. Die Agentur hat seit 2013 mehrere Aufträge von der Landesvertretung erhalten. Sie organisierte Einladungen zu Veranstaltungen und erstellte unter anderem die Internetseite für das Aktionsbündnis „Niedersachsen packt an“, die samt Folgeaufträgen knapp 20.000 Euro gekostet haben soll. Auftraggeber war auch in diesen Fällen die Berliner Landesvertretung unter dem Staatssekretär Michael Rüter. Er war bis 2013 Geschäftsführer der niedersächsischen SPD und kam bereits in dieser Funktion vermutlich mit der Agentur in Kontakt. Squirrel & Nuts hatte bereits kleinere Aufträge der Landespartei im Landtagswahlkampf 2013 bekommen. Außerdem unterstützte die Agentur 2013 den Oberbürgermeister-Wahlkampf von SPD-Kandidat Stefan Schostok in Hannover und Regionspräsident Hauke Jagau (ebenfalls SPD) in der Region Hannover im Jahr 2014. Im anstehenden Landtagswahlkampf arbeitet die Agentur erneut für die Niedersachsen-SPD. Lesen Sie auch:   Die Landesregierung möchte sich zu möglichen Unregelmäßigkeiten in Bezug auf Squirrel & Nuts noch nicht konkret äußern. Derzeit würden hierzu noch Akten zusammengestellt und Berichte verfasst. „Bevor die Akten und die dazugehörenden Berichte nicht dem Landtag überstellt worden sind, wird die Landesregierung keine Einzelheiten vorab bekannt geben“, heißt es aus der Staatskanzlei. Dies gelte umso mehr, als dies gegebenenfalls die Gefahr der Unvollständigkeit beziehungsweise Unrichtigkeit in sich bergen würde, so lange zum Beispiel die vergaberechtliche Detailprüfung nicht abgeschlossen sei. Die sorgfältige und langwierige Arbeit bei der Zusammenstellung der Akten steht im Gegensatz zur Eile, die immer wieder in umstrittenen und mit Mängeln behafteten Vergabeverfahren an den Tag gelegt wurde. Das gilt auch für umstrittene Vergabe an Squirrel & Nuts, auch hier legte die Berliner Landesvertretung ein auffälliges Tempo vor. Bei der Vergabe ging es um einen Newsletter, der etwa zwölfmal im Jahr an rund 2500 E-Mail-Empfänger gehen sollte. Am 16. Oktober bat die Landesvertretung mehrere Anbieter um einen Kostenvoranschlag bis zum 25. Oktober. Der Newsletter sollte zum ersten Mal bereits am 11. November erscheinen. Schon im Fall Kronacher, in dem es um den neuen Claim für das Land Niedersachsen ging, musste plötzlich alles ganz schnell gehen. Das wird nirgendwo deutlicher als in der E-Mail von Wirtschafts-Staatssekretärin Daniela Behrens an Regierungssprecherin Anke Pörksen: „Wir müssen in die Füße kommen.“ Und auch bei zwei Vergaben, aus denen das Institut für Regionalwirtschaft Cima als Sieger hervorging, musste alles schnell gehen. Bei einem Gutachten im Oktober 2016 über wirtschaftliche Potenziale im nordwestdeutschen und niederländischen Grenzraum bedauert ein Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums, dass leider „besondere Eile geboten“ sei. Inzwischen sieht das Ministerium einen Mangel beim Ergebnisvermerk, der zu spät gefertigt worden sei. Zudem kann laut Ministerium nicht ausgeschlossen werden, dass es zuvor bereits Kontakte zwischen Cima und dem Land Bremen oder den Niederlanden gegeben hat, die an der Finanzierung des Gutachtens beteiligt waren. Zeitdruck soll es auch bei einem Cima-Gutachten zur Reedereiwirtschaft gegeben haben. Hier mussten offenbar zügig Ergebnisse vorliegen, weil Wirtschaftsminister Olaf Lies diese für eine Rede zeitnah benötigt haben soll. Das Gutachten wurde als Folgeauftrag nach einem Gutachten für die Nord/LB bewertet, das schon Jahre zurücklag. Auch diese Vergabe sehen Fachleute skeptisch. Im Landtag müssen die Fraktionen derweil erst einmal entscheiden, wie es mit dem Untersuchungsausschuss zur Vergabeaffäre weitergeht. Wahrscheinlich ist derzeit, dass ein neuer Einsetzungsbeschluss verabschiedet wird, damit die Mehrheitsverhältnisse im Ausschuss denen des Parlaments angeglichen werden. Das würde auch die SPD-Fraktion akzeptieren. Die Frage ist allerdings, wie viele Zeugen bis zum Wahltermin am 15. Oktober noch aussagen können. Einen umfangreichen Abschlussbericht wird es aufgrund der Neuwahl auf jeden Fall nicht mehr geben können. (MB.)
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #133.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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