Soll man die Kommunen zu mehr Klimaschutz zwingen?
Von Niklas Kleinwächter
„Dass Klimaschutz eine freiwillige Leistung ist, ist absurd“, sagt Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies am Montag auf dem Podium der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN). Dass er für diese Aussage viel Applaus bekommt, verwundert nicht. Schließlich sitzen im Saal des Alten Rathauses in Hannover zahlreiche Vertreter der kommunalen Klimaschutzagenturen. Ihre Kernaufgabe ist es, Privathaushalte, Unternehmen und Kommunen bei der Suche nach klimaschonenden Maßnahmen zu beraten. Dafür würden sie gerne mehr Unterstützung bekommen, denn offenbar stockt genau dieses Geschäft.
„Das Bewusstsein, dass kein Klimaschutz teurer ist, ist noch nicht da“, konstatiert auch Lies. Die Klimaschützer im Raum wollen deshalb den Druck auf die Kommunen erhöhen. Aber wie? Der radikalste Vorschlag dazu kommt von Berit Müller von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie aus Berlin. Dort hat man schon eine Solarpflicht diskutiert oder harte Sanktionen wie zum Beispiel das Abschalten von Kraftwerken, wenn die Klimaziele nicht erreicht werden. In Niedersachsen ist man weniger radikal, aber der Wunsch wurde schon formuliert, dass die Kommunen zum Klimaschutz verpflichtet werden müssen.
Kommunen sollen Klimabilanzen vorlegen
Dieser Vorschlag stößt beim Umweltminister auf offene Ohren. Lies möchte den Klimaschutz sogar in die Verfassung schreiben und der Landtag soll ein eigenes Klimagesetz für Niedersachsen beschließen. Deshalb freut er sich über die „große Begeisterung für die Bewältigung der Klimakrise“, die man aktuell wahrnehmen könne.
In seiner Idee von einem Klimagesetz sollen die Kommunen dazu verpflichtet werden, Klimabilanzen vorzulegen. Auch sollen Anreize gesetzt werden, zum Beispiel durch die finanzielle Förderung von Klimaschutzprojekten. Durch die Verankerung in der Verfassung erhofft er sich mehr Verbindlichkeit beim Klimaschutz. Eine wirkliche Pflicht für die Kommunen möchte Lies aber nicht. Denn wenn das Land die Kommunen zu etwas verpflichtet, müsse das Land auch die Finanzierung sicherstellen. Dazu sieht der Umweltminister aktuell keinen Spielraum im Haushalt.
Das Bewusstsein, dass kein Klimaschutz teurer ist, ist noch nicht da.
Spielräume möchte der Umweltminister an anderer Stelle schaffen. Um die Klimaziele zu erreichen, muss das Land nämlich mehr Raum für Wind- und Solarenergie schaffen, fordern die Experten. Denen stößt aber übel auf, dass in Niedersachsen landwirtschaftlich genutzte Flächen von der Förderung ausgeschlossen sind. Solarpanels stehen deshalb eher nicht auf einem Acker, auch wenn Energieexperten darin ein riesiges Potenzial für das Land sehen. Lies möchte diese Blockade gerne aufheben und blickt dabei auf andere Bundesländer, in denen es bereits möglich ist, Solar- und Windenergieanlagen mit landwirtschaftlichen Betrieben zu koppeln. Auch beim Artenschutz möchte Lies Hürden abbauen, um mehr Windkraftanlagen zu ermöglichen.
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„Wir haben eine große Zahl von Projekten in der Planung, eine größere Zahl liegt aber bei Gericht“, klagt der Umweltminister. EU-Recht zu ändern, um die vielen Klagen zu vermeiden, hält er allerdings für absurd. Er möchte lieber die Spielräume nutzen, die die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU den Ländern lässt. So könnte womöglich erreicht werden, dass Windkraftanlagen näher beieinanderstehen.
Von Alleingängen des Landes hält Lies aber nichts. Er möchte deshalb nicht wie Baden-Württemberg vorschreiben, dass beim Wechsel eines Heizkessels verpflichtend auf erneuerbare Energien umgesattelt werden muss. Solche Regelungen möchte der Umweltminister lieber auf Bundesebene getroffen wissen. Dort hofft er auch auf eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). „Für eigenerzeugte Energie eine Umlage zu bezahlen, sollte als erstes abgeschafft werden“, sagt Lies.
Experten sehen CO2-Steuer positiv
Anreize und Spielräume reichen den Solarexperten aber nicht aus. Prof. Rolf Brendel vom Institut für Solarenergieforschung in Hameln wünscht sich etwa, dass die Betriebe beim Umlenken besser in die richtige Richtung gelenkt werden. Eine Möglichkeit dafür sehen die Experten in der aktuell viel diskutierte CO2-Steuer, die bei ihnen auf Gegenliebe trifft. Durch eine CO2-Bepreisung würde auf der einen Seite der Druck erhöht, weniger fossile Energien zu verwenden. Auf der anderen Seite könnte die marktwirtschaftliche Verzerrung durch das EEG nach und nach abgebaut werden. „Wenn der Zertifikathandel im gesamten Energiebereich funktioniert, dann wird das EEG verschwinden“, prognostiziert Prof. Brendel.
Eine CO2-Steuer oder -Bepreisung könnte demnach dazu beitragen, dass sich die erneuerbaren Energien schrittweise am Markt behaupten könnten, indem die fossile Energie verteuert wird. Margarete von Oppen, die als Fachanwältin für Verwaltungsrecht die juristische Expertise in die Runde einbringt, möchte insgesamt mehr Sachlichkeit in der Diskussion um den Strompreis. Sie beklagt, dass die Bevölkerung viel zu wenig darüber wisse, wie der Strompreis bestimmt wird. Dass nun Solar- und Windenergie für ständig steigende Strompreise verantwortlich gemacht werden, hält sie für ungerecht.
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Auch Prof. Brendel wünscht sich, dass beim Strompreis die Ehrlichkeit bewahrt werde. Er plädiert deshalb dafür, die langfristigen Kosten, die entstehen, wenn man keinen Klimaschutz betreibt, jetzt schon sichtbar zu machen. „Niedersachsen ist ein Küstenland. Was passiert da oben, wenn wir jetzt nicht handeln?“ Auch diese Forderungen dürften beim Umweltminister gut angekommen sein. Lies hatte bereits im Mai erklärt, das Geld aus der CO2-Bepreisung in einen Klimafond fließen lassen zu wollen.