Pro & Contra: Soll man die Amtszeit des Ministerpräsidenten beschränken?
Der neue bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat vorgeschlagen, die bayerische Landesverfassung zu ändern – und eine Obergrenze für die Amtszeit des Ministerpräsidenten einzuziehen: zwei Wahlperioden, also zehn Jahre. In einem Pro und Contra bewerten Martin Brüning und Klaus Wallbaum diesen Plan.
PRO: Eine Beschränkung der Amtsdauer von Regierungschefs kann ein Weg sein, die Erneuerung der politischen Eliten zu befördern, meint Klaus Wallbaum.
Gleich vorweg eine Klarstellung: Die Amtszeitbegrenzung für Ministerpräsidenten der Länder ist eine gute Idee – man sollte aber daraus kein Dogma machen und eine klare Trennlinie zu anderen Bereichen ziehen. Wer anfängt, alte Ideale der Grünen aus ihren Anfangszeiten wieder auferstehen zu lassen, etwa das Rotationsprinzip, schlägt die falsche Richtung ein. Es wäre verkehrt, Höchstzeiten für Abgeordnete einzuführen, wie dies vorher ganz strikt und jetzt eingeschränkt bei den niedersächsischen Grünen noch üblich ist. Natürlich gibt es Abgeordnete, die im Parlament nicht gerade zu den Leistungsträgern gehören und immer dann aufdrehen, wenn es um ihre Wiederwahl im Wahlkreis geht – und diese folglich dann auch noch schaffen. Das sind aber Ausnahmeerscheinungen. Durchaus nicht wenige Mandatsträger im Parlament gewinnen über die Jahre tiefe Einblicke in die politischen Abläufe, sind gut vernetzt und deshalb als Fachleute ihrer Fraktionen und vor allem auch als Kontrolleure der Regierung unverzichtbar. Sie sind umso wertvoller für das Parlament, je länger sie dort aktiv sind.
Davon zu unterscheiden ist nun der Vorschlag einer Höchstgrenze für Ministerpräsidenten. Eine kleine Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Abspaltung von der AfD, hat dies jüngst beantragt – und ist am Nein der anderen Parteien gescheitert. Erfolgversprechender könnte diese Idee in Bayern sein, wo der neugewählte Ministerpräsident Markus Söder vorgeschlagen hat, zwei Wahlperioden (also zehn Jahre) als maximale Amtszeit für Regierungschefs festzulegen. Bis zur Verfassungsänderung wäre noch ein weiter Weg, aber die Bedeutung solcher Initiativen ist immer im Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen zu sehen: Söder wollte wohl einerseits signalisieren, nicht ewig an seinem neu erworbenen Schreibtisch sitzen zu wollen, andererseits sind Rufe nach Amtszeit-Obergrenzen in solchen Zeiten immer auch ein Stückchen Kritik an der Dauerpräsenz von Angela Merkel als Kanzlerin. Als Vorbild werden immer wieder die USA zitiert, wo der Präsident nach zwei Amtsperioden – dort acht Jahren – aufhören muss.
Kritiker meinen, deshalb sei jeder US-Präsident zum Ende der zweiten Amtsperiode eine „lame duck“, eine lahme Ente, weil sein Einfluss zwangsläufig in absehbarer Zeit zum Erliegen kommt. Anhänger dieser Regel erwidern, gerade ein vom Streben nach Wiederwahl befreiter Präsident könne in der zweiten Amtsperiode freier und mutiger entscheiden, da er keine Rücksichten mehr zu nehmen brauche – mit Ausnahme der Tatsache, dass er die Mehrheit im Parlament behalten muss. Beide Sichtweisen halten sich vermutlich die Waage. Da sich das deutsche System aber vom amerikanischen unterscheidet und ein Regierungschef hierzulande viel stärker in das Team seiner Partei, Fraktion und Kabinettsmannschaft eingebunden ist, sind auch die Rückwirkungen einer Amtszeitbegrenzung auf das politische System stärker.
Die Amtszeitbegrenzung für Regierungschefs verspricht neue Impulse und eine Belebung der Politik.
Jeder Ministerpräsident, der nach seiner ersten Wahlperiode die Wiederwahl anpeilt, muss gleich für die Zeit danach vorbeugen: Er muss sein Kabinett und seine Führungsmannschaft so auswählen, dass sich dort schon ein oder mehrere mögliche Spitzenkandidaten für die nächste Landtagswahl herausschälen. Die Aussicht, dass dann das nächste Mal der Ministerpräsident keinesfalls mehr in dieser Funktion antreten kann, stimuliert den Ehrgeiz der Riege von Ministern und Fraktionsvorsitzenden. Das kann die Politik nicht nur lebendiger, sondern womöglich auch besser machen, denn im günstigen Fall wirkt die Amtszeitbegrenzung als Ansporn für Politiker, ihre Fähigkeit in der Staatskunst wirklich unter Beweis zu stellen – mit abgewogenen und klugen Entscheidungen, mit gutem Gespür für die Sorgen und Nöte der Leute und mit der Gabe zu überzeugender Repräsentation und guten Reden.
Natürlich kann man die Gefahr nicht leugnen, dass sich alles negativ entwickelt und in der zweiten Amtszeit eines Ministerpräsidenten das Hauen und Stechen um die Nachfolge einsetzt, ein lähmender Machtkampf wäre sicher nicht zum Wohl des Landes. Aber zum einen drohen solche negativen Entwicklungen unabhängig von der Frage einer Amtszeitbegrenzung, zum anderen würde ein übertriebenes Gegeneinander der Akteure unangenehm auffallen und die Wahlchancen der Akteure in jedem Fall schmälern.
Die Amtszeitbegrenzung für Regierungschefs verspricht neue Impulse und eine Belebung der Politik, sie vermindert auch die Gefahr, dass ein allzu starker und einst mit glänzenden Wahlergebnissen ausgestatteter Ministerpräsident oder Kanzler die Zeichen der Zeit übersieht und sich allmählich für unersetzbar hält. Es hat Beispiele gegeben: Helmut Kohl, (16 Amtsjahre), Kurt Biedenkopf in Sachsen (zwölf Amtsjahre), Georg-August Zinn in Hessen (19 Amtsjahre) und Wilhelm Kaisen in Bremen (20 Amtsjahre), um nur einige zu nennen. Deshalb sollte auch der Landtag in Hannover solchen Überlegungen aufgeschlossen gegenübertreten.
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CONTRA: Wer die Amtszeitbegrenzung fordert, traut Parteien und Fraktionen nicht mehr zu, Prozesse der Erneuerung selbst zu meistern. Dabei sind gerade diese Prozesse ein wesentlich besserer Weg als eine politischer Reset-Taste, meint Martin Brüning.
„Sie sind seit mehr als zehn Jahren Audi-Chef. Können Sie sich beruflich nicht auch mal etwas anderes vorstellen?“ fragte die „Welt am Sonntag“ gestern den Chef des Autobauers, Rupert Stadler. Der antwortete: „Warum denn?“ Er habe noch viel vor. Und er sei auch aufgrund des Abgasbetrugs nicht zurückgetreten, weil er Verantwortung übernommen habe. Zudem habe er den Aufsichtsrat hinter sich. Würde man die Amtszeitbegrenzung auf Unternehmen übertragen, wäre für Stadler jetzt Schluss. Die Scherben der Abgasaffäre könnten andere wegkehren. Wäre dadurch etwas gewonnen? Vielleicht.
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Natürlich gibt es immer gute Gründe, nicht nur die Macht selbst, sondern auch den Zeitraum der Macht einzuschränken. Dafür gibt es entsprechende Beispiele in der Bundespolitik. „…wir haben nicht alles erreicht. Ich würde sogar weitergehen und würde sagen, wir haben vieles noch nicht erreicht“, sagte Bundeskanzler Konrad Adenauer in seiner Abschiedsrede vor dem Bundestag. Als Beispiel nannte er die Wiedervereinigung. Genauso gut hätte er aber auch sagen können, er habe nicht erreicht, Ludwig Erhard als Kanzler zu verhindern. Denn genau dieser kleinkarierte Kampf gegen den möglichen Nachfolger zeichnete die letzten blassen Jahre von Adenauers Kanzlerschaft aus. Über 30 Jahre später erlebte Deutschland die bleierne Zeit der letzten Amtsjahre von Bundeskanzler Helmut Kohl. Auch jemand, der nicht rechtzeitig den Absprung geschafft hatte. Und im 13. Jahr der Kanzlerschaft von Angela Merkel gibt es Anzeichen eines Überdrusses, der nicht nur in den Äußerungen von Populisten, sondern zum Beispiel in den schwierigen Koalitionsverhandlungen deutlich wurde. Auch auf Landesebene war die zweite Amtszeit von Christian Wulff von einer immer stärker werdenden Unlust des damaligen Ministerpräsidenten gekennzeichnet, dem die Landespolitik zu klein geworden war und der sich zu Höherem berufen fühlte.
Trotz dieser Beispiele überwiegen die Argumente, die gegen eine Begrenzung der Amtszeit sprechen. Zunächst einmal könnten sogar zwei Worte genügen: Donald Trump. In den USA wurde schließlich sichtbar, dass die Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten nicht automatisch zu einem würdigen und fähigen Nachfolger führt. Bereits vor Trump wurde die Schwäche des System wieder einmal sichtbar. Barack Obama selbst wollte in seiner zweiten Amtszeit zwar keine sogenannte „lame duck“ werden, enttäuschte aber dennoch. Während sich Deutschland kürzlich sorgte, dass es durch das monatelange Hinziehen von Koalitionsverhandlungen ein halbes Jahr lang nicht richtig regiert werde, beträgt die „lame duck“-Phase in den USA am Ende der zweiten Amtszeit sogar zwei Jahre. 24 Monate, in denen der Präsident eher auf Abschiedstour und ein Aufbruch nicht mehr möglich ist. Diese politische Blockade ist angesichts des gestiegenen Tempos in der Welt und damit auch in der Politik nicht mehr aktuell.
Ein selbstbewusstes Parlament kann selbst Triebfeder einer Erneuerung sein.
Eine personelle Erneuerung würde guttun, argumentieren Befürworter einer Amtszeitbegrenzung gerne. Diese eher gefühlte als validierte Einschätzung stellt die personelle Erneuerung als Selbstzweck dar, was sie aber nicht ist. Durch neue Köpfe gibt es nicht automatisch eine neue Politik, und auch nicht automatisch eine bessere. Es ist auch keineswegs so, dass angeblich machtgierige Politiker durch eine Verfassungsänderung eine zeitliche Sperre benötigen. Schließlich hat der Landtag bereits heute alle Fäden in der Hand. Die regierungstragenden Fraktionen müssen nicht der verlängerte Arm des Ministerpräsidenten sein. Ein selbstbewusstes Parlament kann selbst Triebfeder einer Erneuerung sein.
Wer die Amtszeitbegrenzung fordert, traut Parteien und Fraktionen nicht mehr zu, Prozesse der Erneuerung selbst zu meistern. Dabei sind gerade diese Prozesse ein wesentlich besserer Weg als eine politischer Reset-Taste, die mit der Begrenzung betätigt würde. Beim Computer ist dies nur nötig, wenn sich das Gerät hoffnungslos aufgehängt hat. Das ist in der Politik in keinem Bundesland der Fall.
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