23. Jan. 2023 · 
Wirtschaft

Solarmodule vor der JVA: In Uelzen wird jetzt auch die Sonne eingefangen

Die neue Solaranlage vor der JVA Uelzen besteht aus mehr als 12.000 Modulen und hat eine Gesamtfläche von 30.000 Quadratmetern. | Foto: Solarpraxis Engineering GmbH

Strafvollzug trifft auf Energiewende: Auf dem Gelände der JVA Uelzen wird ab sofort nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch Solarstrom im großen Stil produziert. „Bei Justizvollzugsanstalten geht es meistens um hohe Mauern und Sicherheit. An Stromerzeugung denken da wohl die wenigsten, aber das ändert sich heute“, kommentierte Justizministerin Kathrin Wahlmann gestern die Inbetriebnahme der vier Fußballfelder großen Freiflächen-Photovoltaikanlage. Die SPD-Politikerin lobt das niedersachsenweit bislang einzigartige Projekt als Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Die Stadtwerke Uelzen können mit dem „Sonnenkraftwerk an der JVA“ jeden zehnten Haushalt der Hansestadt mit Ökostrom versorgen und das Land Niedersachsen profitiert von Pachteinnahmen. Darüber hinaus ist auch die Haftanstalt noch sicherer geworden, denn rund um die Photovoltaikanlage vor den Gefängnismauern steht nun ein zweieinhalb Meter hoher Zaun mit Übersteigschutz und Stacheldraht. „Wir stehen gerne für die Planung und den Bau von weiteren PV-Anlagen an unseren Liegenschaften zur Verfügung“, sagt Wahlmann. Etwa 100 weitere Immobilien des Justizministeriums kämen theoretisch für ähnliche Projekte infrage. Vergleichbar große Freiflächen dürften allerdings nur an wenigen Standorten wie etwa bei den JVAs Sehnde oder Rosdorf am Stadtrand von Göttingen zu finden sein. Solaranlagen auf den Dächern seien dagegen auf einem Großteil der Justizgebäude möglich.

Gerald Heere und Kathrin Wahlmann lassen sich von Henry Goltz, Leitung Energieerzeugung bei den Stadtwerken Uelzen, die neue Freiflächensolaranlage vor der Justizvollzugsanstalt erklären. | Foto: Link

„Auf Dachflächen hat das Land eine Vielzahl von Möglichkeiten“, bestätigt auch Finanzminister Gerald Heere (Grüne). Er will aber nicht nur auf den Liegenschaften des Landes nachrüsten, sondern auch die Stellplatzflächen rund um die Gebäude für den Bau von Solaranlagen in den Fokus rücken. Als Ziel gibt Heere aus, dass bis 2035 alle rund 5.500 Landesimmobilien klimaneutral werden sollen. Das sei nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für den niedersächsischen Haushalt. „Sonne und Wind schicken uns keine Rechnungen“, sagt der Finanzpolitiker. Zudem beziffert er die CO2-Einsparungen pro Jahr auf mehr als 2,5 Millionen Kilogramm. Die Umsetzung der Ökostrom-Projekte soll durch Pacht-, Leasing- oder Contracting-Modelle „mit erfahrenen Partnern“ vor Ort erfolgen. Eine derartige Zusammenarbeit gebe es nicht nur bereits mit den Stadtwerken Uelzen, sondern auch mit dem hannoverschen Energieversorger Enercity. Als nächste Region, die von der Photovoltaikoffensive des Landes profitieren soll, nennt Heere den südlichen Nordwesten von Niedersachsen. Dazu zählen die Landkreise Emsland, Cloppenburg, Oldenburg, Vechta, Grafschaft Bentheim und Osnabrück sowie die Städte Oldenburg und Osnabrück. Anschließend sollen nach und nach auch die anderen Regionen des Landes folgen.

Bürgermeister Jürgen Markwardt will Uelzen bei Photovoltaik und Elektromobilität zum Vorreiter machen. | Foto: Link

Währenddessen treibt die Stadt Uelzen ihre eigene Solaroffensive voran. „Dort, wo es möglich ist und wo es sich rechnet, packen wir jetzt Solaranlagen drauf“, erläutert Bürgermeister Jürgen Markwardt (parteilos) die Strategie in seiner gewohnt gradlinigen Art. Nach dem klimafreundlichen Umbau des Uelzener Theaters, das jetzt mit PV-Anlage und Solarspeicher ausgestattet ist, sei das „Joint-Venture“ an der JVA dabei ein weiterer Meilenstein. Die Einweihung einer Freiflächenphotovoltaikanlage bezeichnet Markwardt zwar als „nichts ganz Besonderes mehr“. Die Zusammenarbeit zwischen dem Land und den Stadtwerken, die eine hundertprozentige Tochter der Hansestadt sind, sei aber durchaus ein Alleinstellungsmerkmal. „Die Klimaziele müssen zwar weltweit umgesetzt werden, aber wir in Deutschland müssen dabei eine Vorreiterrolle einnehmen. Und die muss kommunal ausgestaltet werden“, sagt Markwardt.

„Auch ein ÖPP-Projekt kann sehr viel Geschwindigkeit, Entscheidungswillen und Mut zeigen“, sagt Stadtwerke-Chef Markus Schümann. Innerhalb von nur vier Monaten wurden in Uelzen insgesamt 12.033 Solarmodule auf einer Fläche von 30.000 Quadratmetern aufgebaut und 70.000 Meter Spannnungskabel verlegt. | Foto: Link

Stadtwerke-Geschäftsführer Markus Schümann hat ebenfalls ambitionierte Ziele für die Hansestadt. „Wir wollen bei der Energiewende schneller sein als alle anderen“, sagt der bekennende Lokalpatriot, der Uelzen zum Ökostrom-Exporteur machen will. „Zu gewissen Phasen speisen wir bereits jetzt schon mehr Energie ins Netz ein als wir verbrauchen. Das wollen wir ausbauen“, so Schümann. Das Unternehmen will spätestens im Jahr 2030 jeden Haushalt in Uelzen mit Ökostrom beliefern können. Die sechs Millionen Kilowattstunden Strom, die pro Jahr von der neuen Solaranlage erzeugt werden, sind dabei ein großer Schritt nach vorne. Die anderen Erneuerbaren Energieträger will der Stadtwerke-Chef aber nicht vernachlässigen. Insbesondere die Potenziale für Geothermie in der Region möchte Schümann mithilfe einer neuen Machbarkeitsstudie offenlegen, da in Uelzen noch immer vor allem mit Gas geheizt wird. „Wir haben es uns zur Hausaufgabe gemacht, verstärkt die lokalen Projekte zu identifizieren, mit denen wir die Energie und Wärme voranbringen können“, sagt Schümann.

Unter den Mittelstädten sieht sich Uelzen bereits als heimliche Hauptstadt der Elektromobilität. „Wir werden bundesweit den ersten komplett elektrischen Stadtbusverkehr haben“, sagt Schümann stolz. Der Umstieg soll innerhalb der nächsten Wochen erfolgen. Die sechs Ringlinien der Hansestadt werden dann von insgesamt acht Elektrobussen abgefahren. „Die Fördermöglichkeiten waren sehr gut, dadurch kann man sowas umsetzen“, sagt Bürgermeister Markwardt. Die Kosten für den ÖPNV-Betrieb sind trotzdem ein dicker Batzen im Haushalt der noch vor zehn Jahren schwer verschuldeten Kommune. Innerhalb von nur wenigen Jahren seien die jährlichen Ausgaben von 250.000 auf 1,7 Millionen Euro gestiegen. „Für eine Stadt wie Uelzen ist das viel, aber uns ist es das wert“, sagt der frühere Stadtkämmerer, der seit 2014 die Stadtverwaltung leitet. Mit zehn Schnellladesäulen im Stadtgebiet sei Uelzen auch bei den Lademöglichkeiten für den elektrischen Individualverkehr im Vergleich mit den Kommunen weit vorne mit dabei. „Das ist ein Erfolgsmodell, das sich auch darin zeigt, dass die Zulassungszahlen für Elektroautos bei uns deutlich höher sind als im Rest der Bundesrepublik“, sagt Schümann.

Feiern die Inbetriebnahme der neuen PV-Anlage (von links): Bürgermeister Jürgen Markwardt, Justizministerin Kathrin Wahlmann, Finanzminister Gerald Heere, Susanne Jacob von der JVA Uelzen und Stadtwerke-Geschäftsführer Markus Schümann. | Foto: Link
Dieser Artikel erschien am 24.1.2023 in Ausgabe #012.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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