Seit 2004 ist Raoul Hille Geschäftsführer des Flughafens Hannover. Mit Martin Brüning vom Politikjournal Rundblick sprach Hille darüber, worauf sich Passagiere in den nächsten Wochen und Monaten einstellen müssen, wie die Corona-Krise das Ergebnis des Flughafens Hannover negativ beeinflusst und wie der Flughafen auf die fehlenden Einnahmen reagieren will.

Text – Foto: Foto: Hannover Airport, Hannover Marketing & Tourismus GmbH

Rundblick: Die Corona-Krise hat die Flughäfen mit voller Wucht getroffen. Wie ist die Situation am Flughafen Hannover in diesen Tagen?

Hille: Wir haben in den vergangenen Wochen nie vollständig zugemacht und konnten nach wie vor an sieben Tagen pro Woche uneingeschränkt angeflogen werden. Es kamen ja zum Beispiel auch Rettungsflieger oder Flugzeuge mit Schutzausrüstung und andere Frachtmaschinen. Dies zeigt auch die hohe Systemrelevanz von Flughäfen. Allerdings war der Verkehr der klassischen Linien nahezu eingeschlafen. Es gab Tage, da hatten wir gar keine oder nur 50 bis 80 Passagiere hier am Flughafen. Jetzt geht es aber langsam wieder los. Die Lufthansa fliegt nach und nach innereuropäische Ziele wieder an. Und der Flugverkehr in die Urlaubsdestinationen wie zum Beispiel in die Türkei oder den Mittelmeerraum beginnt voraussichtlich wieder im Juni, allerdings noch nicht in vollem Umfang. Es wird sicherlich noch bis zwei bis drei Jahre dauern, bis wir das alte Verkehrsniveau aus dem vergangenen Rekordjahr 2019 wieder erreichen werden. Ohne Corona wäre 2020 wieder ein neues Rekordjahr geworden.

Rundblick: Wenn es jetzt wieder losgeht, müssen sich die Passagiere auf Veränderungen einstellen. Welche Hygienemaßnahmen kommen auf Flugreisende zu?

Hille: Zunächst muss man sagen, dass ein Flugzeug so ziemlich die sauberste Räumlichkeit ist, in der man sich aufhalten kann – gesünder und sauberer als ein Restaurant- oder Friseurbesuch. Im Flugzeug arbeiten hochwirksame Filter, die Bakterien und Viren aus der Umgebungsluft herausfiltern und je nach Einstellung der Klimaanlage die gesamte Luft in der Passagierkabine innerhalb weniger Minuten komplett austauschen. Die Airlines müssen aber sicherstellen, dass die Klimaanlage auch am Boden weiterläuft. Wenn dann auch noch Passagiere und Personal Mund-Nasen-Bedeckungen tragen, dann  ist das Fliegen viel sicherer als jeder Spaziergang am Sonntagnachmittag um den Maschsee in Hannover.

Es gab Tage, da hatten wir gar keine oder nur 50 bis 80 Passagiere hier am Flughafen. Jetzt geht es aber langsam wieder los.

Rundblick: Allerdings sind die Passagiere nicht nur im Flugzeug, sondern vorher auch am Flughafen unterwegs.

Hille: Dann schauen wir uns einmal den Weg eines Passagiers an, der das Terminal betritt. Beim Betreten sieht er, dass Mund-Nasen-Bedeckungen verpflichtend sind, er sieht Abstandsmarkierungen und wird durch mehrsprachige Lautsprecherdurchsagen und Videos informiert. Das Personal beim Check-in sitzt hinter Spuckschutzwänden. Die Abstände sollen eingehalten werden, allerdings gibt es wie zum Beispiel in Bussen und Bahnen bei der Anreise Situationen, in denen dieser Mindestabstand einmal unterschritten werden muss und kann. Das kann zum Beispiel beim Boarding oder der Sicherheitskontrolle sein. Dafür gibt es aber den Mund-Nasen-Schutz. Ich gehe fest davon aus, dass die Passagiere und die Mitarbeiter das ernst nehmen, es gibt eine entsprechende Sensibilität. Und wir wollen allen auch den Eindruck vermitteln: Wir haben uns Gedanken macht, es ist hier nach allem, was man jetzt weiß, sicher. Wir sind „ready for startup“, wie man in der Branche sagt.

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Rundblick: Es wird auch wieder Zeit, denn die Flughäfen haben durch die Corona-Krise viel Geld verloren. Wie schmerzhaft war es für den Flughafen Hannover?

Hille: Die gesamte Luftfahrt wurde hart getroffen. Den 22 internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland, zu denen auch Hannover gehört, fehlt jeden Monat eine halbe Milliarde Euro Umsatz. Das bedeutet monatlich insgesamt 170 Millionen Euro Verlust, und da sind wir als Hannover Airport mit etlichen Millionen dabei. Wir werden in diesem Jahr voraussichtlich einen mittleren zweistelligen Millionenverlust hinnehmen müssen, das hat es so noch nie gegeben. Als Unternehmen sind wir in der glücklichen Lage, das laufende Geschäftsjahr mit unseren regionalen Hausbanken durchfinanziert zu haben. Damit ist der Verlust nicht verschwunden, aber die Liquidität ist sichergestellt. Wir schaffen das mit eigenen Kräften und brauchen keine öffentlichen Gelder. Allerdings wird uns das in den Folgejahren noch begleiten, schließlich haben wir Schulden erhöht und Investitionen reduziert.

Rundblick: Worauf stellen Sie sich in den kommenden Jahren ein? Wie können Sie die Verluste aufholen?

Hille: Wir müssen unter anderem die Investitionen und die laufenden Ausgaben den Möglichkeiten anpassen. Es wird nicht ausbleiben, dass wir die eine oder andere Maßnahme vielleicht streichen oder zeitlich strecken und in die Zukunft verschieben. Und wir werden uns natürlich auch genau die Personalkosten anschauen. Die Kurzarbeit ist ein sehr gutes Instrument, um die Mitarbeiter in Beschäftigung zu halten. Hier würde ich mir von der Politik wünschen, den gesetzlichen Bezugszeitraum zu verlängern. Das würde uns die Möglichkeit eröffnen, das Instrument für zehn oder 20 Prozent der Mitarbeiter auch nach Ablauf der zwölf Monate noch etwas nutzen zu können, weil die Verkehrszahlen nicht sofort wieder das alte Niveau erreichen werden. Das hat viele Gründe. Einige Airlines werden es vielleicht nicht durch die Krise schaffen, andere reduzieren ihre Flottengröße und auch die Nachfrage durch Passagiere könnte geschwächt aus der Krise hervorgehen.

Wir werden in diesem Jahr voraussichtlich einen mittleren zweistelligen Millionenverlust hinnehmen müssen.

Rundblick: Möglicherweise schafft es auch nicht jeder Flughafen durch die Krise, gerade finanziell schwächer aufgestellte Regionalflughäfen könnten ins Schlingern geraten. Rechnen Sie mit einer Marktbereinigung?

Hille: Ich würde dringend davon abraten, Flughäfen in Frage zu stellen. Es gibt weltweit keine Metropolregion von Rang ohne einen Flughafen. Die verkehrliche Erreichbarkeit durch die Luft ist Voraussetzung für die Ansiedlung bestimmter wirtschaftlicher Strukturen. Das gilt gerade in Deutschland, wo es dezentrale Metropolregionen gibt, die auch aus der Luft erreichbar sein müssen. Niemand wird angesichts krisenbedingt zurückgehender Fahrgastzahlen bei der Bahn jetzt die Frage stellen, ob man nicht einmal 30 oder 40 Hauptbahnhöfe dichtmachen sollte. Die sind alle nicht wirtschaftlich. Trotzdem kommt niemand auf die Idee, sie zu schließen. Die Flughäfen wird man für den wirtschaftlichen Aufschwung dringend benötigen.