Es hätte das große Projekt ihrer Amtszeit sein können, doch Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) wird die Pläne der sogenannten Borchert-Kommission am Ende doch nicht mehr umsetzen. Klöckner lässt zwar viel Papier beschreiben, konkrete Finanzierungszusagen oder Planungssicherheit für die Landwirtschaft gibt es aber nicht. Dabei ist das Ziel eigentlich klar definiert: In einem überschaubaren Zeitraum von knapp 20 Jahren soll der gesamte Nutztiersektor in Deutschland auf ein signifikant höheres Tierwohl-Niveau gehoben werden. Um dieses Ziel zu erreichen, schlägt das extra dafür eingerichtete Expertengremium unter Leitung des früheren Agrarministers Jochen Borchert (CDU) vor, den Umbau der Nutztierhaltung staatlich zu lenken – denn der Markt allein werde es nicht richten können.

Mehr Platz und ein besseres Leben – die Politik streitet über den Umbau der Nutztierhaltung – Foto: Peopleimages / Getty Images

Die Politik müsse dabei zwei Dinge tun: Zum einen soll die Bundesregierung Verträge mit einzelnen Landwirten abschließen, die ihnen Förderung und Bestandsschutz für einen ausreichend langen Zeitraum zusichern, damit sich Investitionen in den tierwohlgerechten Umbau von Ställen auch lohnen. Zum anderen soll die Politik zeitgleich die rechtlichen Vorgaben zum Um- und Neubau von Stallanlagen so anpassen, dass die Landwirte auch zeitnah Genehmigungen für ihre Vorhaben erhalten.

Zur Finanzierung schlug die Kommission eine Form von Tierwohlabgabe vor. Eine Machbarkeitsstudie skizzierte dazu drei mögliche Optionen: eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, eine Verbrauchssteuer auf tierische Produkte oder eine Art „Fleisch-Soli“. Das Thünen-Institut in Braunschweig erarbeitete schließlich eine Folgenabschätzung. Die Experten stützten den groben Kurs, erklärte allerdings auch ganz klar: „Ohne Tierwohlkennzeichnung wird eine Transformation nicht gelingen.“

Otte-Kinast sieht „dringenden Handlungsbedarf“

An drei wesentlichen Stellschrauben (Finanzierungskonzept, Baurecht, Tierwohllabel) müsste also gedreht werden. Das ginge in einem Gesamtpaket, oder auch in einzelnen Schritten. Doch weder das eine noch das andere war bislang erfolgreich. Das unter anderem einhellig von Niedersachsen geforderte Tierwohllabel scheiterte erst kürzlich auf Bundesebene. Im Bundesrat hat Niedersachsen nun immerhin eine Initiative zur Änderung des Baurechts angestoßen.


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Doch Landesagrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) ist mit dem zögerlichen Agieren ihrer Kollegin im Bund nicht zufrieden. „Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf“, erklärte die Ministerin gegenüber dem Politikjournal Rundblick. „Welche Umsetzungsstrategie zu den Empfehlungen des Kompetenznetzwerks wird verfolgt? Welcher Zeitplan ist geplant? Auf diese Fragen erwarten wir zügige Antworten – auch über die geplanten Förder- und Finanzierungsmaßnahmen des Bundes. Unsere Landwirte brauchen Planungssicherheit.“

Klöckner setzt auf „massives Momentum“

Klöckner spricht derweil von einem „massiven Momentum“, das sie in dieser Legislaturperiode für den Umbau der Nutztierhaltung erzeugt habe. Kritiker werfen ihr jedoch vor, eine Entscheidung hinausgezögert zu haben. Dass das Parlament nicht entschieden habe, liege an dem Beratungsbedarf der Regierungsfraktionen, erklärte sie und rief die Angelegenheit zum Wahlkampfthema aus: Keine Partei komme jetzt noch darum herum, sich in ihrem Wahlprogramm zu den Vorschlägen der Borchert-Kommission zu positionieren. Inzwischen haben die im Bundestag vertretenen Parteien ihre Programme vorgestellt – hat Klöckner recht behalten?


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Einen eindeutigen Verweis auf die Borchert-Kommission findet man erwartungsgemäß nur im Programm der Unionsparteien. Man wolle „Investitionen in Tierwohl fördern“, heißt es darin. Zu diesem Zweck solle ein „Tierwohlstall-Fördergesetz“ beschlossen werden. Was genau dieses Gesetz beinhalten soll, bleibt jedoch offen. Explizit wird geschrieben, dass das Finanzierungsmodell über staatliche Verträge abgesichert und den Landwirten Planungssicherheit gewährleistet werden soll. Für welches der drei Finanzierungsmodelle sich die Unionsparteien aussprechen, bleibt derweil unklar. Darüber hinaus wollen CDU und CSU die Investitionsbereitschaft der Landwirte steigern, indem sie bei neuen Ställen einen Bestandschutz von 15 Jahren garantieren.

Weniger ausführlich äußert sich die SPD. In dem Kapitel „Natur respektieren“ ihres Wahlprogramms schreiben die Sozialdemokraten lediglich, dass zur Verbesserung des Tierwohls eine „flächenbezogene Obergrenze“ eingeführt werden soll.

FDP: Widerspruch zwischen Tierwohl und Immissionsschutz klären

Die FDP setzt auf verlässliche Rahmenbedingungen, um die Landwirte zu Investitionen zu bewegen. Zudem sollen Widersprüche etwa zwischen Tierwohl auf der einen und Immissionsschutz auf der anderen Seite aufgelöst werden. Auch die AfD äußert sich zur Tierhaltung der Zukunft: „Artgerechte Haltungssysteme“ sollen gefördert werden, die Tierhaltung soll an die Fläche gekoppelt werden. Zum Umbau von Ställen fordert die AfD lediglich, dass solche Maßnahmen, die Umwelt- und Tierschutz verbessern, „innerhalb von drei Monaten und mit weniger Auflagen genehmigt werden müssen.“

Bei der Linken wird von einem „sozial gerechten Umbauprogramm“ geschrieben, wobei die konkrete Ausgestaltung auch hier offenbleibt. Die Nutztierhaltung solle zudem „tiergerecht und flächengebunden“ sein und sich an der heimischen Nachfrage orientieren – eine klare Absage an die Exportorientierung der deutschen Landwirtschaft. Die Linke fordert in ihrem Programmentwurf außerdem eine Bestandsobergrenze für Regionen und Standorte – aber nicht etwa für die Belegung der Ställe.

Grüne: Weniger Tiere, mehr Platz

Die Grünen gehen bei ihren Plänen zum Umbau der Nutztierhaltung noch weiter als die anderen Parteien. Als oberste Prämisse geben sie aus, dass die Anzahl der Tiere reduziert werden muss. Das übriggebliebene Rind, Schwein, Schaf und Geflügel soll dann „mehr Platz, Auslauf im Freien und Beschäftigung“ bekommen, um ein „besseres Leben“ zu haben. Die Förderung des tierwohlgerechten Umbaus von Ställen soll nach Ansicht der Grünen über einen Tierschutz-Cent auf alle tierischen Produkte finanziert werden. Damit sind sie die einzigen, die sich konkret auf ein Finanzierungsmodell festlegen. Allerdings erklären die Grünen auch, dass sie den „tiergerechten und brandsicheren Umbau von Ställen“ zum Standard machen wollen – was womöglich eine staatliche Förderung ausschließen könnte.

Beim staatlichen Tierwohllabel gibt es derweil zwei Lager: Die Unionsparteien wollen eine „verpflichtende europäische Haltungs-/Tierwohlkennzeichnung“, die FDP nennt es ein „einfaches, transparentes und verpflichtendes Tierwohllabel in der gesamten Europäischen Union“, auch die Tierschutzstandards sollen demnach mittelfristig europaweit einheitlich geregelt werden. Bei SPD und Grünen verzichtet man allerdings auf die europäische Lösung und fordert die Einführung eines „verpflichtenden staatlichen Tierwohllabels mit nachvollziehbaren Regeln“ (SPD) beziehungsweise einer „verpflichtende Haltungskennzeichnung für tierische Produkte“ (Grüne).

Beim Ziel ist man sich also einig, unklar bleibt es aber wie so häufig bei den Details. Im Sinne der Landwirtschaft und des Tierwohls wäre jede neue Bundesregierung wohl gut beraten, sich bereits im Koalitionsvertrag auf ein Modell zu verständigen, den langwierigen Beratungsprozess endlich zu beenden und mit dem Umbau der Nutztierhaltung zügig zu beginnen.

Von Niklas Kleinwächter