Darum geht es: Nach dem Ergebnis der Landtagswahl steht fest, dass die CDU seit Juli in der Stimmungslage erheblich verloren hat. Dies geschah vorwiegend aus eigenen Fehlern, schreibt Klaus Wallbaum in seinem Kommentar.

Lag es an der schwindenden Popularität von Angela Merkel – oder doch an hausgemachten Fehlern im CDU-Landesverband? Zu nennen sind sieben Gründe für die klare, noch vor wenigen Wochen unwahrscheinliche Niederlage der Christdemokraten am gestrigen Sonntag.

„Keinen Grund, jetzt in Sack und Asche zu gehen“: Bernd Althusmann – Foto: KW

Die CDU hat zu lange abgewartet

Der Landesverband hoffte von Anfang an auf Rückenwind von der Bundespartei, er vertraute zu lange auf die Beliebtheit von Angela Merkel. Deshalb verzichtete man darauf, vor der Bundestagswahl mit der landespolitischen Debatte zu beginnen – selbst dann noch, als mit dem vorgezogenen Landtagswahltermin klar wurde, wie knapp die Zeit für den Wahlkampf bemessen sein würde. In der irrigen Annahme, die Leute interessierten sich nicht für die Landespolitik, verzichtete man darauf, die gravierenden Defizite der rot-grünen Leistungsbilanz, etwa in der Schulpolitik oder im Vorgehen gegen den Terrorismus, den Menschen bewusst zu machen.

Die CDU hat den Team-Gedanken vernachlässigt

Von Anfang an war klar, dass Bernd Althusmann als Vorsitzender ohne Landtagsmandat sich eng mit der Spitze der Landtagsfraktion abstimmen muss, dass Fraktion und Partei an einem Strang ziehen müssen. Doch Althusmann wirkte monatelang wie ein einsamer, eigenbrötlerischer Einzelkämpfer, die Abstimmungsprobleme wurden mehrfach sogar öffentlich. Kommunikation war nicht seine Stärke, darunter litt auch intern sein Durchsetzungsvermögen. Mindestens dreimal lud die Parteizentrale zu einer Pressekonferenz ein, während die Landtagsfraktion in Sitzungen der Untersuchungsausschüsse zusammen mit der FDP die Chance witterte, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Diese Koordinationspannen vergrößerten das Spannungsverhältnis zwischen dem Spitzenkandidaten und den engagierten Mitgliedern der Landtagsfraktion.

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Die CDU hat viele Leistungsträger vergrätzt

Althusmann hatte früh und ohne große Not angekündigt, die Hälfte seiner Schatten-Mannschaft mit Frauen zu besetzen. Schon da war klar, dass es zu viele starke ministrable Männer in der Landtagsfraktion gibt, die er bei einer 50-50-Quote übergehen müsste. Trotzdem hielt er daran auch dann noch fest, als sich ihm nach der Vordatierung der Landtagswahl die Chance bot, das Team auf wenige starke Personen zu verkleinern. Ganz am Ende erkannte der Spitzenkandidat den Fehler und vergab an nicht berücksichtigte Parteifreunde noch rasch Posten und Sonderposten, sodass sein Team viel zu groß und unübersichtlich wurde. Er hat die Leute auch viel zu spät nominiert und bot den Schatten-Ministern kaum noch Gelegenheit, sich in öffentlichen Streitgesprächen mit den Ministern bekannt zu machen.

Die CDU blieb im Fall Twesten viel zu defensiv

Nach dem Übertritt der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU und dem folgenden Bruch der rot-grünen Landtagsmehrheit ließ die CDU es zu, dass die SPD eine verzerrte Darstellung verbreitete: Die CDU habe Twesten „gekauft“, um Rot-Grün zu stürzen. Statt dieser ausgedachten Dolchstoßlegende offensiv zu begegnen und darauf hinzuweisen, dass Fraktionsübertritte in Deutschland völlig normal sind, das freie Mandat einen hohen Wert hat und Twestens Übertritt Folge eines fehlenden Zusammenhalts von Rot-Grün ist, schwieg die CDU – in der Hoffnung, der Fall Twesten werde rasch vergessen werden. Erst im Fernsehduell setzte sich Althusmann klar und überzeugend mit den SPD-Behauptungen auseinander. Doch das geschah viel zu spät, da sich die von der SPD ständig wiederholte Dolchstoßlegende schon in vielen Köpfen verfestigt hatte.

Der CDU-Spitzenkandidat hatte keine schlüssige Wahlkampfstrategie

Erst verzichtete Althusmann monatelang darauf, sich über Kampagnen öffentlich bekannt zu machen. Später dann reiste er im Land umher, ohne aber auf die Öffentlichkeitswirksamkeit seiner Auftritte zu achten. In Hannover machte er sich lange Zeit rar, während sein Gegner Stephan Weil nichts unversucht ließ, die Multiplikatoren wie Journalisten oder Verbandsvertreter zu umgarnen. Lange wirkte Althusmann verschlossen und versteinert, ihm fehlten im Unterschied zum zugewandten Weil Lockerheit und Humor in öffentlichen Auftritten. Das änderte sich erst beim Fernsehduell – also sehr spät. Bemerkbar machte sich, dass dem CDU-Spitzenkandidaten die Kommunikationsprofis fehlten, die bei einem solchen Wahlkampf unverzichtbar sind. Er galt in der CDU als ein Mann einsamer Entscheidungen an der Spitze eines ausgedünnten, überforderten Stabes.

Die CDU-Landesgeschäftsstelle ist in Routine erstarrt

CDU-Generalsekretär Ulf Thiele und Landesgeschäftsführer Christian Meyer sind erfolgreiche Wahlkämpfer, sie kennen sich gut aus. Doch beide sitzen schon zu lange auf ihren Positionen. Für sie sind Wahlkämpfe mehr gewohnte Abläufe als große Herausforderungen. Das ist in der SPD anders, wo Landesgeschäftsführer Georg Brockmeyer als Kampagnenleiter seinen Ehrgeiz darin sah, mit einem besonders engagierten Wahlkampf auf seine Leistungsfähigkeit aufmerksam zu machen. Brockmeyers Enthusiasmus wirkte in der SPD ansteckend – auch auf den Spitzenkandidaten Weil. In der CDU jedoch wollte sich eine Aufbruchstimmung bis zuletzt nicht richtig einstellen.

Die CDU hat versäumt, ihren Teil zur politischen Entspannung beizutragen

Seit Jahren ist das Klima zwischen den Blöcken im Landtag (Rot-Grün hier, Schwarz-Gelb dort) vergiftet. Das liegt vor allem am Gegeneinander zwischen den Fraktionsspitzen, besonders denen von CDU und SPD. Hätte die CDU Althusmanns Start 2016 mit mehr Geschmeidigkeit und Brückenbauen verknüpft, wären jetzt womöglich auch Bündnisse wie Jamaika wahrscheinlicher.

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