Was beachtet werden muss, wenn wir weitere Windräder bauen lassen
Derzeit ist rund ein Prozent der Fläche Niedersachsens für neue Windkraftanlagen vorgesehen, und mit dem neuen Landesraumordnungsprogramm (LROP) soll der Anteil auf 2,1 Prozent verdoppelt werden. Das heißt: Künftig werden die großen Windkraftanlagen auch an solchen Orten gebaut werden, die bisher dafür noch tabu waren – im Wald etwa, verstärkt entlang von Autobahnen oder auch in Industriegebieten und in der Nachbarschaft von Firmenanlagen.
Wie man das durchsetzen kann und was dabei alles zu beachten ist, hat jetzt der Technische Überwachungsverein Nord (TÜV Nord-Group) quasi erprobt. Die Organisation, die sich auf technische Gutachten, Überprüfungen und regelmäßige Kontrollen spezialisiert, hat den Bau von sieben Windkraftanlagen beim Stahlkonzern Salzgitter-Stahl begleitet. Drei von diesen neuen Windrädern entstanden direkt auf dem Betriebsgelände – und bei der Umsetzung gab es jede Menge Sonderbedingungen und -vorschriften zu beachten.
Für Windkraftanlagen gelten besondere Sicherheitsvorschriften
Der TÜV-Sachverständige für Immissionsrecht im Zusammenhang mit Anlagen nach der Störfallverordnung, Hardin Gerlach, berichtet im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick über die Herausforderung bei diesem Projekt. Auslöser war zunächst der Gedanke, in direkter Nachbarschaft zur Stahlproduktion in Salzgitter den „grünen Wasserstoff“ zu erzeugen. So sollte der Bau der Hydrolyse-Anlage von Siemens bereichert werden durch Windkraftanlagen, die dann „grünen“ Strom liefern – also solchen, der über erneuerbare Energien erzeugt wird.
Nun kann noch nicht die Rede davon sein, dass schon ein erheblicher Teil des Strombedarfs beim Stahlwerk über die Windkraftanlagen abgedeckt wird, aber ein Anteil von 30 Megawatt wird es schon sein. Jedes der sieben Windräder bietet eine Leistung von rund 4,2 Megawatt. Jede dieser Anlagen ist 166 Meter hoch, jedes Rotorblatt ist 67 Meter lang und 15 Tonnen schwer. Der Stromfabrikant Avacon betreibt die Anlagen, nach einer Ausschreibung wurde die Firma Vestas ausgewählt.
Anschließend begann der Prozess, an dem der TÜV Nord intensiv beteiligt war. Denn die Stahlfabrik gilt nach der Störfallverordnung als eine hochsensible Anlage, für die besondere Sicherheitsvorschriften gelten müssen. So dürfen herabfallende Eisbrocken im Winter niemanden auf dem Gelände gefährden oder auf eine Halle fallen, in der Eisen gegossen wird. Das gilt auch für den Fall, dass Rotorblätter abbrechen und herabstürzen. Das ist eigentlich bei jeder von solchen Anlagen ein Problem, ein besonderes aber in direkter Nähe eines Stahlwerkes, wo sich Gasleitungen, Walzwerke und Hochöfen befinden.
Verzögerungen beim Anlagenbau: Das ist der eigentliche Grund
Die Planer und der TÜV-Experte wurden sich rasch einig: Damit keine Eisbrocken herunterfallen können, wird eine Abschalteinrichtung installiert, die bei Minusgraden rasch aktiviert werden kann. Automatische Löschvorrichtungen sollen gewährleisten, dass jedes entstehende Feuer sofort wieder erstickt wird. Sicherheits- und Alarmvorgaben sind vorgesehen, damit auch von Ferne eine Anlage schnell außer Betrieb gesetzt werden kann, sobald verdächtige Entwicklungen beobachtet werden.
Gerlach erläutert nicht ohne Stolz, dass die ersten Vorbereitungen des Projektes vor zwei Jahren, im Dezember 2019 begonnen haben. Jetzt würden die sieben Windkraftanlagen bereits seit zwei Monaten in Betrieb sein. Damit werde klar, dass die konkrete Planung, der Bau und die technische Überwachung nicht das Problem sind, wenn es darum geht, möglichst schnell neue Windkraftanlagen zu bauen. Die Verzögerungen treten in der vorgelagerten Phase ein, bei der Auswahl der Standorte und dem Streit darüber vor Ort.
Die Salcos-Klimainitiative, die in Salzgitter entsteht und die Keimzelle für eine CO2-neutrale Stromproduktion der Zukunft sein soll, wird von der Landesregierung massiv unterstützt. Das Ziel ist, an Fördertöpfe des Bundes und der EU heranzukommen. Größere Erfolge hat es hier bisher noch nicht gegeben. Was die Windkraft-Ausbau angeht, hat die neue Bundesregierung auch noch eine Planungsbeschleunigung versprochen – und spannend dürfte dabei werden, ob das auch mit einer Begrenzung der Bürgerbeteiligung einhergehen wird.
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