Sicherheitsbranche warnt: Neuer Plan gefährdet Qualität des Wachschutzes
Deutschland muss noch sicherer werden, meint die Bundesregierung und will den privaten Wachschutz erstmals durch ein Stammgesetz regeln. Doch wenn aus zwei Paragraphen der Gewerbeordnung ein eigenständiges Gesetzeswerk wird, führt das nicht nur zu mehr Bürokratie, sondern droht auch, die ganze Sicherheitsbranche in Schieflage zu bringen. Grund dafür sind die erhöhten Anforderungen an das Wachpersonal, die im Referentenentwurf für das neue Sicherheitsgewerbegesetz (SiGG) des Bundes vorgesehen sind: Unabhängig von der bisherigen Berufserfahrung sollen Sicherheitsmitarbeiter zukünftig immer eine IHK-Sachkundeprüfung vorweisen müssen, wenn sie Flüchtlingsunterkünfte, militärische Liegenschaften oder Objekte der kritischen Infrastruktur bewachen. „Grundsätzlich unterstützt das Sicherheitsgewerbe höhere Standards, aber sie müssen auch umsetzbar sein“, sagt Andreas Segler, Vizepräsident des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) und Geschäftsführender Gesellschafter der Niedersächsischen Wach- und Schließgesellschaft Eggeling & Schorling (NWSG), im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Er warnt davor, dass bei der Umsetzung des aktuellen Gesetzesentwurfs zehntausende Beschäftigte der Sicherheitsbranche ihre bisherige Tätigkeit kurz- oder längerfristig nicht mehr ausüben können.
Allein bei den mehr als 1000 BDSW-Mitgliedsunternehmen, die etwa 80 Prozent des Branchenumsatzes von 13,5 Milliarden Euro erwirtschaften, sind rund 280.000 Mitarbeiter beschäftigt. Davon müssten zirka 60.000 Sicherheitskräfte eine Sachkundeprüfung nachholen – und zwar bis spätestens zwölf Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes. „Aus unserer Sicht ist das gar nicht darstellbar“, sagt Segler. Als Chef von bundesweit mehr als 6000 Mitarbeitern kennt er die Wartezeiten für die Sachkundeprüfung, die derzeit nur für Berufsneulinge verpflichtend ist. Je nach Industrie- und Handelskammer müssten die Beschäftigten zwischen acht Wochen und vier Monaten auf ihren Kursus warten. Auch der Bundesverband Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW) warnt: „In den Flüchtlingsunterkünften müssen künftig 38.000 Sicherheitsmitarbeiter im Besitz einer Sachkundeprüfung sein. Unseres Erachtens ist es in der vorgesehenen kurzen Zeitspanne nicht möglich, eine derartige Zahl von Mitarbeitern auf die Sachkundeprüfung vorzubereiten und zu prüfen.“
BDSW fordert „Alte-Hasen-Regelung“ für bewährte Mitarbeiter
Mit einer Verlängerung der Übergangsfrist allein ist es laut Segler aber nicht getan, er fordert Bestandsschutz für bewährte Sicherheitsmitarbeiter. „Wer seine Tätigkeit über Jahre oder sogar Jahrzehnte beanstandungsfrei ausgeübt hat, der sollte die Sachkundeprüfung überhaupt nicht mehr absolvieren müssen“, sagt der BDSW-Vizepräsident. Das Sicherheitsniveau bei der Bewachung von kritischer Infrastruktur werde sich durch eine „Alte-Hasen-Regelung“, wie sie auch in anderen Branchen üblich ist, nicht verschlechtern – wohl aber durch einen Personalmangel bei den Wachschutzanbietern. Ein Bestandsschutz würde den Unternehmen zudem unnötigen Aufwand und zusätzliche Kosten ersparen, die den personalintensiven Wachschutz weiter verteuern. Segler weist auch darauf hin, dass der Altersdurchschnitt in der Sicherheitsbranche überdurchschnittlich hoch ist. Die Mitarbeiter hätten in der Regel schon seit vielen Jahren keine Prüfung vor einem Gremium mehr absolviert, seien intensives berufsbegleitendes Lernen – und das auch noch in Eigenverantwortung – überhaupt nicht mehr gewohnt. Für sie stehe bei Nichtbestehen der IHK-Prüfung der Erhalt des Arbeitsplatzes auf dem Spiel.
Kritik übt Segler auch an einem anderen Aspekt des Gesetzes: Während für die Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen die Anforderungen deutlich nach oben geschraubt werden sollen, sei die sogenannte Inhouse-Security davon kaum betroffen – selbst in Bereichen mit besonderem Gefährdungspotenzial. Das Bundesinnenministerium argumentiert, dass die Unternehmen mit eigenem Sicherheitsdienst „zu ihrem eigenen Schutz auf Qualität und Zuverlässigkeit des eingesetzten Personals achten“. Das Gleiche gelte aber auch für Sicherheitsfirmen, hält der NWSG-Chef dagegen. Dass für Betriebe, die den Wachschutz selbst organisieren, deutlich niedrigere Sicherheitsstandards gelten, setze die falschen Anreize und schwäche das professionelle Sicherheitsgewerbe. „Wenn es um den Schutz der Allgemeinheit geht, bedarf es keines Unterschiedes, ob die sicherheitssensiblen Tätigkeiten von Mitarbeitern unserer Branche oder von eigenen Kräften des Betreibers durchgeführt werden“, sagt Segler.
Dieser Artikel erschien am 24.09.2024 in der Ausgabe #166.
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