Darum geht es: Die Unterrichtsversorgung liegt nach Angaben des Kultusministeriums in diesem Schuljahr bei 98,9 Prozent. Ein Kommentar von Martin Brüning.
Die Anfänge des Computerprogramms, mit denen die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen gemessen wird, liegen im Jahr 1997. Das Programm ist also steinalt, die Debatte über genügend Unterricht an den Schulen ist allerdings noch viel älter. Umso erstaunlicher ist es, dass die Politik mit einer Zahl operiert, die nicht einmal das Papier wert ist, auf dem sie steht. Der Wert zur landesweiten Unterrichtsversorgung hat mit der Realität in den Schulen vor Ort nicht viel zu tun. Das bedeutet nicht, dass die wirkliche Lage wie von der Opposition dargestellt deutlich schlechter ist, als die Zahl sie wiedergibt. Sie ist nur wesentlich differenzierter.
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Es mag ein Jahr vor der Wahl politisch verständlich sein, mit spitzen Formulierungen die Schulpolitik der Landesregierung zu attackieren. Die Attacken treffen den Nagel aber nicht auf den Kopf und verhindern eher eine Debatte darüber, an welchen Stellen wirklich Diskussions- und Verbesserungsbedarf besteht. Fest steht: Niedersachsen steht auch im Jahr nach der großen Flüchtlingswelle nicht vor der schulpolitischen Katastrophe. Es fällt keineswegs überall reihenweise der Unterricht aus, und es fehlen trotz des Bedarfs an Neueinstellungen auch nicht an allen Ecken und Enden Lehrer. Die Schul-Welt geht auch in diesem Jahr nicht unter.
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Allerdings werden Schwachpunkte im Bildungsbereich deutlich. So fallen die Werte gerade in Haupt- und Oberschulen merklich ab. Sie drohen zunehmend zu Verlierern im Bildungswettstreit zu werden, weil sie in gleich zweifacher Hinsicht vor Herausforderungen stehen. Auf der einen Seite müssen gerade hier Inklusion und Integration viel stärker geleistet werden als zum Beispiel in Gymnasien. Auf der anderen Seite macht es gerade das schwer, für diese Schulformen Lehrer zu finden. Hinzu kommen oftmals noch die wenig attraktiven Standorte der Schulen. Die Politik wird darüber nachdenken müssen, ob an dieser Stelle in den kommenden Jahren bildungspolitischer Sprengstoff verborgen ist.
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Auch die Zukunft der Berufsschulen muss stärker auf das Tableau der politischen Debatte. An eine Unterrichtsversorgung unter der 90-Prozent-Marke hat man sich in den vergangenen Jahren gewöhnt. Wenn aber eine schlechte Unterrichtsversorgung mit schlechter Breitbandversorgung, fehlendem Lehrernachwuchs und einer Ausstattung einhergeht, die Unternehmer als „modernes Antiquariat“ bezeichnen, sollten langsam die Warnlampen angehen. Darüber hinaus gibt es gerade auch hier eine besondere Verantwortung der Schulen für die Integration junger Flüchtlinge. Die Berufsschule darf kein Stiefkind der Bildungspolitik bleiben. Vielmehr müssen gerade die Schulformen, auf die in den kommenden Jahren die größten Herausforderungen warten, viel stärker in den Fokus der politischen Debatte.
Mail an den Autor dieses KommentarsDieser Artikel erschien in Ausgabe #40.