Auch in zweiter Instanz haben die SPD-internen Schiedsstellen entschieden, dass Altkanzler Gerhard Schröder Mitglied der Partei bleiben darf. Nachdem im August 2022 das Parteigericht des SPD-Unterbezirks Region Hannover bereits so entschieden hatte, folgt jetzt in zweiter Instanz das Gremium für den Bezirk Hannover.

Altkanzler Gerhard Schröder darf Mitglied der SPD bleiben. | Foto: Staatskanzlei, Link

Die Schiedskommission erklärte, die Anträge von sieben SPD-Gliederungen aus Berlin, Sachsen, NRW und Baden-Württemberg seien „zulässig, aber nicht begründet“. Damit bleibt Schröder SPD-Mitglied, seine Rechte bleiben im vollen Umfang erhalten – und er erhält von der Schiedskommission nicht einmal eine Rüge. In dem zehnseitigen Beschluss der SPD, der dem Politikjournal Rundblick vorliegt, heißt es an einer Stelle sogar zu Schröders Äußerungen gegenüber dem russischen Kriegsführer Wladimir Putin: „Eine solche Haltung – als Vermittler eine konfliktlösende Rolle übernehmen zu können – ist bei ehemaligen Politikern und insbesondere bei ,Elder Statesmen‘ durchaus häufig anzutreffen.“ Die Schiedskommission betrachte die Äußerungen Schröders „auch unter diesem Aspekt“. Der Beschluss liest sich über weite Strecken wie eine Beschützung und Verteidigung des Altkanzlers.

„Es ist schwer vorstellbar, dass Schröder nach diesem Urteil weiter Mitglied der SPD bleibt, als sei nichts geschehen.“

Einige der Antragsgegner reagieren verstimmt. „Dass sich der frühere Kanzler auch angesichts der zwischenzeitlich öffentlich gewordenen Kriegsverbrechen Russlands nicht zu einer klaren und eindeutigen Korrektur seines bisherigen Verhaltens hat durchringen können, ist neuerlich eine herbe Enttäuschung“, sagt Daniel Mühlenfeld, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Heißen-Heimaterde in Mülheim (Ruhr) dem Politikjournal Rundblick. Pierre Orthen, Chef des SPD-Ortsvereins Leutenbach in Baden-Württemberg, meint: „Wir haben klar gemacht, dass sich Schröders Freundschaft zu Putin und seine Lobbyarbeit für mittelbar am Angriffskrieg beteiligte Unternehmen an der Parteibasis nicht akzeptiert wird.“



Sein Parteifreund Lennart Knab sagt: „Es ist schwer vorstellbar, dass Schröder nach diesem Urteil weiter Mitglied der SPD bleibt, als sei nichts geschehen.“ Interessant ist ein Hinweis am Ende des Beschlusses, in dem das Schiedsgericht die Möglichkeit einer Berufung bei der Bundesschiedskommission einräumt. Eigentlich ist laut SPD-Schiedsordnung das nur vorgesehen, wenn Schröder in der ersten Instanz eine Parteistrafe erhalten hätte, die in der zweiten abgemildert worden wäre. Hier aber haben beide SPD-Instanzen in Hannover Schröder einen glatten Freispruch erteilt. Ob das Bundesschiedsgericht angerufen wird, müssen die jetzt unterlegenen SPD-Gliederungen noch entscheiden.

Hat Schröder ehrlos gehandelt? Das Bezirksgericht verneint

Die Beschwerdeführer hatten ihren Antrag, Schröder aus der SPD zu werfen, mit mehreren Argumenten unterfüttert: Die erste Parteigerichtsinstanz beim Unterbezirk Region Hannover habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt. Schröder zahle zudem mit weniger als 10.000 Euro jährlich einen „unangemessen niedrigen Mitgliedsbeitrag“, die Distanzierung Schröders von Putins Angriffskrieg sei nicht klar genug geschehen, er habe seine Aufsichtsratsmandate in russischen Unternehmen zu spät und nicht vollständig geräumt. Das Bezirksgericht unter Stephan Kassel, Angelika Tumuschat-Bruhn und Rolf Kramer sieht hingegen keine Belege für eine „ehrlose Handlung“ Schröders oder eine Verletzung der innerparteilichen Solidarität. So hätten sich die antragstellenden SPD-Ortsvereine „vor allem auf Äußerungen des Antragsgegners gestützt, die in diversen Medien berichtet werden und sehr häufig bereits mit einer Wertung der Journalisten belegt waren“.



Schröder habe sich „maßgeblich davon leiten lassen, seine Verbindungen dazu zu nutzen, den Krieg zu beenden“. Dies sei auch durch eine Vermittleranfrage der Ukraine unterstrichen worden. Dass Schröder im Januar 2022 Waffenlieferungen an die Ukraine abgelehnt habe, sei „damals die Politik der Bundesregierung gewesen“. Schröders Position zu den russischen Kriegsverbrechen sei „durchaus zu hinterfragen“, heißt es im Beschluss an anderer Stelle. Aber seine Haltung „fügt sich in eine Vorstellungswelt ein, die die eigene Person zu diesem Zeitpunkt als möglichen Moderator für eine anzustrebende Verhandlungslösung des Angriffskriegs gegen die Ukraine gesehen hat“, wird gleich darauf entschuldigend ausgeführt. Zum Vorwurf, Schröder verharmlose den Gashandel als politische Waffe, erklärt das Gericht, Schröder sei als Mitglied eines Aufsichtsorgans wohl nicht so stark „in die Einzelheiten des operativen Geschäfts eingebunden“. 

Was den angeblich zu niedrigen Mitgliedsbeitrag Schröders angeht, wird das auch vom Bezirksgericht zurückgewiesen – in Schröders Fall müsse der Monatsbeitrag „300 Euro und mehr“ betragen, und das sei noch angemessen.