Scholz in Hannover: Nur eine starke SPD kann sicherstellen, dass es kein Schwarz-Blau gibt
Derjenige, der an diesem Tag besonders stark für Olaf Scholz wirbt, ist kein geringerer als Stephan Weil. Der niedersächsische Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzende tritt bei der Hauptveranstaltung der hannoverschen Sozialdemokraten am Donnerstagabend als Einpeitscher auf. Am Sonntag, sagt Weil vor rund 600 Mitgliedern und Gästen der SPD im „Karriere-Campus“ etwas außerhalb des Stadtzentrums, komme es doch auf die Entscheidung zwischen zwei Personen an: „Der eine hat nicht einen Tag seines Lebens Regierungserfahrung gehabt“ und „der andere hat oft bewiesen, dass er in schwierigen Zeiten zur Hochform aufläuft“. Mit „dem anderen“ meint Weil Scholz, und der tritt kurz danach auf die Bühne und wird mit kräftigem Beifall willkommen geheißen. Scholz ist der, sagt Weil noch in seiner Einleitung, „der immer die Nerven behält“. Auch das ist auf Friedrich Merz gemünzt, der namentlich von Weil nicht erwähnt wird.

Drei Tage vor der Bundestagswahl hatte die hannoversche SPD noch einmal kräftig mobilisiert. Der Termin richtete sich an Mitglieder und Anhänger der SPD, die vorher angeschrieben worden waren und sich persönlich anmelden mussten. Auch einige Interessierte ohne SPD-Bindung waren auf diese Weise in die Halle gekommen. Die Sicherheitsvorkehrungen des Bundeskriminalamtes waren wegen der angespannten weltpolitischen Lage sehr streng. Vor dem offiziellen Beginn der Veranstaltung tritt eine Band auf und präsentiert einige altbekannte Lieder, darunter auch das traurige „Yesterday“ von den Beatles mit der Zeile: „Yesterday, all my troubles seemed so far away.“ Mit einer halben Stunde Verspätung trifft der Kanzler ein. Er hatte an diesem 20. Februar seinen Niedersachsen-Tag und besuchte die Wahlkreise der wichtigsten Genossen aus diesem Bundesland. Mittags war er in Peine-Ilsede, im Wahlkreis von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Danach dann Hannover, und im Anschluss noch der Heidekreis, die politische Heimat von SPD-Chef Lars Klingbeil. In Hannover wurde er vom SPD-Hoffnungsträger Adis Ahmetovic begrüßt, der den Wahlkreis Hannover-Stadt-Nord im Bundestag repräsentiert. Der Kollege von Hannover-Stadt-Süd, Pistorius, war wahlkampfbedingt verhindert – er besuchte SPD-Termine in Rheinland-Pfalz und Hessen. Eine vorbereitete Videobotschaft von Pistorius wird auf einem großen Bildschirm ausgestrahlt. Eine gute Zusammenarbeit der Demokraten, erklärt Pistorius darin, sei „nur möglich mit einer starkem SPD und einem starken Kanzler Olaf Scholz“.
Als dann Scholz nach der Begrüßung an der Reihe ist, fällt seine Rede sehr kurz aus. Er spricht nur knapp über den ukrainischen Präsidenten, der natürlich demokratisch gewählt und ein legitimer Vertreter seines Landes sei – anders als es die jüngsten Äußerungen von US-Präsident Donald Trump nahelegten. Dann schwenkt Scholz auf die AfD und die politischen Mehrheitsverhältnisse. Nur eine starke SPD, meint Scholz, könne gewährleisten, dass „es keine Mehrheit für ein schwarz-blaues Experiment im Bundestag gibt“. Seine Ansprache ist dann schon beendet, er bittet die Teilnehmer um Fragen – und auf die geht Scholz dann mit teilweise sehr langen Ausführungen ein. Es geht um die Altersversorgung, die Probleme der Pflege, die äußere Sicherheit und die Steuerpolitik. Ein junger Mann fragt, warum es der SPD immer so schwer falle, die eigenen Erfolge zu vermitteln. „Ich werde künftig zwischendurch öfter sagen, wie weit der Diskussionsprozess vorangekommen ist“, verspricht Scholz. Hier werde er „etwas ändern“. Eine ältere Dame berichtet, dass sie an Info-Ständen oft die Klage über „die da oben“ höre, die keinen Draht mehr zu den einfachen Menschen hätten. Die nächste Frage betrifft die Rente. Scholz betont noch mal: „Ich setze ich ein für die Garantie des Rentenniveaus.“ Braver Beifall ertönt.

Die Stimmung wird dann schlagartig angespannt, als eine junge Frau mit Kopftuch den Kanzler fragt, warum er „weiterhin Waffen an den Kriegsverbrecher Netanjahu liefert“. Scholz widerspricht und betont, Netanjahu sei nicht verurteilt und an der Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs gebe es starke Kritikpunkte. Dann verurteilt er den brutalen Hamas-Überfall auf Israel und fügt hinzu, dass die Bundesregierung sich auch gegen das Vorgehen der israelischen Armee im Gaza-Streifen ausgesprochen habe. Die junge Fragestellerin unterbricht den Kanzler mehrfach, schließlich wird sie von Sicherheitskräften abgeführt und sie brüllt im Herausgehen „Free Palestine“. Eine halbe Stunde später, als die Veranstaltung sich dem Ende nähert, springt eine andere Frau auf und schimpft auf die Israel-Politik der Bundesregierung. Kurz darauf erheben sich weitere junge Männer und halten eine Palästinenser-Fahne in die Höhe. Sie alle werden ziemlich schnell von Sicherheitskräften aus dem Saal geführt, begleitet von teilweise ängstlichen Blicken der Zuschauer.

Der Kanzler selbst, der nach dem Termin zunächst noch viele Selfie-Fotos mit Teilnehmern machen lässt, äußert sich auf Journalistenfragen äußerst gelassen zu den Störaktionen. „Immer wieder“ erlebe er auf Veranstaltungen solche Vorkommnisse. Und es sei seine Politik, für einen gerechten Ausgleich der verschiedenen Interessen im Nahen Osten einzutreten. Daran werde sich auch nichts ändern.
Zu Beginn des SPD-Termins hatte Adis Ahmetovic den Ministerpräsidenten Stephan Weil angekündigt und dafür kräftigen Applaus geerntet. Das Problem war nur: Weil war noch gar nicht da, seine Ankunft verzögerte sich noch um zehn Minuten. Ahmetovic nahm es sportlich und mit Humor: „Ich hoffe, dass die Regie diese Panne nicht auch auf den anderen Terminen mit dem Kanzler hat. Wenn doch, würden mich die Umfragezahlen nicht wundern.“
Dieser Artikel erschien am 21.02.2025 in der Ausgabe #035.
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