4. Dez. 2019 · 
Soziales

Schnelligkeit vor Qualität? Experten streiten über neue Regeln zur Erzieherausbildung

In der Diskussion um fehlende Erzieher in niedersächsischen Kindertagesstätten sucht die CDU noch immer nach einem gangbaren Mittelweg. Wie können schnell neue Erzieher ausgebildet werden, ohne dass die Qualität der Arbeit leidet? Bei einem Podiumsgespräch des kommunalpolitischen Bildungswerks der CDU prägte Niedersachsens CDU-Generalsekretär Kai Seefried dabei erneut den Begriff der „dualisierten Ausbildung“. [caption id="attachment_45851" align="alignnone" width="780"] Standards absenken? Jan Arning (l.) vom Städtetag findet das vertretbar, Rüdiger Heitefaut von der GEW will da aber nicht mitgehen. - Foto: Gottfried Schwarz/CDU Nds[/caption] Gemeint ist damit ein Ausbildungsmodell mit höherem Praxisanteil und einer Form von Ausbildungsvergütung, auf das sich SPD und CDU bereits im vergangenen Jahr verständigt hatten.  Das Schulgeld für die Pflege- und Sozialberufe abzuschaffen, reiche nicht aus, um den Erzieherberuf attraktiver zu machen, sagte Seefried. Deshalb müssten die Auszubildenden direkt in die Praxis gehen und direkt eine Ausbildungsvergütung erhalten, schlug er vergangene Woche vor rund 200 Kommunalpolitikern vor. Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) hatte vor einigen Wochen bereits angekündigt, ein solches Modell mithilfe der Mittel aus dem sogenannten Gute-Kita-Gesetz des Bundes finanzieren zu wollen. Tonne zeigte sich zuversichtlich, die verkürzte Ausbildung ohne Qualitätseinbußen umsetzen zu können.
Lesen Sie auch: Quereinsteiger und Turbo-Ausbildung sollen Fachkräftemangel in Kindertagesstätten beheben
Jan Arning, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetags, fürchtet jedoch, dass die Kommunen in drei Jahren, wenn die Förderung durch das Bundes-Gesetz ausläuft, mit den Mehrausgaben für die zusätzlichen schnell ausgebildeten Arbeitskräfte allein dastehen könnten. „Entlastet die Kommunen, wenn es um den nötigen Ausbau der Kinderbetreuung geht“, forderte Arning deshalb beim CDU-Podiumsgespräch. „Es gibt kein Förderprogramm und kein Personal“, führte er seine Kritik weiter aus und verknüpfte diese mit einem klaren Appell: Die Erzieherausbildung müsse verkürzt und die Standards sollten zumindest für einen Übergangszeitraum ein Stück weit abgesenkt werden, damit alle Kinder einen Krippenplatz bekommen. Natürlich gehe es um hohe Qualität, bestätigte nun auch Seefried noch einmal. Aber man müsse auch den Blick auf die aktuelle Zeit lenken und der Fachkräftemangel sei nun einmal jetzt akut.

Wir können nicht auf Dauer Zweitkräfte ausbilden, die danach nicht einsetzbar sind.


Über Modelle für eine Übergangslösung könne man nachdenken, räumte auch Rüdiger Heitefaut, Geschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Niedersachsen (GEW), ein. „Aber wir können nicht auf Dauer Zweitkräfte ausbilden, die danach nicht einsetzbar sind.“ Es könne nicht der gewünschte Standard sein, dass man nur jemanden habe, der auf die Kinder aufpasst. „In der frühkindlichen Bildung geht es um Bildungserfolge, nicht um Betreuungsausbau.“ Bei einem Absenken der Qualitätsstandards werde er deshalb nicht mitgehen, stellte er in der Diskussion mit Arning ganz deutlich klar. Die Ausbildung zu Sozialassistenten sei auch einmal dazu gedacht gewesen, Arbeitskräfte für die Kindergärten zu gewinnen, so Heitefaut. „Diese Kollegen sind aber nicht geeignet, die qualitativ hochwertige Arbeit von Erziehern zu leisten.“ Seine Strategie zielt in die entgegengesetzte Richtung: Weil viele Erzieher aufgrund von mangelnden Weiterbildungsmöglichkeiten nach zehn Jahren den Beruf wechselten, will Heitefaut deren Berufsperspektiven verbessern. Er setzt deshalb auf eine Akademisierung des Erzieherberufs – oder zumindest auf die Möglichkeit zur Akademisierung. „Ich will gar nicht, dass jeder akademisiert wird“, sagte er in der CDU-Diskussion. „Aber jeder soll die Chance dazu haben.“ Nach einer „Schnell-Ausbildung“ fehle dafür aber benötigte die Fachhochschulreife. [caption id="attachment_45852" align="alignnone" width="780"] Duale oder "dualisierte" Ausbildung? CDU-Generalsekretär Seefried (l.) und CDU-Bürgermeister Tangermann (r.) bewerten das unterschiedlich. - Foto: Gottfried Schwarz/CDU Nds[/caption] „Ich warne davor zu sagen, Sozialassistenten seien nicht befähigt, nur weil sie nicht den akademischen Grad haben. Sie haben ja zum Beispiel auch Lebenserfahrung vorzuweisen“, kritisierte Kristian Willem Tangermann, Bürgermeister aus Lilienthal (Kreis Osterholz).  Zudem gehe es darum, den Mitarbeitern in Kindergärten mehr Anerkennung zukommen zu lassen. „Wir müssen den Menschen, die sich um die Menschen kümmern, mehr Wertschätzung entgegenbringen.“ Dass die Anerkennung für den Beruf wachse, zeige sich unter anderem schon an zumindest langsam steigenden Zahlen der männlichen Erzieher, so Tangermann. Damit sich dieser Trend fortsetzt, fordert er die klassische duale Ausbildung auch für den Erzieherberuf. Hier widerspricht der Bürgermeister dann dem Generalsekretär.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #216.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail