Drei Viertel der Abschiebungen von Asylbewerbern, die nicht anerkannt worden sind und ausreisen müssen, sind im vergangenen Jahr nicht vollzogen worden – es geht um rund 3500 Fälle. Damit diese notwendige, in Einzelfällen aber stets umstrittene Maßnahme künftig stringenter umgesetzt und professioneller geregelt wird, will Niedersachsen seine eigene Landesbehörde neu ausstatten und verstärken. Seit einer Woche ist mit dem Aufbau einer neuen Dienststelle in Hannover-Langenhagen begonnen worden. Mit ihr wird das Ziel verfolgt, die kommunalen Ausländerbehörden in der Vorbereitung der Abschiebung zu verstärken und zu entlasten. Für dieses Jahr sind dort nun 50 Mitarbeiter geplant – angepeilt werden in der endgültigen Ausbaustufe 200 Fachkräfte. Aber der zweite Schritt, der im nächsten Jahr folgen müsste, ist im Entwurf der Landesregierung für den Etat 2020 nicht enthalten. Das lässt nun Mutmaßungen gedeihen, der Regierung könnte es mit dem Vorhaben nicht allzu wichtig und dringlich sein.

Umstrittenes Vorhaben in der Großen Koalition

Das Vorhaben war von Anfang an, wie in vielen Sachfragen der Innenpolitik, zwischen Sozial- und Christdemokraten umstritten. Die CDU um ihre Innenpolitiker Uwe Schünemann und Sebastian Lechner forderte entschiedene Schritte, die SPD schien an dieser Stelle nicht ganz so nachdrücklich voranzuschreiten. Dennoch erklärte auch Minister Boris Pistorius (SPD) im Februar, dass die Behörde in der Endstufe bis zu 200 Mitarbeiter haben könne.

Die Christdemokraten gingen im April mit der Idee einer „Task Force“ an die Öffentlichkeit: Fachleute der Landesbehörde sollten die Kommunen zunächst beraten, in einem nächsten Schritt dann Aufgaben übernehmen – und zur Not eben an der Stelle der kommunalen Ausländerbehörde tätig werden. Hintergrund dieser Überlegungen ist die Tatsache, dass die Leistungsfähigkeit der Kommunalbehörden höchst unterschiedlich ist, was nicht immer mit der Größe der Kreisverwaltungen zusammenhängt. Es gibt offenbar Landräte und Oberbürgermeister, die mehr Wert legen auf eine ausreichende personelle Ausstattung der Ausländerbehörden – und andere, die das nicht tun. Auch Pistorius erklärte, dass einige Bundesländer, die seit längerem die Aufgabe der Abschiebung stärker von Seiten der Landesverwaltung steuern, effektiver vorgehen als andere.

Landesbehörde soll Abhilfe schaffen

Die Gründe, warum Abschiebungen scheitern, sind unterschiedlich. Da gibt es zum einen die Gruppe, die keine Papiere bei sich trägt und bei denen die Herkunft schwer zu klären ist. In einigen Fällen helfen mit Betroffenen an der Aufklärung ihrer Identität mit, in anderen nicht. Bisher sind viele Ausländerbehörden der Kommunen schon wegen der schlechten Sprachkenntnisse der Mitarbeiter oft nicht in der Lage, hilfreiche Kontakte mit den Herkunftsländern herzustellen. Eine Landesbehörde soll hier aushelfen. Auch wenn medizinische Gutachten eilig erstellt werden müssen, weil der für die Abschiebung bestimmte Asylbewerber sich krank meldet, kann eine Landesbehörde helfen.

Überlegt wird auch, ob Fälle bestimmter Personengruppen von vornherein von der Einrichtung des Landes bearbeitet werden – etwa diejenigen, die hier straffällig wurden und möglichst rasch wieder zurückgeführt werden sollen. In einer Anhörung der CDU-Landtagsfraktion im vergangenen April hatten Vertreter der Kommunalverbände davor gewarnt, „Doppelstrukturen“ aufzubauen. Es dürfe nicht passieren, dass die Landesbehörde für Schritte zuständig wird, die weiterhin in der Kompetenz der kommunalen Ausländerbehörden bleiben – sodass am Ende der eine nichts von dem weiß, was der andere macht oder machen soll.

Die neue Landesbehörde mit den 50 Mitarbeitern, die in diesem Jahr eingestellt werden, startet in Hannover-Langenhagen unweit der Einrichtung, in der ein Gewahrsam für die Abzuschiebenden besteht. Weitere Standorte in anderen Städten sollen nach den Plänen des Innenministeriums später noch hinzukommen können. Der Ausbau dürfte aber ins Stocken geraten, wenn wie bisher geplant keine weiteren Stellen im Haushalt hinzukommen. Scharfe Kritik an der zentrale Abschiebebehörde übt derweil in diesen Tagen der Niedersächsische Flüchtlingsrat: „Innenminister Pistorius und die Regierung lassen sich von rechts vor sich hertreiben. Statt eine menschenwürdige Aufnahme zu garantieren und Bleiberechtsperspektiven für Flüchtlinge zu schaffen, verbeißt sich die Landesregierung in einem fehleranfälligen und bürokratischen Projekt, um möglichst viele Menschen aus dem Land zu drängen.“