8. Nov. 2016 · Finanzen

Schneider will die „schwarze Null“ schon 2017 erreichen

Die jüngste Steuerschätzung hat für Niedersachsen – wieder einmal – ein ausgesprochen erfreuliches Ergebnis zutage gefördert: Gegenüber den bisherigen Plänen wachsen die vorhergesagten Einnahmen noch einmal kräftig an. In diesem Jahr sind demnach unterm Strich 607 Millionen Euro mehr in der Landeskasse, im nächsten Jahr 263 Millionen und im übernächsten Jahr 133 Millionen. Finanzminister Peter-Jürgen Schneider zieht daraus die Konsequenz, den eigentlich erst für 2018 geplanten Verzicht auf neue Kredite schon ein Jahr vorzuziehen. „Ich schlage der rot-grünen Koalition für die laufenden Haushaltsberatungen vor, auf die bisher vorgesehene Neuverschuldung von 360 Millionen Euro im nächsten Jahr zu verzichten“, erklärte Schneider am Dienstag vor Journalisten. „Herr des Verfahrens ist aber der Landtag.“ Die Rechnung könne auch ohne die Nettokreditaufnahme aufgehen, weil 2017 nicht nur 263 Millionen Euro als zusätzliche Steuereinnahme winken, sondern zugleich der Bund seine Überweisungen für die Flüchtlingshilfe ausweite. Außerdem habe das Land eine Ersparnis bei den Zinsausgaben, die bei rund 100 Millionen Euro liegen werde. Laut Steuerschätzung sind die mit Abstand meisten zusätzlichen Einnahmen in diesem Jahr zu erwarten, es sind 607 Millionen Euro. „Wir warten die Abrechnung im Frühjahr ab und entscheiden dann, was mit dem Geld geschieht“, betonte Schneider und versicherte: „Wir denken nicht daran, Wahlgeschenke zu verteilen.“ Zwar sieht das Konzept des Finanzministers vor, auf neue Schulden im nächsten Jahr zu verzichten – das wäre das erste Mal in der Landesgeschichte. Aber der Finanzminister hat eine sogenannte „Rücklage“ zur Verfügung, das sind bisher nicht genutzte Kreditaufnahmerechte aus Vorjahren. Diese betragen rund 979 Millionen Euro, allerdings sind 800 Millionen davon schon als Ausgaben im Haushaltsplan für 2017 und 2018 verplant. Schneider sieht auch Risiken für die Haushaltsführung. Als Mehrbelastung könne sich zunächst die Neuregelung des Unterhaltsvorschuss-Gesetzes erweisen, das Land werde stärker in Vorleistung für säumige Väter treten müssen. Außerdem könne schon eine geringe Zinserhöhung oder eine Abschwächung der Wachstumserwartung zu höheren Belastungen für den Landesetat führen. Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Bernhard Zentgraf, zollte Schneider Respekt für seine Politik: „Wir wünschen dem Minister, dass er sich mit dem Verzicht auf neue Schulden im Landeshaushalt bei Rot-Grün durchsetzen wird.“ Noch konsequenter wäre es, meint Zentgraf, wenn gleichzeitig ein Nachtragsetat für 2016 vorgelegt würde, in dem auch die für dieses Jahr erlaubte und bisher nicht genutzte Neuverschuldung (480 Millionen Euro) noch gestrichen wird. Geschähe dies nicht, so würde sich die Summe der bisher unverbrauchten Kreditaufnahmerechte im nächsten Jahr auf 1,45 Milliarden Euro erhöhen. Der CDU-Finanzexperte Reinhold Hilbers meinte, Schneider schwenke mit dem Vorziehen der „schwarzen Null“ auf die CDU-Linie ein. Rot-Grün solle jetzt „der Versuchung widerstehen, Geld für Wahlgeschenke abzuzwacken“. Johannes Grabbe vom DGB-Landesbezirk sagte hingegen, der Schuldenabbau dürfe „nicht zum Selbstzweck verkommen“. Es müsse investiert werden, und offene Baustellen gebe es genug – Straßen und Bauten, frühkindliche Bildung, Personalmangel bei Schulen und Polizei und „eine zeitgemäße Besoldung der Landesbeamten“. Auch beim sozialen Wohnungsbau und bei Programmen für Langzeitarbeitslose müsse sich Niedersachsen „stärker engagieren“.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #203.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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