Schlappe für Niedersachsens Justiz: Prozess um Drogen-Kurier muss wiederholt werden
Ein Drogen-Prozess, in dem das Landgericht Hannover im März 2023 einen Spediteur zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt hat, muss neu aufgerollt werden. Das hat der Bundesgerichtshof am Montag entschieden – und damit der Justiz in Niedersachsen eine Niederlage zugefügt. Von politischer Brisanz ist dieser Fall wegen eines Beteiligten, der mittlerweile in Untersuchungshaft sitzt und der Korruption beschuldigt wird. Es ist der Staatsanwalt G., der in dem Verfahren im März 2023 die hohe Haftstrafe beantragt hatte. Die Anwälte des seinerzeit verurteilten Spediteurs hatten die Revision angestrengt, weil sie meinten, ihr Mandant habe „keinen fairen Prozess“ erlebt.
Der Fall des Staatsanwalts G. bekommt seit einigen Wochen eine wachsende landespolitische Dimension. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die politische Führung im Justizministerium mit Vorwürfen gegen den Ermittler umgegangen ist. G. war 2020 vom Land Berlin als Staatsanwalt nach Niedersachsen versetzt worden – nachdem er zuvor mit seiner Bewerbung in Niedersachsen keinen Erfolg hatte, offenbar wegen eines eingestellten Ermittlungsverfahrens wegen Körperverletzung in Hannover. G. hatte sich dann als penibler und fachkundiger Drogen-Ermittler einen guten Ruf bei seinen Kollegen in der Staatsanwaltschaft Hannover erworben. Im Sommer 2022 gab es Hinweise auf Verbindungen von G. zur Drogen-Mafia. Ein Ermittlungsverfahren allerdings, das die eigenen Kollegen der Staatsanwaltschaft Hannover führten, blieb ergebnislos. Es wurde gemutmaßt, dass gezielt falsche Anschuldigungen aus dem Milieu verbreitet wurden, um G. aus dem Verkehr zu ziehen. Im November 2022 wurde Staatssekretär Thomas Smollich über den Vorgang informiert. Die Staatsanwaltschaft entschied, G. auf seinem Posten zu belassen. In dem Prozess im Dezember 2022 wurde G. ein zweiter Staatsanwalt zur Seite gestellt. Der damals verurteilte Spediteur hatte G. in dem Prozess beschuldigt, mit der Kokain-Bande zu kooperieren. Dies war dem Landgericht vor der Urteilsverkündung bekannt. Der BGH entschied jetzt, dass es – anders als von den Anwälten des Spediteurs behauptet – ein faires Verfahren durchaus gegeben habe, denn der Verdacht gegen G. habe sich seinerzeit ja nicht bestätigt. Das Strafmaß indes sei zu hoch, da die Kammer des Landgerichts Hinweise des Spediteurs auf die Belastung von G. nicht gewürdigt habe. Lediglich ein anderer Hinweis, dass es auch ein „Leck beim Landeskriminalamt“ gegeben habe, sei im Urteil berücksichtigt worden. Wobei es sich bei diesem Leck handelt, wird bisher nur vermutet. Auch Gerüchte über ein kriminelles Netzwerk zwischen Justizbediensteten und Polizisten in Niedersachsen, das in diesem jetzt vom BGH aufgehobenen Urteil seinen sichtbaren Ausdruck gefunden haben könnte, bleiben bisher auf der Ebene von Vermutungen und Spekulationen.
Im Landtag hat sich der Rechtsausschuss schon mit dem Fall befasst, die CDU hat mit 146 Fragen an die Landesregierung, die noch nicht beantwortet sind, nachgelegt. Die CDU meint, die Justizministerin hätte im Herbst 2022 frühzeitig dafür sorgen müssen, dass G. aus den Drogen-Verfahren abgezogen wird. Das sei nicht geschehen. Die SPD verweist darauf, dass die Personalie von G. im Justizministerium 2020, bei seiner Versetzung aus Berlin, offenbar nicht gründlich genug überprüft worden sei. Dies aber falle in die Verantwortung der damaligen Justizministerin Barbara Havliza (CDU). Mit einer Anklage gegen G. wird für das Frühjahr 2025 gerechnet.
Dieser Artikel erschien am 17.12.2024 in der Ausgabe #224.
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