

Vier Jahre lang streitet der niedersächsische Landtag bereits über den sogenannten „Schlangen-Führerschein“ – und kommt einfach zu keinem vorzeigbaren Ergebnis. Während der Sachkundenachweis für Hundehalter schon 2013 zur Pflicht geworden ist, gibt es bei exotischen Tieren nichts dergleichen. Bis zur Corona-Pandemie ist jede Initiative im Sande verlaufen, die Handel und Haltung von Exoten regulieren wollte. Die Debatte um den Ursprung von Covid-19 hat allerdings ein neues Bewusstsein für die Gefahren von Zoonosen geschaffen und dem Thema wieder Auftrieb verschafft. Nachdem es im November 2020 bereits im Bundestag erste, sanfte Vorstöße in diese Richtung ab, wollen die Grünen nun auch in Niedersachsen das Momentum nutzen, um ihr Langzeit-Thema voranzubringen. Trotz fraktionsübergreifender Zustimmung droht das Vorhaben allerdings wieder zu scheitern.
„Tierschutz verbessern, Zoonosen eindämmen, Artenschutz gewährleisten“ lautet der Titel des Antrags, mit dem die niedersächsischen Grünen die Regeln im Exotenhandel verschärfen wollen. Im Juli 2021 stimmten fast alle Landtagsabgeordneten den 13 Forderungen zu – nur drei Fraktionslose kritisierten das Ganze als Mogelpackung. „Wenn man sich die Beschlussempfehlung anschaut, sieht man, dass es sich allenfalls, wenn überhaupt, um ein brüchiges Plastikmesser, aber sicherlich nicht um ein scharfes Schwert handelt“, kommentierte Christopher Emden (AfD) und sagte: „Wirklich gelebter Tierschutz bedeutet, auf Exotenhandel generell zu verzichten.“ Ein schlagendes Argument? Tierärzte halten ein Verbot für kontraproduktiv. Die Befürchtung: Wenn die Halter kriminalisiert werden, gehen sie mit ihren kranken Reptilien, Spinnen oder Fröschen nicht mehr zum Tierarzt. Darunter würden dann vor allem die Tiere leiden.

Eine der Kernforderungen der Grünen ist der „Exoten-Führerschein“. „Wir brauchen den Sachkundenachweis, der zusammen mit den Halterverbänden, die sich in der Anhörung auch dafür ausgesprochen haben, erarbeitet werden soll“, begründete Miriam Staudte, Sprecherin für Tierschutz, den Antrag damals im Landtag. Nun meldet die Landesregierung allerdings zurück: „Grundsätzlich wird ein niedersächsischer Alleingang in diesem Punkt nicht für zielführend gehalten. Eine tierschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage für eine entsprechende Landesregelung ist derzeit nicht erkennbar.“ Das klingt ein bisschen danach, als wolle man das Thema an den Bund abschieben. Aber selbst der Bundesverband für fachgerechten Natur-, Tier- und Artenschutz (BNA) fordert „bundesweit einheitliche Vorgaben“. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass der Sachkundenachweis nicht in allen Bundesländern anerkannt wird.
Einen schriftlichen Nachweis sieht der BNA überhaupt kritisch und weist darauf hin, dass Paragraph 2 des deutschen Tierschutzgesetzes bei jeder Tierhaltung bereits eine entsprechende Sachkunde voraussetzt. „Die Forderung nach einem verpflichtenden formalen Sachkundenachweis für gegebenenfalls alle Tierarten könnte bedeuten, dass bundesweit täglich etwa 2000 Anträge gestellt werden, bei denen ein extrem hoher Verwaltungsaufwand in der Umsetzung zu bedenken ist“, schreibt der BNA in einer Stellungnahme an den Bundesrat, nachdem sich das Gremium im Herbst auf Initiative von Schleswig-Holstein mit dem Thema beschäftigt hatte. Bei vielen Exoten würde das Beratungsgespräche im Zoohandel oder beim Züchtern ausreichen. Für Tierarten mit speziellen Haltungsanforderungen schlägt der Verband den „Besuch einer anerkannten Fortbildungsveranstaltung, ggf. mit abschließender Prüfung, durch Tierhalterverbände“ vor.

Gegessen ist das Thema in Niedersachsen aber nicht. „Die Verpflichtung zu einem Sachkundenachweis für private Halterinnen und Halter exotischer Heimtiere in Niedersachsen sowie die Forderung eines solchen als Voraussetzung für den Erwerb exotischer Tiere werden unabhängig davon bei der Überarbeitung der niedersächsischen Gefahrtierverordnung (GefTVO) diskutiert“, teilt die Landesregierung mit. Eine eigens dafür eingerichtete Projektgruppe, bei der auch die einschlägigen Verbände vertreten sind, soll sich am 24. Januar 2022 erstmals treffen. Konkret nennt die Landesregierung hier den BNA sowie den Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZZF) als Kooperationspartner. Große Baustellen bei der Überarbeitung der GefTVO sind der Geltungsbereich, der aktuell den gewerblichen Bereich ausklammert, und die Positivliste der Tierarten, für die es überhaupt Regulierungsbedarf gibt. Hier gehen andere Länderverordnungen bereits mehr ins Detail und sind auch umfangreicher. Bei der Überarbeitung der Tierbörsenleitlinien will das niedersächsische Landwirtschaftsministerium jetzt Druck bei der neuen Regierung in Berlin machen. „Eine Möglichkeit der Reglementierung des Internethandels sowie der Einfuhr wird auf der Basis tierschutzrechtlicher Regelungen auf Landesebene derzeit nicht gesehen“, heißt es weiter.
Die Landesregierung hat auch die Aufgabe bekommen, zu prüfen, „wie eine finanzielle Absicherung für langlebige Exoten realisiert werden könnte, um die Kosten einer langfristigen Unterbringung dieser Tiere in Tierheimen oder Wildtierauffangstationen zu decken“. Hier geht es also quasi um eine „staatliche Reptilienrente“ etwa für Schildkröten oder auch andere langlebige Exoten, die ihre Halter überleben. „Es gibt hier keine Verpflichtung des Landes oder der kommunalen Behörden“, stellt die Landesregierung fest und kündigt eine Prüfung für 2022 an. Denkbar wäre es, dass zukünftige Halter langlebiger Exoten eine entsprechende „Rentenversicherung“ bei der Anschaffung ihrer Tiere vorweisen müssen.