Wolfgang Schimpf, Direktor des Max-Planck-Gymnasiums in Göttingen und Vorsitzender der niedersächsischen Direktorenvereinigung, hat einen sehr skeptischen Blick auf die Digitalisierung in den Schulen geworfen. In einem Aufsatz unter der Überschrift „Wo bleibt die Nachdenklichkeit?“ grenzt sich Schimpf in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von der Euphorie ab, mit der manche Bildungsexperten die Digitalisierung begrüßen.

Wenn es künftig keine allgemeinen Lehrpläne mehr gebe, sondern nur noch „Nacht für Nacht entwickelte Algorithmen für jeden Schüler“, die sein eigenes Lernpensum individuell festlegen, habe das weitreichende Folgen. Der Algorithmus ersetze den Lehrer, sei unbestechlich, frei von Emotionen und jeder Art menschlicher Schwäche. Auf der anderen Seite werde vorausgesetzt, dass für die passgenaue Programmierung jeder Schüler „genau diagnostiziert und mental durchleuchtet“ werden muss. „So werden Menschen zu Objekten, wenn auch in bester Absicht“, schreibt Schimpf.

Der Schuldirektor betont, dass die wichtigste Aufgabe der Schule die Erziehung der Kinder zu nachdenklichen Menschen sei – und dafür brauche es Freiheit, die aber gehe „im Zeitalter digitaler Entmündigung verloren“. Auch die Kultusbürokratie sei dem hilflos ausgeliefert, wenn sie blind der digitalen Agenda folge. „Sie müsste erkennen, dass Schüler bei einer unkontrollierten Digitalisierung als Teil einer Maschinenwelt angesehen werden, die immer weiß, was richtig ist. Ein nachdenklicher Mensch weiß das nicht, sonst müsste er nicht nachdenken.“ Es gelte, so fügt Schimpf hinzu, „den Weg in die selbstverschuldete Teilmündigkeit aufzuhalten“. Dies könne ein Auftrag an Kultusminister Grant Hendrik Tonne und sein Konzept „Bildung 2040“ sein.