Soll es den Kommunen künftig nicht mehr gestattet werden, von Anwohnern Sonderbeiträge für den Bau und die Erneuerung von Straßen zu verlangen? Die FDP-Landtagsfraktion schlägt das vor, sie möchte das Niedersächsische Kommunalabgabengesetz entsprechend ändern. In einer Anhörung von Verbänden und Interessensgruppen vor dem Innenausschuss des Landtags prallten die Vorstellungen aufeinander.

450.000 Kilometer Straßen liegen in Niedersachsen in kommunaler Hand – Foto: Mattoff

Erschienen waren viele Mitglieder von mittlerweile 24 Bürgerinitiativen, die sich in niedersächsischen Gemeinden gegründet haben – und die im Protest gegen diese Beiträge vereint sind. Scharfen Widerspruch erntete die Argumentation der Beitragsgegner vom Geschäftsführer des Städtetags, Dirk-Ulrich Mende. Er sagte, dass die Sanierung von Straßen eine kommunale Aufgabe sei, es müsse daher den Kommunen überlassen bleiben, ob sie zur Finanzierung die Anlieger beteiligen oder nicht. Landesweit seien 450.000 Kilometer Straßen in kommunaler Hand – und 80 Prozent davon lägen innerhalb von Ortschaften. Die Beiträge schwankten zwischen 30 und 70 Prozent.

Laut Mende ist es zumutbar, die Hauseigentümer in langfristigen Abständen, etwa beim Bau der Straße und bei der Sanierung nach rund 30 oder 40 Jahren, zu Kostenbeiträgen heranzuziehen. „Das ist so, als wenn man für die Erneuerung des Dachs oder der Heizung spart“. Daraufhin entgegnete Jan-Christoph Oetjen (FDP): „Der Eigentümer entscheidet aber, wie er das Dach renovieren lässt. Bei der Straße muss er Geld bezahlen und die Kommune bestimmt, nach welchem Standard gebaut werden soll.“


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In der Anhörung meldeten sich mehrere Kritiker zu Wort. Reinold von Thadden (Mieterbund) erklärte, bei Abschaffung der Ausbaubeiträge drohten die Kommunen auf eine Erhöhung der Grundsteuer auszuweichen – und diese könne dann auf die Mieter umgelegt werden, das wolle man aber nicht. Tibor Herczeg vom Verband Wohneigentum meinte, die Straßenausbaubeiträge seien rechtlich schwierig zu regeln und verursachten Bürokratie. Vor allem die vor wenigen Jahren von Rot-Grün im Landtag geschaffene Möglichkeit, das Gebiet der herangezogenen Anlieger zu erweitern und nicht nur einmalige, sondern regelmäßig wiederkehrende Beiträge zu erheben, sei nur sehr kompliziert umzusetzen.

In Winsen/Aller habe man den Versuch wieder aufgegeben, als klar geworden sei, dass man dafür zwei neue Verwaltungskräfte benötigen würde. Hans-Reinhold Horst von „Haus&Grund“ erklärte, die Kommunen seien zur Instandhaltung der öffentlichen Einrichtungen, also auch der Straßen, zuständig – das verbiete eigentlich die Heranziehung der Anlieger. Viele Kommunen würden einen viel zu hohen Instandhaltungsaufwand angeben und abrechnen.

Gerade für ältere Hauseigentümer, die kurz vor der Rente stehen, sei ein Kostenbescheid über 20.000 Euro und mehr „angsteinflößend“. Wenn die Kommune dann – wie bisher – die Stundung der Zahlung nur zum horrenden Zinssatz von sechs Prozent jährlich anbieten dürfe, sei das eine Zumutung. Immer mehr Städte gingen deshalb jetzt freiwillig dazu über, auf diese Ausbaubeiträge zu verzichten. Ähnlich argumentierte Bernhard Zentgraf vom Steuerzahlerbund: „Für die Straßenausbaubeiträge fehlt inzwischen die gesellschaftliche Akzeptanz.“

Vertreter des „Aktionsbündnisses Soziale Kommunalabgaben“ erklärten, sie zweifelten die rechtliche Begründung für die Ausbaubeiträge an. Straßen sind nach ihrer Auffassung „Gemeingebrauch“, jedermann habe dort ein „Teilhaberecht“, zumal man ohne die Straßen nicht zu den Häusern kommen könne. Indem aber von Anliegern eine besondere Gebühr verlangt werde, schränke man faktisch deren „Teilhaberecht“ an den Straßen ein. Der FDP-Politiker Oetjen sagte nach der Anhörung, Straßenausbaubeiträge seien „ungerecht und existenzgefährdend“, sie müssten abgeschafft werden. Sebastian Lechner (CDU) erklärte, seine Fraktion wolle einen Vorschlag entwickeln, der soziale Härten abmildert. Vorstellbar wäre, dass das Land den Kommunen eine „generelle Stundungsmöglichkeit zu einem sozialverträglichen Zinssatz“ ermöglicht.