5. Juni 2024 · Finanzen

Schallende Ohrfeige vom Rechnungshof: Das Land ignoriert Appelle zum Personal-Sparen

Der Landesrechnungshof (LRH) reagiert ungehalten auf die Personalpolitik der Landesregierung. Im jüngsten Jahresbericht verweist die Prüfbehörde auf ihre Mahnung von 2020, die Regierung möge die „Zielkonzeption“ einhalten – und bei den Führungspositionen in den Ministerien Sparsamkeit und Zurückhaltung zeigen.

LRH-Präsidentin Sandra von Klaeden und ihr Senat haben den Jahresbericht 2024 vorgelegt. | Foto: LRH/Regine Rabanus Photodesign

Der Landtag habe sich der Forderung im Oktober 2020 angeschlossen, aber die Regierung habe den Hinweis ignoriert und im September 2021 sogar mitgeteilt, sich an die „Zielkonzeption“ nicht länger halten zu wollen. 2020 habe es – gemessen an der Situation 2013 – noch 46 Referate und sieben Abteilungen in den Ministerien zu viel gegeben. 2023 habe sich die Situation noch einmal zugespitzt, es seien nun 66 Referate, elf Abteilungen und zwei Referatsgruppen mehr als im Basisjahr 2013. Der LRH zieht daraus eine ernüchternde Bilanz: „Die Ministerialbürokratie in Niedersachsen wächst immer weiter – seit 2021 völlig losgelöst von allgemeingültigen Vorgaben.“ Das Finanzministerium reagiert darauf mit dem Hinweis, die neuen Stellen seien „zwingend notwendig“ gewesen.

In der gesamten Landesverwaltung wurden zwischen 2017 und 2022 insgesamt 4733 zusätzliche Vollzeiteinheiten für Landesbedienstete geschaffen. Das ist ein Plus von 3,5 Prozent. Ein weit stärkeres Wachstum erlebte die Ministerialverwaltung im engeren Sinne, so könne das Land aktuell „700 Beamte mehr beschäftigen als noch im Jahr 2013“. Das ist ein Aufwuchs von 34 Prozent. Allein seit Beginn der Wahlperiode im November 2022 seien 124 Beschäftigungsmöglichkeiten in der Ministerialverwaltung hinzugekommen – darunter acht Stellen nach A16 und 24 in der B-Besoldung. Der LRH schreibt dazu: „124 Stellen in nur zwei Haushaltsjahren – das ist bemerkenswert hoch.“ In den fünf Jahren der SPD/CDU-Regierung zwischen 2017 und 2022 betrug der Aufwuchs 187 Stellen, darunter 24 nach A16 und 40 in der B-Besoldung.

Die Zahl der besetzbaren Planstellen des Kernhaushalts stieg seit 2013 fast durchgehend an. | Grafik: LRH

Die vier rot-grünen Jahre zwischen 2013 und 2017 hatten ein Plus von 387 Stellen gezeigt, darunter 26 A16-Stellen und 19 Stellen der B-Besoldung. Damit zeigt sich im Trend der Regierungsjahre von Ministerpräsident Stephan Weil eine stete Steigerung des Personals der Landesverwaltung. Zwischen 2021 und 2022 gab es einen leichten Rückgang um 191 Vollzeiteinheiten. Das basierte auf der damaligen Festlegung der Großen Koalition, nur 50 Prozent der „Beschäftigungsvolumina“ in den Ministerien auszuschöpfen.

Wie der LRH beschreibt, sei dieser Weg damals jedoch eine „zu kurz greifende Korrektur“ gewesen, die schon 2023 wieder durch Stellenwachstum ausgewetzt worden sei. Kritisch beleuchtet der LRH auch die Personalsteigerung in den Landesbetrieben und den Hochschulen, also jenen Bereichen, die außerhalb des Kernhaushaltes liegen. Zwischen 2010 und 2019 seien hier die Ausgaben für Personal „deutlich stärker als im Kernbereich der Landesverwaltung angewachsen“. Zwischen 2023 und 2024 seien die Planstellen für die Landesbetriebe plötzlich um 739 zurückgegangen – doch das habe einzig daran gelegen, dass die Universität Hannover zur Stiftungsuniversität wurde und damit aus diesem Etat herausgefallen ist. Ein Ergebnis des Sparens sei das also nicht gewesen.

Der Jahresbericht des Rechnungshofes listet noch andere Mängel auf:

Kein Geld für Landesvermögen: Nach der aktuellen Finanzplanung fehlten bis 2027 mindestens 158 Millionen Euro für die Erhaltung von Straßen, Brücken und Radwegen. Jede vierte Brücke sei gegenwärtig nicht mehr in vollem Umfang tragfähig. Der Sanierungsstau an den Landesgebäuden wird vom LRH auf 1,8 Milliarden Euro beziffert. LRH-Senator Eckart Lantz sagt, es sei zunächst eine Festlegung darüber nötig, welche Gebäude mittelfristig verzichtbar sind. Danach könne man für die Sanierung eine Prioritätenliste festlegen.

Kein Sanierungsplan: Dem Wissenschaftsministerium fehle ein Überblick über den Zustand der Hochschulgebäude, Landesmittel für die Sanierung würden nicht nach Zweckmäßigkeit, sondern nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Außerdem hätten 16 von 18 Hochschulen keine abgestimmte bauliche Entwicklungsplanung.

Sperrwerke veraltet: Wasserwirtschaftliche Anlagen wie Schöpfwerke, das Emssperrwerk oder das Rückhaltebecken Salzderhelden seien teilweise veraltet und sanierungsbedürftig.

Kein zentraler IT-Dienstleister: IT.Niedersachsen ist bisher nicht als zentraler Dienstleister für Beratung, Betreuung und Entwicklung der IT des Landes akzeptiert, die Ressorts würden „unkoordiniert und nach eigenem Ermessen zahlreiche andere Dienstleister“ nutzen. Rund 100 Dienststellen würden Hard- und Software überwiegend selbst erwerben.

Falsche Beschaffung: Die Polizeidirektion Osnabrück habe Waren erworben, die nicht notwendig sind – so Eierkocher, Toaster und Gasgrills. Über 18 Jahre lang habe die Behörde eine eigene Tischlerei aufrecht gehalten.

Sparpotenzial bei Großküchen: Wenn die geplanten Großküchen der Uni Hannover und der Justizvollzugsanstalt Sehnde zusammengelegt würden, könne das Land rund 55 Millionen Euro sparen – 23 Millionen Euro für Investitionen und 32 Millionen Euro für Personal- und Betriebskosten in den nächsten 30 Jahren.

NDR zahlt zu viel für Tagesschau: Der NDR habe entgegen der ARD-Regeln mehr als acht Millionen Euro an Kosten für die Nachrichtenredaktion „ARD aktuell“ allein getragen, also auch für die Tagesschau. Die anderen Rundfunkanstalten müssten daran stärker beteiligt werden. Der NDR reagierte im Anschluss auf die Kritik und ließ wissen, dass die Sendeanstalt "mit dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung 'ARD aktuell' eine besondere Verantwortung für die Informationsangebote der ARD sowie für die nachrichtliche, journalistische Kompetenz am Standort Hamburg" übernehme. Es sei im Sinne der aktuellen ARD-Strategie, synergetische Poollösungen sowie Kompetenzcenter zu entwickeln und dabei die Prozesse so effizient wie möglich zu gestalten. "Die gesamte Arbeitsgemeinschaft profitiert vom derzeitigen Verzicht des NDR, entstandene Zusatzkosten auf alle Rundfunkanstalten umzulegen." Und weiter: "Darüber hinaus erzielt der NDR aus seinem Engagement auch konkreten Nutzen für seine Programmangebote: Durch die Zusammenarbeit der nationalen und regionalen Nachrichtenredaktionen von 'ARD aktuell' und 'NDR Info' am Standort Lokstedt entstehen konkrete Synergieeffekte, beispielsweise in Breaking-News-Fällen."

Dieser Artikel erschien am 6.6.2024 in Ausgabe #103.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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