Niedersachsens Weidetierhalter wollen die Bevölkerung mit einer Informationsoffensive über ihre prekäre Situation aufklären. Anlass dafür sind die Ergebnisse einer Befragung des Landvolks und des Aktionsbündnisses „Aktives Wolfsmanagement“, die bereits vor einigen Wochen an Umweltminister Olaf Lies (SPD) übergeben wurde.

Laut dieser Umfrage, die von einem Berliner Meinungsforschungsinstitut durchgeführt wurde, glaubt knapp die Hälfte der Niedersachsen, über die Lage der Weidetierhalter nicht ausreichend Bescheid zu wissen. „Ich hatte nicht erwartet, dass so viel Unwissenheit herrscht“, sagte Jörn Ehlers, Landvolk-Vizepräsident und Sprecher des Aktionsbündnisses. Wendelin Schmücker, Vorsitzender des Fördervereins der Deutschen Schafhaltung, kündigte deshalb an, ein Informationsvideo, das der Verein bislang kostenpflichtig vertrieben hat, ab sofort frei verfügbar im Internet anzubieten. Dazu wurde der Film extra mit aktuellen Zahlen versehen.
Die Initiatoren wollen damit verdeutlichen, wie sehr die Kosten für den Schutz vorm Wolf in die Höhe geschnellt sind. Hat der Staat deutschlandweit 2018 noch 2,2 Millionen Euro für Präventionsmaßnahmen gezahlt, waren es 2020 schon 9,5 Millionen Euro, erklärte Schmücker. Einen ähnlichen Anstieg erkennt man auch beim Schadensausgleich. 2018 haben betroffene Nutztierhalter noch etwas mehr als 400.000 Euro erhalten, 2020 war es fast doppelt so viel.
2018 wurden laut Schmücker in Deutschland insgesamt 2067 Nutztiere von Wölfen getötet, 2020 waren es dann schon 3959. Insgesamt seien im vergangenen Jahr im gesamten Bundesgebiet 3444 Schafe, 248 Tiere Gehegewild, 153 Rinder, 92 Ziegen, 13 Pferde und sieben Alpakas und zwei Herdenschutzhunde von Wölfen gerissen worden. In dem Informationsfilm wird behauptet, es gebe in Deutschland inzwischen mehr als 1500 Wölfe. „Die Phrase vom nicht erreichten günstigen Erhaltungszustand ist nicht haltbar“, heißt es darin. Landvolk-Vizepräsident Ehlers berichtete, dass man in Niedersachsen derzeit von 39 Wolfsrudeln ausgehe, also knapp 400 bis 450 Tiere.
"Wir sind bei der Entnahme von Problemwölfen in Niedersachsen besser als in anderen Bundesländern."
Jörn Ehlers, Landvolk-Vizepräsident
Die Weidetierhalter fordern zwar weiterhin finanzielle Unterstützung beim Herdenschutz und bei Schadensfällen. Sie stellen allerdings auch provokant die Frage, ob die hohen Kosten überhaupt noch zu rechtfertigen seien, wenn es doch dennoch zu Rissereignissen kommt. Das drängendere Anliegen der Nutztierhalter ist deshalb eine aktive Bestandsregulierung, wobei Ehlers an dieser Stelle die Situation in Niedersachsen auch lobte. „Wir sind bei der Entnahme von Problemwölfen in Niedersachsen besser als in anderen Bundesländern. Bei einer Steigerung der Wolfspopulation in Höhe von 30 Prozent hilft das aber noch nicht wirklich weiter“, sagte Ehlers. Lobend verwiesen die Landwirte darauf, dass es in den vergangenen Monaten mehrere gezielte Tötungen gegeben hat, für die das Umweltministerium zuvor Sondergenehmigungen erteilt hatte. „Wir haben mit Olaf Lies einen Umweltminister, der sich bemüht, das Problem zu lösen“, sagte Ehlers und rügte im gleichen Atemzug die Wolfspolitik der Bundesregierung.
Das Ziel müsse es sein, beim Zuwachs der Wolfspopulation einen Stillstand zu erreichen, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses. Dazu müsse die Bundespolitik allerdings das Bundesnaturschutzgesetz dahingehend ändern, dass weitere Ausnahmeregelungen, die im EU-Recht vorgesehen sind, auch im nationalen Recht Anwendung finden. Die Weidetierhalter verweisen dabei an Frankreich oder auch Schweden. Der skandinavische Staat soll auch als Vorbild dienen, wenn in Niedersachsen künftig wolfsfreie Zonen ausgewiesen werden sollen, wie es das Aktionsbündnis fordert. In Schweden gibt es diese bereits in den nördlichen Regionen, in denen die Samen Rentiere züchten. Da diese spezielle kulturelle Praxis gesellschaftlich und politisch gewollt sei, habe man dort eine entsprechende Schutzzone errichtet, in der Wölfe gejagt und dadurch ferngehalten werden. Ehlers sieht in Niedersachsen denselben Fall gegeben zum einen an den Deichen, zum anderen in der Lüneburger Heide, wo die Schafhaltung zur Kultur dazugehört. Darüber hinaus wollen die Schafhalter eine Obergrenze für den Wolf, die bei 250 erwachsenen Tieren liegen soll.