
Seit Tagen ist es die Reglosigkeit von Altkanzler Gerhard Schröder, die zunehmend den politischen Streit in Niedersachsens Hauptstadt Hannover anheizt: Dass der ehemalige Regierungschef nicht reagiert auf die immer lauter werdenden Forderungen, er möge seine einflussreichen und lukrativen Ämter bei russischen Staatsunternehmen niederlegen, lastet zunehmend auf der SPD. Der Ortsverband Heidelberg (Baden-Württemberg) hat einen Antrag auf Parteiausschluss an das zuständige Parteischiedsgericht geschickt – das Schiedsgericht des SPD-Unterbezirks in der Region Hannover. Damit liegt der schwarze Peter nun in Hannover, und Bürgermeister Thomas Hermann (SPD) schlug bereits vor, Schröder bis zum Wochenende eine Frist zu setzen. Reagiert er bis dahin immer noch nicht, soll laut Hermann ein Parteiordnungsverfahren folgen – das aber auf Bundesebene entschieden werden müsse. In Hannover könne der Oberbürgermeister mit den Ratsfraktionen über den Entzug von Gerhard Schröders Ehrenbürger-Titel beraten und entscheiden – und damit rechne er auch, sagte Hermann am Donnerstag. Die hannoversche CDU hat einen entsprechenden Antrag bereits vorgelegt.
Bei Gerhard Schröder geht es darum, dass er als Repräsentant von russischen Energiekonzernen, deren Erlöse im Krieg eingesetzt werden, jetzt ein Kriegswerkzeug Putins geworden ist. Die Debatte geht aber noch weiter und vermischt sich zusehends mit dem beginnenden Vorwahlkampf vor der Landtagswahl. FDP-Fraktionschef Stefan Birkner hat die Frage aufgeworfen, ob Schröder ohne eine Distanzierung vom Kriegsverbrecher Putin weiterhin Träger der Landesmedaille bleiben kann. Kritisch wird auch die Russland-Politik führender SPD-Politiker in Niedersachsen aufgegriffen. Dabei ist auffällig, dass es zwar auch Russland-Freunde in der CDU gibt, die Prominenten von ihnen agieren aber zumeist außerhalb Niedersachsens, so Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer.
Weil und die Russland-Sanktionen: Ministerpräsident Stephan Weil hat am 11. August 2018 bei einer Veranstaltung in Gifhorn gefordert, die EU solle die Freihandelszone nach Russland ausdehnen. Außerdem sagte er: „Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Form der gegenseitigen Sanktionen für einigermaßen kontraproduktiv halte.“ Die Besetzung der Krim dauerte damals schon vier Jahre lang. Wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) berichtet, sprach sich Weil zwei Jahre später, im September 2020 nach dem Giftanschlag auf Alexej Nawalny, erneut gegen neue Sanktionen aus – weil die bestehenden „nichts geändert“ hätten. Nach Putins Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat Weil seine Position zu den Sanktionen nun radikal geändert. Die NOZ bemerkt, dass sich Weil „nunmehr ganz anders anhört“.
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Schröder-Köpf und das Lob für Putin: Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ spießt in diesen Tagen die Rolle der Landes-Migrationsbeauftragten Doris Schröder-Köpf auf, die noch als Ehefrau des Kanzlers Gerhard Schröder Putin direkt erlebt hat. Vor der Landtagswahl 2017 habe es „eine auffällige Ballung von Russophilie“ bei Schröder-Köpf gegeben, die SPD-Politikerin habe „sich für ihren eigenen politischen Vorteil mit der russischen Propagandamaschine eingelassen und dort Putin-Kitsch verbreitet“, schreibt die FAZ. Das mache es für sie in ihrem Amt als Migrationsbeauftragte schwer, Flüchtlingen aus der Ukraine unbefangen zu begegnen, meint der Autor des Textes und zitiert Landtagsvizepräsident Frank Oesterhelweg (CDU), der sagt: „Schröder-Köpf ist als Migrationsbeauftragte nicht mehr tragbar.“
Gegenüber dem Politikjournal Rundblick ergänzt Oesterhelweg, dass es ja nicht ungewöhnlich sei, wenn Schröder-Köpf früher von Putin ein anderes Bild gehabt habe als heute. „Aber dann hätte ich jetzt erwartet, dass sie sich von ihrer damaligen Haltung distanziert. Das tut sie aber nicht.“ Schröder-Köpf wollte auf Rundblick-Anfrage nicht explizit zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Sie erklärte aber, Oesterhelweg sei „nicht satisfaktionsfähig“ und werde auch in der eigenen Partei nicht mehr ernst genommen. Und dass sie im Wahlkampf 2017 auf vielen Wegen versucht habe, russisch-stämmige Wähler direkt anzusprechen, sei doch „ganz normal“. Ihre geschilderten Eindrücke von Putin stammten „aus einer anderen Zeit“.