1. Juni 2020 · Inneres

Risikogruppen: Wer gefährdet ist, muss nicht beschäftigt werden

Die Nachwirkungen der Corona-Krise, in der wir uns gerade noch befinden, deuten sich schon an. Eine wichtige Frage ist, was mit den Beschäftigten geschehen soll, die in einer Risikogruppe tätig sind und daher in bestimmten Berufen mit vielen Kontakten (etwa zu Jugendlichen) nicht eingesetzt werden wollen oder sollen. Das könnte beispielsweise gelten für Lehrer, die unter Vorerkrankungen leiden. Nach Auskunft des Sprechers des Kultusministeriums, Sebastian Schumacher, müssen die Betroffenen ein ärztliches Attest vorweisen. In solchen Fällen müssten sie dann von zuhause aus tätig werden – etwa in der Betreuung der Kinder, die im Homeoffice über Computer ihren Unterricht erfahren. Was die Erzieher in Kindergärten angeht, die häufig kommunal beschäftigt sind, hat der Kommunale Arbeitgeberverband seinen Mitgliedern geraten, eine Arbeitsschutzexperten und den Betriebsarzt hinzuziehen – wenn bei der Überprüfung dann herauskommt, dass ein ausreichender Schutz (etwa wegen des nicht möglichen Abstandsgebotes) nicht möglich ist, kann der Betroffene dort nicht tätig werden.

Erzieher ins Gesundheitsamt abordnen?

Die spannende Frage stellt sich anschließend: Kann eine Stadt die Erzieher aus der Risikogruppe, die im Kindergarten nicht mehr eingesetzt werden können, in andere Bereiche abordnen – etwa zur Verstärkung der Gesundheitsämter, die jede Kraft gebrauchen können? Wenn das aber nicht möglich ist und sich keine andere Beschäftigung findet, muss die Kommune dem Betroffenen dann trotzdem weiter Gehalt zahlen? Wie es heißt, gibt es zu diesem Problem bisher noch keine maßgeblichen Hinweise aus der Rechtsprechung – das Thema bleibt also unbeantwortet. https://www.youtube.com/watch?v=GUVkZSotako&t=1s Beschrieben ist hier also der Fall, in dem die Freistellung des Arbeitnehmers von Arbeitsschutz-Einschätzungen des Arbeitgebers ausgeht und nicht etwa davon, dass der Beschäftigte sich krank meldet. Im Fall der Krankmeldung hätte der Betroffene gesetzlich Anspruch auf eine Lohnfortzahlung von sechs Wochen, danach würde die Krankenkasse ein Krankentagegeld zahlen, das aber geringer als der Nettolohn sein dürfte. Wichtig für die Beurteilung der Situation dürfte nicht zuletzt sein, ob es in bestimmten Arbeitssituationen tatsächlich ein erhöhtes Ansteckungsrisiko gibt, das eine Absonderung der Risikogruppe (älter als 60, Vorerkrankungen, Übergewicht) rechtfertigen könnte. Ein Landtagsabgeordneter, der namentlich nicht genannt werden will, kommentiert den Zusammenhang so: „Wenn es kein Risiko mehr gibt, weil die Zahl der Neuinfektionen nur noch sehr gering ist, dann kann es ja auch keine Risikogruppe mehr geben.“

Unterschiede zwischen Beamten und Angestellten werden deutlich

Die Corona-Pandemie hat auch in vielen Behörden die Unterschiede zwischen Beamten und Angestellten deutlich werden lassen. Angestellte im öffentlichen Dienst können laut Tarifvertrag bis zu drei Tage in außergewöhnlichen Situationen, die im persönlichen Umfeld begründet sind, zu Hause bleiben. Bei Beamten ist die Zeitspanne viel länger. Zu Beginn der Pandemie hatte es noch eine Ungleichbehandlung für Mitarbeiter von Bereichen gegeben, die wegen der Krise ihre Arbeit eingestellt hatten. Sollte es betroffene Beamte gegeben haben, die nicht in einem anderen Bereich aushelfen konnten, so hätten diese trotz Nicht-Beschäftigung eine Fortzahlung ihrer Bezüge erhalten. Für die Angestellten im öffentlichen Dienst war das nicht von vornherein gegeben. Mittlerweile gibt es aber einen auf Bundesebene abgeschlossenen Tarifvertrag, der nun bundesweit eine neue Regel vorsieht: Ein öffentlicher Betrieb (Sparkassen, Tourismus-Verbände, Busunternehmen) kann jetzt Kurzarbeit beantragen, die Mitarbeiter erhalten dann 60 oder 67 Prozent ihres Lohnes von der Bundesagentur für Arbeit, die Kommune stockt das aber bis auf 95 Prozent (bis E10) oder 90 Prozent des bisherigen Verdienstes auf. In den Verhandlungen wollten die Arbeitgeber erst 75 Prozent erreichen, aber die Gewerkschaft Verdi setzte sich mit der höheren Vergütung durch – weil die Arbeitgeber unter Druck waren, eine verbindliche bundesweite Regel für solche Fälle schaffen zu müssen.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #102.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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