Das Verbrenner-Aus ab 2035 ist eigentlich beschlossene Sache – doch es gibt noch eine Hintertür: Synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, könnten die Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 ermöglichen. In Brüssel tobt dazu ein erbitterter Streit, bei dem sich als Hauptakteure die Generaldirektion für Klimapolitik der EU-Kommission (GD Clima) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing gegenüberstehen.

„Wir brauchen E-Fuels, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Wir werden den Verkehr schneller dekarbonisieren können, wenn wir uns alle technologischen Möglichkeiten offenhalten“, sagt der FDP-Politiker. Wenn es nach der GD Clima geht, dürfen dabei aber nur synthetische Kraftstoffe verwendet werden, die wirklich zu 100 Prozent klimaneutral sind – wobei der Schiff- und Lastwagen-Transport sowie der Vertrieb an den Tankstellen in die Rechnung einfließen sollen. Laut der „E-Fuel Alliance“ ist das jedoch technisch nicht möglich und käme schließlich doch einem Verbrenner-Aus gleich.
„Im Kampf gegen den Klimawandel bremsen wir uns selbst, spielen eine Technologie gegen die andere aus.“
Die frühere niedersächsische Umweltministerin und SPD-Politikerin Monika Griefahn, derzeit Vorstandsvorsitzende der „E-Fuel Alliance“, hält diesen Kurs mit Blick auf die einbrechenden Zulassungszahlen für Elektro-Autos für fatal. „Im Kampf gegen den Klimawandel bremsen wir uns selbst, spielen eine Technologie gegen die andere aus. Wir müssen uns allen denkbaren Optionen öffnen, Klimaschutz endlich als Ganzes begreifen und Lösungen voranbringen, die Lieferketten diversifizieren und unseren heimischen Markt stärken“, sagte die einstige Mitgründerin von Greenpeace Deutschland gestern am Rande einer Vorstandssitzung des Arbeitgeberverbands Niedersachsen-Metall in Hannover. Griefahn engagiert sich seit 2021 als Sprecherin der „E-Fuel Alliance“, der sich fast alle großen deutschen Auto-Zulieferer und Mineralölunternehmen, zahlreiche Firmen aus dem Agrarbereich sowie auch Porsche, Siemens Energy und der ADAC angeschlossen haben. Die Interessengemeinschaft drängt im Streit um die EU-Kriterien für E-Fuels auf realistische Kriterien und auf ein Abrücken vom derzeit sehr restriktiven Kurs, der ein Hochlaufen klimaneutraler Kraftstoffe verhindere.
Nachdem sich das EU-Parlament beim E-Fuels-Einsatz in schweren Nutzfahrzeugen auf eine CO2-Reduktion von 90 Prozent ab 2040 geeinigt hat, liegt allerdings auch ein Kompromiss bei den Personenkraftwagen in der Luft. Wissing wird vermutlich von seiner 70-Prozent-Forderung abrücken, die GD Clima von ihrem 100-Prozent-Ziel. „Es liegt große Hoffnung auf der anstehenden finalen Entscheidung innerhalb der EU-Kommission, wie Fahrzeuge ab 2035 mit E-Fuels zugelassen und betrieben werden können“, sagte Griefahn. Diese Zuversicht stützt sich nicht zuletzt auf den Optimismus, den der Bundesverkehrsminister am Montag in Brüssel versprühte. Wissing stellte einen Verhandlungsdurchbruch noch vor Weihnachten in Aussicht. „Wir haben ja eine klare Position und wir sind der Auffassung, dass wir das auch zu einem Ergebnis bringen können“, zeigte sich der FDP-Politiker gegenüber der Deutschen Presse-Agentur zuversichtlich.

Die kriselnde niedersächsische Automobilzuliefererbranche positioniert sich im Streit um E-Fuels eindeutig auf Wissings Seite. „Wer Klimaschutz ganzheitlich denkt, findet eine Vielzahl an Möglichkeiten. E-Fuels sind dabei unsere einzige Chance, dass auch der gesamte Verbrenner-Bestand unmittelbar einen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten kann. Brüssel und Berlin wären daher gut beraten, die Koexistenz von E-Mobilität und E-Fuels im Straßenverkehr zu ermöglichen. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum es nur die eine Lösung geben soll“, sagte Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von Niedersachsen-Metall.
Er verwies ebenfalls auf die mangelnde Marktakzeptanz von Elektrofahrzeugen, die nach wie vor nur einen marginalen Anteil am gesamten Autobestand ausmachen würden. „Das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel von 15 Millionen E-Autos in Deutschland bis 2030 ist schlicht unrealistisch. Auch die Prognosen für den Elektroauto-Absatz 2024 sind niederschmetternd. Die Strategie, allein und entgegen allen Warnungen auf die Karte E-Mobilität zu setzen, sollte auf den Prüfstand gestellt werden“, sagte Schmidt. Zudem würde die Zulassung von E-Fuels einen weiteren wichtigen Aspekt berücksichtigen, der in der Debatte oft übersehen wird. „Mobilität sollte nicht zum Luxusgut werden. Durch ihre nach wie vor hohen Gesamtkosten im Vergleich zum Verbrenner darf es nicht dazu kommen, dass E-Autos die Mobilität zur sozialen Frage werden lassen“, forderte Schmidt.