Rein statistisch betrachtet stehen wahrscheinlich einige von Ihnen gerade vor der Frage: Was schenken wir der Kollegin zum Abschied? Die Generation der zwischen 1946 und 1964 Geborenen, für die sich der nicht immer liebevoll gemeinte Begriff „Boomer“ eingebürgert hat, verabschiedet sich in den Ruhestand. Sie waren immer viele: In der Schulklasse, im überfüllten Hörsaal – und jetzt sind es viele, auf die der Arbeitsmarkt verzichten muss. In den letzten Jahren ist „Boomer“ zum Synonym für Generationenkonflikte geworden. Für Leute, die den jungen Kollegen ihre Work-Life-Balance nicht gönnen und mit der neuen Software nicht klarkommen. Jetzt unternimmt der Soziologe Heinz Bude eine Ehrenrettung. In dem Buch „Abschied von den Boomern“ erklärt er, dass man sich von seiner Generation ruhig eine Scheibe abschneiden kann. Und löst damit vielleicht auch Ihr Geschenk-Problem.

A lively group of over-65 friends gathered at a countryside house, laughing and shouting together as they take a joyful group selfie.
Sie sind viele und sie haben gelernt, in der Masse aufzufallen: Die Generation der Babyboomer. | Foto: Giuseppe Lombardo via Getty Images


Die Boomer, sagt der Fachmann, haben einen pragmatischen Zugang zur Arbeit: Sie schuften nicht fürs Ego, sondern für ihren Lebensunterhalt – das aber sehr fleißig. Hm, was meinen Sie – hat er recht? Mir würden ebenso viele Leute aus der Generation einfallen, die für ihre Arbeit brennen. Es flößt mir großen Respekt ein, gegen welche Widerstände gerade Frauen ihr Berufsziel durchgesetzt haben: Gegen den Nazi-Lehrer, der meinte, Arbeiterkinder gehören auf die Hauptschule. Gegen die Mutter, die behauptete, ein Mädchen mit Abitur sei schon zu alt, um einen Mann zu bekommen. Eine Freundin erzählte neulich bei ihrer Pensionierung zum ersten Mal davon, wie sie ihr Studium mit Putzjobs und Gruppenakkord finanziert hat.
 
Und wenn das Studium geschafft war, kam es vor, dass man wieder eine oder einer von zu vielen war und keine Chance auf den ersehnten Job hatte. Ich kenne einen Lehrer, der Dachdecker geworden ist. Ein anderer wurde Pharma-Vertreter und ein dritter Pressesprecher. Letzterer ist für seine letzten Berufsjahre übrigens noch mal in die Schule zurückgekehrt. Solche Umwege stürzen die Boomer nicht in Identitätskrisen, meint Heinz Bude:

„Wir lügen uns nichts in die Tasche, aber wir geben auch nicht auf.“

Boomer haben gelernt, in der Masse aufzufallen. Erklärt das irgendetwas? Vielleicht ahnen Sie jetzt, warum alle den Kollegen für superkompetent halten, wenn er seine Meinung sagt. Oder warum die Kollegin immer jemanden findet, der ihr ein Problem abnimmt, wenn es kompliziert wird. Nein, hier ist natürlich nicht die geschätzte Kollegin gemeint, für die Sie ein Geschenk suchen.

Übrigens ist es ein Gerücht, dass diese Generation nicht mit Technik kann. Was sind denn Steve Jobs und Bill Gates anderes als Boomer? Falls sich hier jemand nicht gemeint fühlt: Schauen Sie mal in den Rundblick. Die Landesmedienanstalt sendet „digitale Engel“ aus, um Ihnen unter die Arme zu greifen. Außerdem haben wir heute für Sie:

  • Einer der aktuell unpopulärsten Boomer, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, hat sich mal wieder den Zorn der Kommunen zugezogen. Diesmal geht es um seine Pläne für die Rettungsdienste.
  • Brauchen die Hochschulen ein Ordnungsrecht? Im Wissenschaftsausschuss zeigte sich, dass das nicht gut zu den Werten der Generation passt, die derzeit an den Hochschulen Verantwortung trägt. Betroffene von Antisemitismus sehen es anders.
  • Wird die Landesregierung alle Fragen zur Büroleiteraffäre beantworten, bevor Sie in Rente gehen? Für den Ministerpräsidenten könnte es noch ungemütlich werden, prophezeit Klaus Wallbaum.

Jetzt liegt es bei Ihnen, ob Sie der Kollegin das Buch von Heinz Bude schenken oder doch lieber einen Erlebnisgutschein von der Keramikwerkstatt.
 
Ich wünsche Ihnen einen kreativen Mittwoch!
Ihre Anne Beelte-Altwig